Wenn fünf Millionen wahlberechtigte New Yorker am 4. November einen neuen Bürgermeister wählen, geht es um mehr als einen möglichen Amtsinhaberwechsel. Viele Juden stellen sich die Frage, ob ein Sieg des bisher favorisierten demokratischen Kandidaten Zohran Mamdani den Charakter ihrer Stadt grundlegend verändern könnte. In »Nyu York«, wie die Stadt mit der weltweit größten jiddischsprachigen Gemeinschaft auch genannt wird, konnten Juden bislang unbehelligt ihr religiöses und kulturelles Leben führen. Doch schon vor dem 7. Oktober 2023 mehrten sich Anzeichen, dass dieser Zustand nicht selbstverständlich bleiben könnte. Amerika, so sagen manche, sei »europäischer« geworden.
Noch im Juli erklärten rund 43 Prozent der jüdischen Wähler, für Mamdani stimmen zu wollen, unter den Jüngeren sogar zwei Drittel. Doch seither sprechen sich jüdische New Yorker zunehmend gegen den demokratischen Sozialisten aus. Dieser bemüht sich nun, rhetorisch abzurüsten, und sucht den Kontakt zu chassidischen Gemeinden sowie progressiven Juden. Gleichzeitig wird der Protest lauter: Vor der Beth-Elohim-Synagoge wurde er von wütenden Demonstranten empfangen, eine Rede auf dem Foley Square wurde von Rufen unterbrochen, er solle sich von der Hisbollah und der Scharia distanzieren.
Antizionistische Rhetorik
Amerikanische Rabbiner warnten in einem offenen Brief vor der Normalisierung antizionistischer Rhetorik. Wenn Politiker wie Mamdani die Legitimität Israels infrage stellten und Gewaltparolen nicht klar verurteilten, »delegitimierten sie die jüdische Gemeinschaft und beförderten Feindseligkeit gegenüber Juden«. In einer Predigt nannte Rabbi Elliot Cosgrove von der Park Avenue Synagogue Mamdani deshalb »eine Gefahr für die jüdische Gemeinschaft in New York«. Er bezog sich dabei auf dessen Äußerungen, wonach Israel »als jüdischer Staat« kein Existenzrecht habe und in Gaza einen Genozid begehe.
Auch Mamdanis Verbindungen zu terroristischen Gruppen und Personen sind dokumentiert: 2017 etwa pries er in einem Rap-Song seine »Liebe« zu den »Holy Land Five«, islamistischen Aktivisten, die 2009 wegen der Finanzierung der Hamas zu Haftstrafen verurteilt worden waren. Vor wenigen Wochen teilte er ein Foto, auf dem er strahlend neben Imam Siraj Wahhaj, einem Mitverschwörer beim ersten Terroranschlag auf das World Trade Center 1993, zu sehen ist. Kritikern unterstellte Mamdani »Rassismus« und »Islamophobie«.
Brisant ist auch die demografische Realität. In New York leben rund eine Million Muslime – ungefähr so viele wie Juden. Beide Gemeinschaften prägen die Stadt, doch sie stehen zunehmend in einem kulturell-politischen Spannungsverhältnis. Mamdani stützt sich stark auf muslimische und progressive Wähler, während viele Juden sich zwischen der Loyalität zu den Demokraten und der Sorge um ihre Sicherheit hin- und hergerissen fühlen.
Ein Sieg Mamdanis hätte Folgen, die weit über New York hinausreichen. Sein Aufstieg fällt in eine Zeit, in der Teile der demokratischen Partei, die einst gemäßigt links waren, »propalästinensische« und auch antizionistische Positionen beziehen. Für viele amerikanische Juden bedeutet dies einen Verlust ihrer politischen Heimat. Denn die Demokraten werben zunehmend auch um eine neue, muslimische Wählerschaft, während sie sich gleichzeitig von Israel und damit auch von vielen treuen jüdischen Wählern entfernen.
Zugleich könnte die Wahl Mamdanis ein Zeichen dafür sein, dass Antisemitismus und Antizionismus einer politischen Karriere in den USA nicht mehr im Weg stehen – und andere ermutigen, seinem Beispiel zu folgen. Für die größte jüdische Gemeinschaft außerhalb Israels wäre das eine verhängnisvolle Entwicklung.