Interview

Lachen in Zeiten des Krieges

»Es war richtig, das zu tun!«: Modi Rosenfeld über Auftritte kurz nach dem 7. Oktober Foto: courtesy MODI

Interview

Lachen in Zeiten des Krieges

Der Comedian Modi über eine Pause vom Horror und die Kraft der »Moshiach Energy«

von Sophie Albers Ben Chamo  03.12.2023 18:46 Uhr

Mordechi Rosenfeld lebt modern-orthodox und offen ho­mosexuell, er ist in Israel geboren und in Amerika aufgewachsen und aktuell wohl der erfolgreichste jüdische Comedian der USA. Und das, obwohl er nach der Jeschiwa, der Ausbildung zum Chasan und einem Psychologiestudium eigentlich einen lukrativen Job als Investmentbanker gefunden hatte. Doch waren seine Witze in der Kaffeepause so gut, dass Freunde ihn in Comedy Clubs schleppten, in denen er heute ein Star ist. Der 53-Jährige weiß genau, wie sehr die jüdische Gemeinschaft Menschen wie ihn gerade braucht. Und er liefert.
Während des Zoom-Gesprächs zwischen Los Angeles und Berlin ist er müde und doch hellwach. Es ist früh am Morgen nach einer langen Nacht, in der Modi die Gäste einer Benefizgala für ein israelisches Krankenhaus unterhalten hat. Gleichzeitig tourt er und fliegt zwischen den USA, Israel und Europa hin und her.

Modi, Sie waren während des Hamas-Pogroms in Israel. Ihre dortige Tour war gerade zu Ende gegangen. Wo waren Sie genau?
Als der Krieg ausbrach, war ich in Tel Aviv. Der 7. Oktober war der Tag unseres Abflugs nach Frankreich, wo die Tour weitergehen sollte. Wir dachten, der Flug würde gestrichen, doch wir hoben ab und landeten in Paris, wo ich dann vier Shows gegeben habe.

Die wurden nicht abgesagt?
Nein. Aber es gab extra Security vom Theater, und die Pariser Polizei hat eine schwer bewaffnete Einheit davor gestellt. Ein paar Tage später war dann ein großer Anti-Israel-Protest ganz in der Nähe. Sie haben uns gebeten, die Vorstellung wegen des hohen Risikos abzusagen. Also haben wir eine Matinee am Freitagmorgen daraus gemacht.

Wie war es für Sie, nach diesem Angriff, der für Juden auf der ganzen Welt eine Zäsur bedeutet, auf die Bühne zu gehen? Haben Sie gezögert?
Die Menschen haben Monate vorher ihre Tickets gekauft. Sie kamen von überallher, nicht nur aus Paris, auch aus Deutschland, Belgien, England, aus der Türkei, aus Italien. Wir haben die Shows gegeben, und es war richtig, das zu tun! Für mich ist völlig klar, dass sie stattfinden müssen.

Das kann man auch anders sehen. Warum »völlig klar«?
Weil die Leute eine Pause brauchen, ein kleines Lachen abseits all des Horrors, den sie auf den kleinen Bildschirmen ihrer Mobiltelefone sehen.

Sie sind berühmt für Ihr Talent, den Raum »zu lesen«, um jede Show aufs Publikum abzustimmen. Wie war es diesmal?
Es ist verrückt, vor einem Publikum aufzutreten, das auf dem Handy den Krieg beobachtet. Aber als die Show begann, als sich das Licht änderte, haben sie ihre Telefone weggepackt, und wir haben mehr als eine Stunde lang zusammen gelacht. Eine Pause vom Krieg. Die Energie im Raum ändert sich, du kannst das fühlen. Das ist »Moshiach Energy«, so wie ein bisschen Hilfe von Gott. Die Menschen im Publikum sind für das Lachen gekommen. Um eine Show zu sehen. Eine Comedy-Show, nicht den Krieg.

Haben Sie wegen des Krieges Ihr Programm geändert?
Ich habe die Situation natürlich angesprochen, aber von da aus bin ich in einen Witz übergegangen, einen geschmackvollen selbstverständlich. Und dann ging es in meine Show, und die Leute sind die ganze Zeit bei mir geblieben. So als würden sie denken: Bei ihm sind wir sicher, er bringt uns zum Lachen, was immer er uns erzählt.

»Moshiach Energy«, die unbedingte Hoffnung auf das Gute im Menschen und dass die Welt ein besserer Ort werden kann, ist Ihr Motto. Wann haben Sie diesen Gedanken für sich entdeckt?
Als ich nach der Pandemie wieder damit angefangen habe, Live-Shows zu geben, habe ich diese Energie im Raum gespürt und begriffen, dass es etwas sehr Besonderes ist. Wenn ein Saal voller Menschen anderthalb Stunden lang zusammen lacht, egal ob religiös oder nicht, sefardisch oder aschkenasisch, jüdisch oder nicht, schwarz, weiß, asiatisch …, dann ist das die Energie des Maschiach. Dann herrscht Harmonie. Dann sind wir alle am gleichen Ort, auch in unseren Köpfen. Jedes Mal, wenn etwas aus dem Einssein heraus passiert, aus Güte, dann ist das für mich »Moshiach Energy«.

