USA

The King of Coffee

»Ich möchte mich einmischen«: Howard Schultz Foto: Reuters

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The King of Coffee

Könnte Starbucks-Gründer Howard Schultz Amerikas nächster Präsident werden?

von Sebastian Moll  27.08.2018 19:06 Uhr

Es geht nur selten um Kaffee, wenn Howard Schultz in letzter Zeit Interviews gibt oder Reden hält. Umsatzzahlen der knapp 28.000 Starbucks-Läden rund um die Welt, Einkaufspreise äthiopischer Sorten oder der perfekt gerührte Cappuccino lassen den einstigen CEO der größten Fast-Coffee-Kette der Welt in diesen Tagen kalt.

Deutlich größere Leidenschaft entwickelt der 65-Jährige, der vor wenigen Wochen nach 26 Jahren alle Ämter bei dem Espresso-Multi niedergelegt hat, wenn es um die großen Themen der USA geht. Schultz kann sich stundenlang über den »konstitutiven Rassismus« in Amerika aufregen, wie er ihn nennt, oder über die wachsende soziale Ungleichheit im Land. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, die gegenwärtige Regierung in Washington zu kritisieren, die seiner Meinung nach in jeder Hinsicht ein gefährliches Spiel treibt. Und er gerät richtiggehend in Rage, wenn er an unnötige Handelskriege und einen engstirnigen Nationalismus denkt.

Man könnte meinen, der Kaffeekönig aus Seattle sei dabei, sich für ein politisches Amt in Stellung zu bringen. Und die Äußerungen, die Howard Schultz zu diesem Thema von sich gibt, helfen nicht gerade dabei, solche Vermutungen zu entkräften.

»Ich konzentriere mich darauf, ein engagierter Bürger zu sein. Ich möchte mich einmischen«, wiederholt Schultz gebetsmühlenartig. Ob ihn das zu einem politischen Amt oder gar zu einer Präsidentschaftskandidatur für das Jahr 2020 führt, lässt er offen. Ausschließen möchte er es nicht.

Außenseiter Es wäre ein perfekter Moment für einen wie Schultz, einen Außenseiter, der sich in der Geschäftswelt zur Genüge bewiesen hat. Trumps Erfolg hat gezeigt, wie verdrossen das amerikanische Wahlvolk von Karrierepolitikern ist, die nichts anderes gelernt haben, als innerhalb der Maschinerie von Washington zu funktionieren. Im ganzen Land trauen sich seither Kandidaten ohne Erfahrung, sich auf die Wahllisten setzen zu lassen, sowohl von links als auch von rechts.

Es ist eine gute Zeit für Leute, die außerhalb der Politik etwas geschaffen haben, Trumps offensichtlicher Inkompetenz zum Trotz. »Der Unterschied zu Trump ist, dass ich ein börsennotiertes Großunternehmen auf der ganzen Welt vertreten habe«, sagt Schultz. »Trump steht einem Familienbetrieb vor, der niemandem Rechenschaft schuldet.«

So ist Schultz nicht der Einzige, der sich dafür in Stellung bringt, ein besserer Trump zu sein, einer, der anpacken und Dinge verändern kann und sich dabei weltgewandt und klug anstellt.
Der ehemalige New Yorker Bürgermeister und Medienmilliardär Michael Bloomberg hat schon mehrfach mit einer Präsidentschaftskandidatur geliebäugelt, TV-Star Oprah Winfrey war für den Posten im Gespräch. Der Entertainment-Mogul Mark Cuban hat Interesse gezeigt, Chase-Manhattan-Bankchef Jamie Dimon ebenso. In dieser Riege tut sich Schultz jedoch durch seine nahezu ungetrübte Glaubwürdigkeit hervor. Die Lehre aus dem Erfolg der Populisten nicht nur in den USA ist, dass man zu wenig auf die Sorgen der kleinen Leute gehört hat. Howard Schultz kann mit Überzeugung behaupten, dass er die Sorgen des kleinen Mannes kennt und verinnerlicht hat wie kaum ein anderer.

herkunft Schultz ist in Canarsie aufgewachsen, einer Gegend von Brooklyn, die bis heute als die ärmste und die härteste Nachbarschaft der gesamten Metropole gilt. Das parfümierte, durchgentrifizierte Manhattan ist hier Lichtjahre entfernt. Auf den Straßen regiert der tägliche Überlebenskampf. Starbucks-Läden etwa sucht man hier vergeblich.

Schultz’ Vater war Kriegsveteran und Lastwagenfahrer, Geld war immer knapp. Das Kriegstrauma machte ihn über lange Strecken arbeitsunfähig, man lebte von der Hand in den Mund.
Diese Erfahrung bescherte dem späteren Industrieboss einen ausgeprägten Sinn für soziale Gerechtigkeit. Vor allem jedoch machte die Kindheit und Jugend in der Sozialbausiedlung von Canarsie den jüdischen Jungen immun gegenüber jedweder Form von Rassismus.

»In den Canarsie Houses kamen die Familien von überall her. Es gab Puerto Ricaner, Afroamerikaner, Haitianer, Chinesen. Wir mussten miteinander klarkommen, es gab gar keine andere Wahl.«

Die Toleranz und das soziale Gewissen hat Schultz mit in sein Berufsleben genommen. Sicher, auf der einen Seite ist Schultz, der als Erster seiner Familie ein College besucht hat, ein knallharter Unternehmer, der schon morgens um viertel nach vier über Verkaufszahlen brütet. Er hat quasi im Alleingang Starbucks zu dem multinationalen Riesen gemacht, der er heute ist. Doch Schultz hat immer zumindest versucht, Starbucks als ethisches Unternehmen zu führen.

