Kunst

»Das Tote Meer brennt«

Sigalit Landau (54) gilt als eine der bedeutendsten zeitgenössischen Künstlerinnen Israels. Ein wichtiges Laboratorium ihrer Arbeit ist das Tote Meer, der salzigste Ort der Welt. Über Wochen und Monate taucht sie Gegenstände in das Meer, bis diese von Salz überzogen sind.

Neben politischen und ökologischen Fragen, die das einzigartige Gewässer aufwühlt, gehören christliche Referenzen zu Landaus vielschichtiger Arbeit, sagt Amitai Mendelsohn. Als Kurator ist er verantwortlich für die jüngste Ausstellung zu Landaus Werk »Das brennende Meer«, die noch bis Mitte Juni im Israel Museum in Jerusalem zu sehen ist.

Landschaft Historisch, politisch und religiös aufgeladen ist die Landschaft, in der Sigalit Landau seit mehr als zwei Jahrzehnten ihre Salzkunstwerke schafft. Viele Geschichten der Bibel trugen sich hier zu. Hier wurden die berühmten Schriftrollen von Qumran gefunden. Hier treffen auch die Grenzen Israels, Jordaniens und eines künftigen Staates Palästina aufeinander. Und hier spielt sich eines der großen Umweltdramen der Region ab. Seit Jahrzehnten sinkt der Pegel des Salzmeeres am tiefsten begehbaren Punkt der Erde, das vom Austrocknen bedroht ist.

In der Ausstellung geht es um Kontraste, sagt Amitai Mendelsohn, um die Dualität von Leben und Tod, Verletzung und Heilung, Zerstörung und Hoffnung. In ihr sieht der Ausstellungsverantwortliche, der über die Figur Jesus in jüdischer und israelischer Kunst promoviert hat, eine treibende Kraft hinter den Arbeiten der jüdischen Künstlerin. Auch sie, so Mendelsohn, habe eine spannende Beziehung zur Figur Jesus.

Wassermelonen Es ist die zweite Ausstellung, die das Museum Landau widmet. 1995 hatte sie, als eine der jüngsten Künstlerinnen überhaupt, ihre erste Einzelausstellung dort. Zur Ikone geworden ist ihr Video »Totes Meer« (2005), das in der aktuellen Ausstellung zu sehen ist. 500 Wassermelonen, wie aufgereihte Perlen, treiben als Spirale im Toten Meer. Inmitten der Melonen: die Künstlerin selbst, nackt.

Für Kurator Mendelsohn ist das Video wie Landaus Kunst voller Metaphern: »Die Süße der Wassermelonen trifft das Salz des Meeres, ein Kampf zwischen Leben und Tod. 17 der Wassermelonen sind verletzt. Ihr rotes Fruchtfleisch leuchtet inmitten von Grün. Landau ist Nummer 18 - der Zahlenwert des hebräischen Wortes »chai« - Leben«.

Ritualbad Rituell-religiöse Elemente sind für den Kurator zentral für die Arbeiten Landaus. Der nackte Körper im Wasser etwa, wie in der Videoinstallation, berge Anspielungen an Reinigung, das jüdische Ritualbad (Mikwe) oder auch die christliche Taufe, an die ein mit Salz überzogenes Taufbecken am Eingang der Ausstellung erinnert.

Unterwasserfotografien von Gegenständen im Kristallisationsprozess gehören ebenso wie die salzüberzogenen Endergebnisse zur Ausstellung. Gräulich-weiß und schimmernd, offenbaren sie dem Betrachter erst auf den zweiten Blick ihre ursprüngliche Gestalt. Da sind die Fischernetze aus der Hafenstadt Jaffa, Krankentragen, Kleidungsstücke wie ein Ballett-Tutu, das, salzerstarrt, von selbst im Raum zu stehen scheint. Oder lampenschirmähnliche Skulpturen aus Stacheldraht, auch sie über und über mit Salz überzogen.