Kann »Moshiach Energy« auch dabei helfen, mit Hass umzugehen?
»Moshiach Energy« steht für M. und E., me (Englisch für ich). Was immer du selbst mit Güte erschaffen kannst – Sie schreiben Artikel, ich erzähle Witze, jemand anderes ist Lehrer –, bringt »Moshiach Energy« hervor. Und ich glaube, es ist die Lösung für alle Probleme, die wir haben.

Im September sind Sie zum ersten Mal in Deutschland aufgetreten. Waren Sie nervös?
Ich war weder ängstlich noch nervös. Ich brauche nur ein Mikrofon und ein paar Scheinwerfer, dann kann ich mein Ding machen. Die Energie in Berlin war großartig! Aber eines ist mir aufgefallen: Obwohl das größte Massaker an den Juden aller Zeiten fast 80 Jahre zurückliegt, waren die Menschen richtig glücklich, dass da jemand auf der Bühne steht und schreit, wie stolz er ist, Jude zu sein. Dass er es nicht versteckt, dass er Witze über Antisemitismus macht. Wir sind durch die Straßen Berlins gelaufen, an dem Ort, wo sie einst geplant haben, uns alle umzubringen, und jetzt wehten da nicht Nazi-Flaggen, sondern die der Jüdischen Kulturtage. Wir sind hier, die nicht! Berlin war einer der Höhepunkte meiner Karriere!

Werden Sie bald nach Israel zurückkehren, um dort wieder aufzutreten?
Ja, im Juni. Ich bete und hoffe, dass die Lage sich bis dahin beruhigt hat.

Was gibt Ihnen Hoffnung in dieser Zeit?
Zufällige Handlungen der Güte; wenn ich sehe, wie sich die Dinge zusammenfügen; wenn wir einen zusätzlichen Termin ansetzen und wissen, dass die Menschen kommen werden, um ein bisschen »Moshiach Energy« mit mir zu teilen.

Mit dem Comedian sprach Sophie Albers Ben Chamo.

Belgien

»Gaza gleich Auschwitz«-Karikatur gewinnt Wettbewerb

Der erste Preis des Press-Cartoon-Belgium-Wettbewerbs ging in diesem Jahr an eine Zeichnung einer Landkarte, in der die Umrisse des Eingangstores von Birkenau auf die des Gazastreifens gelegt sind

von Michael Thaidigsmann  04.07.2025

Kommentar

Zürich sollte Francesca Albanese keine Bühne bieten

Die antisemitische UN-Sonderberichterstatterin tritt am Freitag in der Zürcher Zentralwäscherei auf - subventioniert durch die Steuerzahler der Stadt

von Ronny Siev  03.07.2025

Großbritannien

Unterhaus: Palestine Action als Terrororganisation eingestuft

Mitglieder der radikalen Anti-Israel-Gruppe waren im Juni auf einen britischen Luftwaffenstützpunkt eingedrungen und hatten dort Flugzeuge beschädigt

 03.07.2025

Ukraine

Putins Krieg und Trumps Frieden

Während sich die Medienaufmerksamkeit auf Nahost konzentriert, bombardiert Russland weiterhin das Land. Nun schlägt sogar der US-Präsident neue Töne an

von Michael Gold  03.07.2025

Australien

Zwei Krankenpfleger, die damit drohten, jüdische Patienten zu töten, haben Arbeitsverbot

Im Februar sorgte ein TikTok-Video für Abscheu und Empörung, in dem zwei Krankenpfleger ihrem blanken Judenhass freien Lauf ließen. Nun stehen sie vor Gericht

 02.07.2025

Großbritannien

Warten auf »Bridgerton«

Die Sehnsucht nach der vierten Staffel des Netflix-Hits ist groß. Aber wie war eigentlich das reale jüdische Leben in der Regency?

von Nicole Dreyfus  29.06.2025

Glastonbury Festival

Kritik an antiisraelischen Parolen

Neben der Musik sorgt Hetze gegen Israel für Aufsehen – mit Folgen für die BBC, die alles live übertragen hat

 29.06.2025

Glastonbury

Bob Vylan ruft »Death, death to the IDF« – BBC überträgt es

Beim größten Open Air Festival Großbritanniens rufen Musiker antiisraelische Parolen

 28.06.2025

Militär

Name des schwulen Bürgerrechtlers Harvey Milk von US-Kriegsschiff gestrichen

Das nach Milk benannte Versorgungsschiff heißt jetzt »USNS Oscar V. Peterson«

 28.06.2025