Fernsehen

ARD zeigt Doku zum Skandal um die Hitler-Tagebücher

Der Galerist Konrad Kujau, Fälscher der Hitlertagebücher, im Jahr 1999 Foto: picture-alliance / dpa

»Conny!« - »Mh« - »Was ist los?« - »Aaach« - »Du, jetzt bin ich der Fälscher. Jetzt sagen die schon, ich hätte die Bücher gefälscht!« - Ach du je…» - «Was hast Du da bloß gemacht, Conny?» Die beiden Männer, die vor 40 Jahren miteinander telefonieren, stehen am Abgrund. Militaria-Händler Konrad «Conny» Kujau und sein bester Kunde, «Stern»-Reporter Gerd Heidemann.

Kurz zuvor, am 25. April 1983, hatte das Hamburger Magazin auf einer Pressekonferenz der Weltöffentlichkeit den Fund von Adolf Hitlers Tagebüchern präsentiert. 27 Fernsehteams und 200 Reporter waren zugegen, es kam zu tumultartigen Szenen. Die Geschichte des Dritten Reiches müsse umgeschrieben werden, tönte die Chefredaktion.

Erstunken und erlogen Dann der Paukenschlag. Alles erstunken und erlogen. In dem Dreiteiler «Der Hitler-Fake» zeichnet Christian Bock die Geschichte des Medienskandals nach, von dessen Folgen sich der «Stern» nie mehr ganz erholen sollte. Zu sehen ist die Produktion von SWR, NDR und RBB in einem Stück am Montagabend ab 22.50 Uhr im Ersten. Am gleichen Tag stehen die drei Episoden a 30 Minuten in der ARD-Mediathek zur Verfügung.

Bock kann aus einem reichhaltigen Fundus schöpfen, darunter das fast schon legendäre Interview mit Kujau 1984 im Gefängnis. Bereits auf dem Schulhof signierte der gebürtige Sachse Postkarten mit den Unterschriften der DDR-Granden Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck. Nach der Übersiedlung in den Westen verlegt er sich auf die NS-Zeit und beeindruckt damit offenbar eine bestimmte, gern auch braun eingefärbte Klientel. Spätestens 1978 fing er an, ein erstes Hitler-Tagebuch zu schreiben.

Auf der anderen Seite Gerd Heidemann, Protegé von «Stern»-Gründer Henri Nannen, Kriegsberichterstatter, dazu Nazifreund und Nazijäger in Personalunion. Routiniert erzählt Bock den Weg in das Debakel nach, berichtet über Pannen sowie kleine und große Tricksereien. Der Filmemacher steigt mit dem inzwischen 91-jährigen Heidemann in dessen Privatarchiv, in dem dieser versucht, die Geschichte der ganzen Menschheit zu dokumentieren: «14 Milliarden Jahre vor Christ Geburt, also seit dem Urknall sozusagen.» Reste von Größenwahn sind weiterhin vorhanden.

Durchgebrannte Sicherungen Bei den Verantwortlichen brannten damals jedenfalls alle Sicherungen durch. «Der Hitler-Fake» beweist, dass die Story auch nach 40 Jahren noch für eine Doku taugt. Das Problem ist, dass der Dreiteiler mehr will. «Ging es allein ums Geld oder auch um den Versuch, Hitler reinzuwaschen?», raunt es aus dem Off.

Der an der Produktion beteiligte NDR stellte erst kürzlich die Tagebücher online - begleitet von der These, dass Heidemann und vor allem Kujau tiefer in Nazi-Netzwerke verstrickt gewesen seien als bislang angenommen. Das war im Kern allerdings schon immer bekannt. Und auch die Doku kann nicht mit sensationellen Neuigkeiten aufwarten.

Stattdessen gönnt sich Bock kleine thematische Ausflüge, etwa in die Welt von Auktionshäusern, die «echte Kunst» des gescheiterten Postkartenmalers Hitler schon mal für mehrere Tausend Euro verkaufen. Auch dem öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag leistet «Der Hitler-Fake» Folge, indem er den verharmlosenden Einträgen in den angeblichen Tagebüchern den tatsächliche Antisemitismus Hitlers gegenüberstellt.

Zu kurz gesprungen Das ist verdienstvoll, aber irgendwie zu kurz gesprungen. Denn der Jahrestag hätte beispielsweise die Chance geboten, stärker die damals von Männern dominierten Strukturen in den Redaktionen zu hinterfragen, von denen es - siehe die aktuellen Diskussionen um den Axel Springer Verlag - durchaus auch heute noch Refugien gibt. Die einzige Frau, die seinerzeit mitmischen durfte, war die profilierte Fernsehjournalistin Barbara Dickmann. Sie sollte den «Stern» und seinen vermeintlichen Scoop in Szene setzen - und wurde bei kritischen Nachfragen regelmäßig abgespeist.

Auch die Exzesse der Branche, deren goldene Zeit bald darauf zu Ende ging, hätten einen genaueren Blick verdient gehabt. «Es sind sukzessive an Herrn Heidemann knapp über 9 Millionen D-Mark ausgezahlt worden», gab der damalige Gruner+Jahr-Verlagschef Gerd Schulte-Hillen zu Protokoll, ohne mit der Wimper zu zucken. Teile der Summe sind bis heute nicht wieder aufgetaucht.

«Der Hitler-Fake», Dokumentation von Christian Bock. Das Erste, Montag 24.04., 22.50 - 00.20 Uhr; der Film ist am gleichen Tag in der ARD-Mediathek abrufbar.

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Nürnberg

»Tribunal 45«: Ein interaktives Spiel über die Nürnberger Prozesse

Darf man die Nürnberger Prozesse als Computerspiel aufarbeiten? Dieses Spiel lässt User in die Rolle der französischen Juristin Aline Chalufour schlüpfen und bietet eine neue Perspektive auf die Geschichte

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Sderot

Zweitägiges iranisches Filmfestival beginnt in Israel

Trotz politischer Spannungen will das Event einen Dialog zwischen Israelis und Iranern anstoßen

von Sara Lemel  24.11.2025

Genetik

Liegt es in der Familie?

Eierstockkrebs ist schwer zu erkennen. Warum ein Blick auf den Stammbaum nützen kann

von Nicole Dreyfus  23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Stefan Wimmer  23.11.2025

Aufgegabelt

Linsenpfannkuchen von König David

Rezept der Woche

von Jalil Dabit, Oz Ben David  22.11.2025

TV-Tipp

TV-Premiere: So entstand Claude Lanzmanns epochaler Film »Shoah«

Eine sehenswerte Arte-Dokumentation erinnert an die bedrückenden Dreharbeiten zu Claude Lanzmanns Holocaust-Film, der vor 40 Jahren in die Kinos kam

von Manfred Riepe  21.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  21.11.2025