Florenz

Judenretter und Radsportheld

Gino Bartali (1914 - 2000) Foto: picture alliance/KEYSTONE

»Der Mönch« wurde er genannt, Tour-de-France-Direktor Jacques Goddet erschien er als »ein mit Schlamm übersäter Engel, der unter seiner durchnässten Tunika die kostbare Seele eines außergewöhnlichen Champions trug«. Für rund 800 Juden in dem von Deutschen besetzten Italien war Gino Bartali im Zweiten Weltkrieg schlicht Retter in allerhöchster Not.

Die Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem verlieh dem Radsportler 2013 posthum den Titel eines »Gerechten unter den Völkern«. Einen Namen für die Ewigkeit gemacht hatte sich Bartali, der vor 25 Jahren, am 5. Mai 2000, in seinem Geburtsort Ponte a Ema bei Florenz starb, vorher schon - zumindest in den Augen vieler Radsportfans: durch seine Siege im Rennsattel.

Vom Sportler zum Nationalheld

Dreimal - 1936, 1937 und 1946 - gewann der begnadete Bergfahrer den Giro d’Italia. 1938 kam ein Sieg beim wohl härtesten Radrennen der Welt, der Tour de France, hinzu. Genau zehn Jahre später gelang es dem da schon 34-Jährigen, diesen Erfolg zu wiederholen.

Der Triumph soll Italien nach einem Attentat auf Kommunistenchef Palmiro Togliatti sogar vor einem Bürgerkrieg bewahrt haben. Ministerpräsident Alcide De Gasperi, so hieß es, habe noch während des Rennens zum Telefon gegriffen, um Bartali persönlich die Botschaft zu übermitteln: »Es wäre für uns alle gut, wenn du gewinnen würdest.«

Der Angerufene tat, wie ihm geheißen, und trug der Überlieferung zufolge auch zur Genesung von Attentatsopfer Togliatti bei. »Was hat Bartali bei der Tour gemacht?«, lautete angeblich dessen erste Frage nach geglückter Not-OP.

Lesen Sie auch

Entscheidend zu Bartalis Popularität trugen auch die Duelle mit Fausto Coppi bei. Die beiden Dauerrivalen galten als Inbegriff der Gegensätze, die ihr Heimatland in der Nachkriegszeit prägten, schreibt der Sporthistoriker Benjo Maso. »Bartali, der Christdemokrat, stand für das traditionelle Italien und den Katholizismus; Coppi personifizierte den Modernismus, den kühlen Rationalismus und den Sozialismus.«

Dazu passten Bilder, die Bartali kniend vor Papst Pius XII. zeigten - obwohl sich auch Coppi nach seinem Giro-Sieg 1947 umgehend im Vatikan zeigte. Der »Campionissimo« blieb in den Augen der »Bartalisten« ein Atheist, der sich überdies einen öffentlichen Rüffel der Kirchenoberen einfing, als bekannt wurde, dass er seine Gattin zugunsten einer verheirateten Frau verlassen hatte.

Kein Kind von Traurigkeit

Dabei war auch Bartali kein Kind von Traurigkeit. Eine Packung Gauloises und eine gute Flasche Rotwein verschmähte der Mann aus der Toskana selten. Und im Rennen blieben Bartalis christliche Tugenden mitunter auf der Strecke. Als Hugo Koblet ihn einmal um Wasser bat, griff er zu seiner Trinkflasche, leerte sie aus und reichte sie dann ohne viele Worte an den Schweizer Kontrahenten weiter.

Seine besten Jahre im Sport: Sie wurden Bartali durch den Zweiten Weltkrieg gestohlen. Was er während dieser Zeit machte, kam erst nach seinem Tod ans Tageslicht. »Gino, der Fromme« engagierte sich in einem Netzwerk des Widerstands, das unter anderen vom Florentiner Erzbischof Elia Dalla Costa und dem Rabbiner Nathan Cassuto geknüpft worden war.

Als Kurier versteckte Bartali während seiner teilweise über 300 Kilometer langen Tagesfahrten zwischen Florenz, Rom und Assisi in den Rohren seines Fahrrads Fotos und Spezialpapier, aus denen falsche Pässe für untergetauchte Juden hergestellt wurden.

Demonstrativ im Renntrikot mit seinem Namenszug erklärte der Sportler den Kontrollposten, dass er die regelmäßigen Touren zu Trainingszwecken unternehme, und er bat darum, sein Rad nur ja nicht zu berühren. Die Mechanik sei eigens auf ihn eingestellt.

Lobende Worte von Papst Pius XII.

Pius XII. soll von den geheimen Aktivitäten des Stars gewusst haben. Vielleicht gab er deshalb 1947 die Losung aus: »Ihr solltet strampeln wie Bartali, um ins Himmelreich zu kommen.«

Das italienische Idol selbst schwieg eisern über seinen Einsatz. »Gewisse Medaillen werden an die Seele geheftet, nicht an die Jacke.« Er habe lediglich »kleine Sachen« erledigt. »Am Ende habe ich das gemacht, was ich am besten konnte: Fahrrad fahren.«

Großbritannien

Warten auf »Bridgerton«

Die Sehnsucht nach der vierten Staffel des Netflix-Hits ist groß. Aber wie war eigentlich das reale jüdische Leben in der Regency?

von Nicole Dreyfus  29.06.2025

Glastonbury Festival

Kritik an antiisraelischen Parolen

Neben der Musik sorgt Hetze gegen Israel für Aufsehen – mit Folgen für die BBC, die alles live übertragen hat

 29.06.2025

Glastonbury

Bob Vylan ruft »Death, death to the IDF« – BBC überträgt es

Beim größten Open Air Festival Großbritanniens rufen Musiker antiisraelische Parolen

 28.06.2025

Militär

Name des schwulen Bürgerrechtlers Harvey Milk von US-Kriegsschiff gestrichen

Das nach Milk benannte Versorgungsschiff heißt jetzt »USNS Oscar V. Peterson«

 28.06.2025

Meinung

Francesca Albaneses Horrorshow

Die UN-Berichterstatterin verharmlost den Hamas-Terror und setzt die Israelis mit den Nazis gleich. Mit ihren Ansichten tourt sie nun durch die Schweiz

von Nicole Dreyfus  30.06.2025 Aktualisiert

Aufarbeitung

Brasilien entschädigt Familie von jüdischem Diktaturopfer

Vladimir Herzog gehört zusammen mit dem ehemaligen Abgeordneten Rubens Paiva zu den bekanntesten Diktaturopfern

 27.06.2025

Buenos Aires

Anschlag auf Juden in Argentinien: Prozess nach mehr als 30 Jahren

Am 18. Juli 1994 waren beim Anschlag auf das jüdische Kulturzentrum AMIA 85 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt worden

 27.06.2025

USA

Die Social-Media-Bändigerin

Die pro-israelische Influencerin Montana Tucker liefert Lehrstücke der modernen Kommunikation im Akkord. Zeit, sich die junge Frau, die mit Tanzvideos berühmt wurde, genauer anzusehen

von Sophie Albers Ben Chamo  26.06.2025

Balkan

Bosnien entschuldigt sich bei Rabbinerkonferenz

Über eine Tagung der Europäischen Rabbinerkonferenz in Sarajevo kam es zum judenfeindlichen Eklat. Mit der jetzt erfolgten Entschuldigung ist der Fall indes noch nicht bereinigt

 26.06.2025