So sind 40 Prozent seiner Angestellten Angehörige nicht-weißer Minderheiten, weit über dem nationalen Durchschnitt. Schultz hat Zehntausenden von Veteranen Jobs verschafft. Starbucks bietet seinen Angestellten vorbildliche Sozialleistungen. Zudem können die Baristas dank einer Kooperation von Starbucks mit der Arizona State University seit einiger Zeit kostenlos studieren.

Debatten Schultz selbst mischt sich seit vielen Jahren aktiv und offensiv in nationale Debatten ein – ungeachtet der möglichen Auswirkungen auf den Aktienwert seiner Firma. Er hat zu Themen von der Waffenkontrolle in Amerika bis hin zum Verfall der politischen Kultur in Washington Stellung bezogen.

Der politische Moment, der ihn mehr als alles andere dazu getrieben hat, sich einzumischen, war unterdessen der Aufmarsch rechtsradikaler Gruppen in Charlottesville vor einem Jahr und die gleichgültige Reaktion des Präsidenten. Schultz berief ad hoc in Seattle eine Mitarbeiterversammlung ein und wandte sich an seine Angestellten sowie an das ganze Land. »Ich spreche als Amerikaner, als Vater und Großvater, aber auch als Jude«, sagte Schultz. »Die Vorkommnisse erfüllen mich mit tiefer Sorge über die Abwesenheit von Charakter und Menschlichkeit in dieser Regierung. Diese Art von Verhalten wird nicht nur ermutigt, sondern normalisiert.«

Es war das erste Mal, dass Schultz öffentlich über sein Judentum sprach und über die Art und Weise, wie ihn seine Herkunft motiviert. Schultz ist nicht jüdisch erzogen worden, doch die Reaktion auf Charlottesville machte deutlich, dass ihn die kollektive Erfahrung der Schoa in seinem politischen Wirken durchaus antreibt. So gab er etwa 10.000 Flüchtlingen bei Starbucks Arbeit, nachdem Trump den Zustrom von Flüchtlingen in die USA beinahe komplett gestoppt hatte. Es war eine tief empfundene Verpflichtung gegenüber Verfolgten aus allen Ländern der Welt.

wirtschaftsboss Unter linksliberalen Amerikanern werden diese Stellungnahmen eines wichtigen Wirtschaftsbosses gemeinhin gepriesen. Man goutiert, dass sich einer wie er aus dem Fenster lehnt und seine Position dazu nutzt, seinen Überzeugungen Nachdruck zu verleihen.

Doch Schultz’ Bemühungen, »Amerika zu einem besseren Ort zu machen«, wie er es selbst sagt, und »das Land an seine Versprechen zu erinnern«, sind nicht immer glücklich. So ging seine Initiative, nach den Rassenunruhen von Ferguson im Jahr 2014 über die Starbucks-Läden des ganzen Landes ein offenes Gespräch über das Thema Rasse in Amerika in Gang zu bringen, nach hinten los.

Schultz ließ die Pappbecher seiner Läden mit dem Slogan »Race Together« bedrucken. Die Baristas und die Kunden wurden dazu angehalten, sich über die Theke über das Thema auszutauschen – eine Idee, die im besten Fall als naiv, im schlechtesten Fall als zynisch gewertet wurde.

Schultz stellte das Projekt wieder ein, doch er konnte es sich bei der nächsten Gelegenheit nicht verkneifen, erneut zu versuchen, den schwierigen nationalen Dia­log über Schwarz und Weiß anzukurbeln. Als zwei schwarze Jugendliche in einem Starbucks grundlos verhaftet wurden, ließ er alle Läden für einen Nachmittag schließen, um den Mitarbeitern ein »Sensibilitätstraining« angedeihen zu lassen.

Erneut wurde Schultz Naivität vorgeworfen. Ein dreistündiges Training, auch wenn es Starbucks Millionen von Dollar kostet, werde wohl kaum das Rassenproblem in Amerika lösen. »Natürlich haben wir keine Antwort auf den tiefen Graben zwischen Schwarz und Weiß in Amerika«, entgegnete Schultz. »Aber wir können wenigstens diese Gelegenheit dazu nutzen, über unsere Läden, die täglich von Millionen von Menschen besucht werden, einen Denkprozess anzustoßen.«

Espresso Die Hoffnung, über die Starbucks-Läden Amerika zu verändern, geht auf Schultz’ ursprüngliche Vision für die Firma zurück. Anfang der 80er-Jahre war er während einer Geschäftsreise, die ihn nach Italien führte, davon beeindruckt, welche Rolle dort die Espressobars als Treffpunkt und Zentrum des gesellschaftlichen Lebens spielen.

Beinahe 40 Jahre später ist es Schultz durchaus gelungen, Starbucks zu so etwas wie dem Treffpunkt Amerikas zu machen. Der Kaffee ist zwar bestenfalls ein schlechtes amerikanisches Abziehbild italienischer Kaffeekultur. Doch die Menschen aller Schichten und Herkunft kommen in den Starbucks-Filialen des Landes zusammen. Und ja, sie lesen dort auch Zeitung und diskutieren über Politik.

Allein diese Tatsache positioniert Schultz trefflich für ein politisches Amt. Und gerade angesichts der derzeitigen Zustände in Washington könnte der Nation Schlimmeres passieren.

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