Dornenkrone In der Kunst verliert der Stacheldraht, sinnbildlich für den anhaltenden Konflikt, das Gefährliche und Trennende, sagt die Künstlerin in einem Interview - und erinnert an die Dornenkrone Jesu bei seiner Hinrichtung.

Mendelsohn sieht auch hier die Dualität. Dem Symbol für Macht und Schönheit seien Schmerz, Beleidigung und Wunden gegenübergestellt. Als Bild des Letzten Abendmahls lasse sich die Installation »Wassermelonentisch« (2007) lesen - zwölf Stücke Wassermelone, konserviert in einem Salzbett.

Zusammenkunft Die Ausstellung endet mit Landaus größter Vision für das Tote Meer: einer Brücke über das Tote Meer zwischen Israel und Jordanien. Die »Verbindung zwischen Himmel, Meer und Land« charakterisiere die Region, sagt die Künstlerin. Das Meer sei dabei ein Ort der Zusammenkunft. Die Umwelttragödie dort könne »zu einer einzigartigen Chance werden, unser gemeinsames Schicksal auf konkrete Weise zu verwirklichen«.

Eine Brücke würde zum Zeichen der Erkenntnis gegenseitiger Abhängigkeit und gleichzeitig zur Einladung, Vertrauen zu schaffen. An dem historischen Tag, an dem der Damm am Süd-Ende des See Genezareth geöffnet und der Jordanfluss wieder in das Tote Meer fließen werde, sagt Landau, »werden sowohl die Geografie als auch die Biografie dieser Region geheilt werden. Andere Arten der Rettung werden folgen, und das Meer wird nicht mehr brennen.«

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  05.09.2025 Aktualisiert

Schweden

Jazz-Musiker David Hermlin wirft Festival Cancelling vor

Der Musiker habe auf einem Swing-Festival propalästinensischen Aktivisten Fragen gestellt. Plötzlich sei ihm »Einschüchterung« vorgeworfen worden

 05.09.2025

TV-Tipp

Über 100 Jahre alt - und immer noch prägend - In einer Arte-Doku machen fünf Frauen ein Jahrhundert lebendig

Arte begleitet fünf Frauen, die über 100 Jahre alt sind. Sie alle haben mit außergewöhnlicher Willenskraft auf ihre jeweilige Weise Großes geleistet. Ihre Lebenswege führen von Atatürk bis zur kubanischen Revolution

von Esther Buss  05.09.2025

Fürth

Ruth Weiss ist gestorben

Sie engagierte sich ihr Leben lang gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit. Nun ist die in Franken geborene Schriftstellerin mit 101 Jahren gestorben

 05.09.2025 Aktualisiert

Kolumne

Hoffnung als portatives Vaterland

Ein Trost trotz Krieg und viel zu vielen Toten: Mitten in Stockholm spielt ein mutiger Musiker die Hatikwa, die israelische Nationalhymne

von Ayala Goldmann  05.09.2025

Berlin

Festival erinnert an Hans Rosenthal

Der jüdische Entertainer wurde vor 100 Jahren geboren. Ein Event stellt den Moderator, der schon in jungen Jahren beim Radio von sich reden machte, in den Mittelpunkt

 05.09.2025

Ferdinand von Schirach

»Sie werden von mir kein Wort gegen Israel hören«

Der Jurist und Schriftsteller war zu Gast bei Markus Lanz - es war eine in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte Sendung

von Michael Thaidigsmann  04.09.2025

Chemnitz

Kunstfestival: Beauftragter hält einige Werke für judenfeindlich

Thomas Feist warf einigen Beteiligten »die Übernahme von ›Fakten‹ vor, die nichts als Übernahme von Hamas-Propaganda sind«

 04.09.2025

Fotografie

Mode, nackte Haut und Skandale

Helmut Newton gehört zu den populärsten Modefotografen der Popkultur. Eine Doppelausstellung in Berlin beleuchtet nun seine Werke - und bringt sie mit Bildern anderer Künstler in einen Dialog

von Daniel Zander  04.09.2025