Antisemitismus

Labour entschuldigt sich, Corbyn nicht

In der Amtszeit Jeremy Corbyns gab es immer wieder Proteste (hier 2018 in Manchester) wegen nicht geahndeter antisemitischer Äußerungen von Labour-Politikern. Foto: imago

Die britische Labour Party hat sich in aller Form bei ehemaligen Mitarbeitern entschuldigt, die vor einigen Monaten öffentlich auf Antisemitismus in der Parteizentrale der größten Oppositionspartei hingewiesen hatten.

Sieben frühere Labour-Angestellte und die öffentliche Rundfunkanstalt BBC hatten das Oberste Gericht Großbritanniens angerufen, nachdem die damalige Führung unter dem linken Parteichef Jeremy Corbyn ihnen öffentlich falsche Behauptungen und üble Nachrede unterstellt hatte. In der BBC-Sendung Panorama hatten die sieben auf grobe Missstände und Verfehlungen in Labours Vorgehen gegen Judenhass in der Partei aufmerksam gemacht.

ENTSCHULDIGUNG In dem Verfahren vor dem High Court in London stellte Labours Rechtsbeistand Mark Henderson am Mittwoch klar, dass die gegenüber den Ex-Mitarbeitern erhobenen Vorwürfe, sie hätten sich illoyal verhalten und vorsätzlich falsche Behauptungen über ihre Partei in die Welt gesetzt, »unwahr« gewesen seien. »Wir nehmen sie zurück und verpflichten uns, sie nicht zu wiederholen«, erklärte Henderson.

Die neue Labour-Führung erklärte am Mittwoch erneut, man wolle das Vertrauen der jüdischen Gemeinschaft wieder gewinnen.

Auch bei dem für die BBC-Sendung verantwortlichen Redakteur, der ebenfalls wegen Verleumdung geklagt hatte, entschuldigte sich die Partei. Dem Journalisten John Ware war von der früheren Parteispitze um Generalsekretärin Jennie Formby und Corbyns Medienberater Seamus Milne vorgehalten worden, er habe absichtlich die Öffentlichkeit falsch informiert und Zitate und Fakten einfach erfunden.

ENTSCHÄDIGUNG Die obersten Richter wiesen diese Behauptung zurück und urteilten, dass sie ehrenrührig sei. Im Rahmen eines Vergleichs entschuldigte sich Labour-Anwalt Henderson im Namen der Partei auch bei Ware und kündigte an, dem Journalisten und den sieben ehemaligen Mitarbeitern werde eine Entschädigung gezahlt. Formby und Milne selbst wollten sich Medienberichten zufolge der Entschuldigung nicht anschließen und lehnen den Vergleich mit den Klägern nach wie vor ab.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Nach Corbyns Wahlniederlage und seinem Rücktritt als Parteichef wird Labour seit April von Keir Starmer geführt wird. Dieser hat mehrfach versprochen, hart gegen jegliche Form von Antisemitismus durchzugreifen. Im Juni warf Starmer seine unterlegene Rivalin um den Parteivorsitz, Rebecca Long-Bailey, aus dem Schattenkabinett, weil sie einen Zeitungsartikel auf Twitter verbreitet hatte, der antisemitische Aussagen enthielt. Long-Bailey ist eine enge Verbündete Corbyns.

FÜHRUNG Die neue Labour-Führung erklärte am Mittwoch erneut, man wolle das Vertrauen der jüdischen Gemeinschaft wieder gewinnen. Dafür brauche es eine »andere Art der Führung.« Diese müsse »offen und transparent« sein und die Rechte der Informanten und der freien Presse schützen. Man sei entschlossen, einen Wandel einzuleiten, hieß es in der Erklärung.

Der frühere Parteichef nannte die Entscheidung, sich auf einen Vergleich einzulassen, dagegen enttäuschend. Sie bedeute, dass das Risiko bestehe, »dass irreführende und unzutreffende Anschuldigungen im Hinblick auf Handlungen zum Kampf gegen den Antisemitismus in der Labour Party« für bare Münze genommen würden, erklärte Jeremy Corbyn auf seiner Facebook-Seite. Das sei mehr eine politische Entscheidung als eine juristische, so der Mann, der Labour zwischen 2016 und 2020 geführt hatte.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Das Handeln der Verantwortlichen in der Corbyn-Ära in Bezug auf antisemitische Äußerungen von Mandatsträgern und Mitgliedern der Partei ist trotz des Vergleichs allerdings nach wie vor Gegenstand einer Untersuchung der unabhängigen Gleichstellungs- und Menschenrechtskommission in Großbritannien. Ihr Bericht wird in den nächsten Wochen erwartet und könnte zu neuerlichen Kontroversen in der Partei führen.

New York

Ex-Krypto-König Bankman-Fried soll für 25 Jahre ins Gefängnis

Noch vor zwei Jahren wurde Sam Bankman-Fried als Finanzgenie und Galionsfigur einer Zukunftswelt des Digitalgelds gefeiert. Nun soll er als Betrüger mehr als zwei Jahrzehnte hinter Gittern verbringen

von Andrej Sokolow  28.03.2024

Interview

Der Medienschaffer

Der Ausnahmejournalist und Unternehmer Roger Schawinski über Erfolg, Judenhass und den 7. Oktober

von Nicole Dreyfus  28.03.2024

Nachruf

Joe Lieberman stirbt mit 82 Jahren

Fast ein Viertel Jahrhundert lang setzte er sich als Senator auch für jüdische Belange ein

von Imanuel Marcus  28.03.2024

USA

Bildhauer Richard Serra gestorben

Für mehr als 100 öffentliche Orte schuf er Skulpturen – von Philadelphia und St. Louis bis Bochum und Kassel

 27.03.2024

Moskau

Evan Gershkovich bleibt in Untersuchungshaft

Putin will den inhaftierten US-Journalisten gegen russische Gefangene auszutauschen

 26.03.2024

Glosse

Woher stammt der Minderwertigkeits-komplex vieler Schweizer gegenüber Deutschen?

Und was verbindet die Identitätskarte mit der Rappenspalterei?

von Nicole Dreyfus  25.03.2024

Schweiz

Antisemitismus-Problem an Schulen

Die Zahlen sind erschreckend, doch die Stadt Bern wiegelt ab. Und jüdische Eltern verlieren das Vertrauen

von Nicole Dreyfus  24.03.2024

Großbritannien

»Beste Wünsche für eine Refua Schlema«

Oberrabbiner Sir Ephraim Mirvis und das Board of Deputies wenden sich nach ihrer Krebsdiagnose an Prinzessin Kate

 24.03.2024 Aktualisiert

Jubiläum

Mehr als koscheres Pastrami-Sandwich

New York feiert in diesem Jahr seinen 400. Geburtstag. Eine Reise durch die jüdische Geschichte der Stadt

von Hannes Stein  23.03.2024