Justiz

»Ein wichtiges Zeichen für alle, die Hass im Netz erleben«

Gil Ofarim Foto: imago/Future Image

Wegen eines antisemitischen Online-Kommentars ist vergangenen Montag ein Mann aus Niesky in Sachsen zu sieben Monaten Gefängnis verurteilt worden. Diese ungewöhnlich hohe Strafe traf in Politik und Gesellschaft auf viel Zustimmung.

Der 38-Jährige hatte einen Beitrag des Presseportals »Tag 24« auf Facebook, in dem der Vorfall rund um den Sänger Gil Ofarim und seine Vorwürfe gegen das Personal des Westin-Hotels Leipzig thematisiert wurde, mit dem Satz kommentiert: »In Buchenwald wäre er mit seinem Davidstern gern gesehen.«

Der Richter am Amtsgericht in Weißwasser sah den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt und verhängte über den Angeklagten eine siebenmonatige Gefängnisstrafe ohne Bewährung - zwei Monate Haft mehr als von der Staatsanwaltschaft gefordert.

zeichen »Dass das Gericht hier ein klares Urteil gefällt hat, ist ein wichtiges Zeichen für alle, die Hass im Netz erleben«, erklärte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, gegenüber der Jüdischen Allgemeinen. »Die Aussagen des Angeklagten sind abscheulich.«

Schuster kritisierte auch die Verteidigungsstrategie des Verurteilten. Dessen Anwältin hatte vor Gericht erklärt, der Angeklagte hätte nach einem Besuch der Gedenkstätte vor Ort den Eindruck gewonnen, dass in der Jugendherberge in Buchenwald Zeitzeugen oder Prominente, die dort auch immer wieder Vorträge hielten, gern gesehene Gäste seien. Deswegen hatte sie Freispruch für ihren Mandanten gefordert. »Mit welcher perfiden Argumentation die Anwältin ihren Mandanten verteidigt hat, lässt einen sprachlos zurück«, erklärte Schuster.

»Das Gericht hat klargestellt, dass eine antisemitische Vernichtungsphantasie strafbare Volksverhetzung ist.«

Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG)

Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), zeigte sich im Gespräch mit dieser Zeitung erleichtert, dass der Versuch des Mannes aus Niesky, »der Strafbarkeit zu entgehen«, nicht geglückt ist. »Das Gericht hat klargestellt, dass eine antisemitische Vernichtungsphantasie strafbare Volksverhetzung ist«, erklärte Beck, der auch Geschäftsführer des Tikvah Instituts ist, das Antisemitismus erforscht und bekämpft. »Es ist zu hoffen, dass das Urteil hält und dass es Schule macht.«

Auch Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, wünscht sich, dass von dem Urteil »eine abschreckende Wirkung ausgeht«. Mit seinem Kommentar habe der Täter »gegenüber einem Juden in unerträglicher Art und Weise einen Bezug zu einem der größten Konzentrationslager auf deutschem Boden hergestellt«. Das habe »mit Meinungsfreiheit nichts mehr zu tun«, sagte Klein gegenüber der Jüdischen Allgemeinen.

Hintergrund Das Ziel der antisemitischen Beleidigung des Mannes aus Niesky war der jüdische Sänger Gil Ofarim. Dieser steht derzeit selbst im Mittelpunkt eines Verfahrens. So hat die Staatsanwaltschaft Leipzig vor über vier Monaten Anklage gegen ihn wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung erhoben. Der Musiker hatte zuvor nach besagtem Vorfall im Westin-Hotel am Abend des 4. Oktober vergangenen Jahres im Internet den Vorwurf erhoben, ein Mitarbeiter des Hauses habe sich ihm gegenüber antisemitisch geäußert. 

Dafür habe es jedoch keinen ausreichenden Tatverdacht gegeben. Die 6. Strafkammer des Landgerichts Leipzig hat aber bis dato noch keine Entscheidung darüber getroffen, ob das Hauptverfahren gegen Gil Ofarim überhaupt eröffnet wird. ja

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