Polen

Geschichte in schwierigen Zeiten

Will manches verändern: Monika Krawczyk Foto: Gabriele Lesser

Normalerweise würde Monika Krawczyk einen Vertrauensvorschuss bekommen. Als neue Direktorin des Jüdisch-Historischen Emanuel-Ringelblum-Instituts (ZIH) in Warschau könnte sie nun ein Jahr lang zeigen, wo sie das traditionsreiche Institut mit neuen Ausstellungen, Publikationen und öffentlichen Vorträgen künftig verorten will. Doch Krawczyk wurde vor ihrer offiziellen Ernennung durch den Kulturminister nur so mit Kritik überschüttet.

Denn seit dem Regierungsantritt der nationalpopulistischen Partei »Recht und Gerechtigkeit« (PiS) im Jahr 2015 ist in Polens Kulturlandschaft kaum noch etwas »normal«. Da konnte in Breslau ein Historiker zum Direktor des staatlichen Instituts des Nationalen Gedenkens ernannt werden, der noch vor wenigen Jahren ein bekennender Neofaschist war und auch gern mal den rechten Arm zum Hitlergruß streckte. So geschehen vor einigen Monaten.

Und in Danzig war zwischenzeitlich ein Historiker Direktor des neuen Museums des Zweiten Weltkriegs, der sich vor allem für die Geschichte des Boxens interessiert hatte, doch er gilt als parteiloyal.

ERFAHRUNG »Ich bin Mitglied der jüdischen Gemeinde in Warschau, bin sogar im Vorstand des Jüdischen Gemeindebundes, habe über ein Dutzend Jahre lang die Stiftung zum Schutz des Jüdischen Erbes geleitet − das Thema ›jüdische Geschichte‹ ist mir also nicht neu«, verteidigt sich die 47-Jährige in ihrem neuen Direktorenzimmer. Ihre Kritiker hätten allerdings recht mit dem Vorwurf, dass sie weder Historikerin noch Professorin sei.

Andererseits sei das ZIH schon seit 2008 kein Forschungsinstitut mehr, sondern unterstehe dem Kulturministerium. »Ich bin von Beruf Juristin, genauer gesagt, Anwältin. In meiner Rolle als ZIH-Direktorin verstehe ich mich vor allem als Kulturmanagerin, die dafür sorgen wird, dass es für die Pläne der einzelnen Abteilungen genug Geld geben wird.«

International kaum bekannt ist, dass das ZIH mit mehreren Millionen Archiveinheiten zu den größten judaistischen Archiven weltweit zählt.

Hart zu verhandeln habe sie ja in den vergangenen Jahren gelernt, als ihre Hauptaufgabe darin bestand, das ehemalige Eigentum der jüdischen Gemeinden – Synagogen, Schulen, Krankenhäuser und Friedhöfe in ganz Polen – für die Stiftung zum Schutz des jüdischen Erbes zurückzugewinnen. »Diese Erfahrung wird mir jetzt zugutekommen.«

FORSCHUNG Die Forschungsabteilung im ZIH mit ihren 15 Wissenschaftlern (von insgesamt rund 80 Mitarbeitern) liege ihr besonders am Herzen. Doch die Verantwortung für die Themenwahl liege bei Professor Andrzej Zbikowski. Auch wenn sie eigene Interessenschwerpunkte mitbringe, werde der renommierte Historiker auch in Zukunft volle Freiheit bei der Themenwahl genießen.

»Ich hoffe aber sehr, dass ich die internationale Zusammenarbeit ausbauen kann, sodass das ZIH künftig in einem Atemzug mit der Jerusalemer Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem, dem Holocaust Memorial Museum in Washington oder dem YIVO in New York, dem Institut zur Erforschung der Kulturgeschichte des osteuropäischen Judentums, genannt wird.«

International kaum bekannt ist, dass das ZIH mit mehreren Millionen Archiveinheiten zu den größten judaistischen Archiven weltweit zählt und mit dem von Emanuel Ringelblum angelegten Untergrundarchiv aus dem Warschauer Ghetto eine einzigartige Quelle besitzt.

ausstellung »Das möchte ich gern ändern«, so Krawczyk. Eine erste Ausstellung zum Ringelblum-Archiv werde das ZIH noch in diesem Jahr im NS-Dokumentationszentrum in München zeigen. »Ich hoffe sehr, dass sich daraus eine weitere Zusammenarbeit mit anderen Museen und Gedenkstätten in Deutschland wie im übrigen Ausland entwickeln wird.«

Doch auch in Warschau gibt es viel zu tun. Denn meist sind die ZIH-Ausstellungsräume gähnend leer. Das liegt nicht nur an POLIN, dem 2013 eröffneten Geschichtsmuseum der polnischen Juden, das mit seiner interaktiven Ausstellung zur 800-jährigen jüdischen Geschichte des Landes wahre Menschenmassen anzieht, sondern auch am bisher wenig attraktiven ZIH-Ausstellungskonzept, das vor allem auf die Aussagekraft von Originaldokumenten setzt.

Doch die zumeist mit Tinte beschriebenen Papiere sind oft klein und unansehnlich und müssen vor zu viel Licht geschützt werden. Auch Fotos werden nicht vergrößert gezeigt, was technisch problemlos machbar wäre, sondern im Original. Ohne Lupe aber ist auf den kleinformatigen Bildern oft nicht viel zu erkennen.

»Das muss man genauer analysieren«, sagt Krawczyk. Dann werde man neue Lösungen finden. »Trotz der Anlaufschwierigkeiten bin ich optimistisch gestimmt. Das werden spannende fünf Jahre im Jüdischen Historischen Institut, die nun vor mir liegen.«

Großbritannien

Nike hat es »nicht böse gemeint«

Der Sportartikel-Konzern hing zum London Marathon ein Banner auf, das aus Sicht von Kritikern die Schoa lächerlich gemacht hat. Jetzt hat sich das Unternehmen entschuldigt.

 29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Sport

Nach Anti-Israel-Eklat: Jetzt sprechen die Schweizer Fechter

Bei der Nachwuchs-EM der Fechterinnen und Fechter kommt es in Estland zu einer viel diskutierten Szene. Nun haben sich die verantwortlichen Schweizer erklärt

 28.04.2025

Fecht-EM

Schweizer Fechter schauen bei israelischer Hymne demonstrativ weg

Nachdem die U23-Mannschaft der Schweizer Fechter gegen Israel protestierte, äußert sich nun der Schweizer Fechtverband und verurteilt den Vorfall

von Nicole Dreyfus  28.04.2025

Großbritannien

Israelfeindliche Aktivisten stören London-Marathon

Mitten im London-Marathon kommt es zu einer Protestaktion gegen Israel. Zwei Aktivisten springen auf die Strecke und streuen rotes Pulver

 27.04.2025

Essay

Wir gehen nicht allein

Zum ersten Mal hat unsere Autorin mit dem »Marsch der Lebenden« das ehemalige KZ Auschwitz besucht. Ein Versuch, das Unvorstellbare in Worte zu fassen

von Sarah Maria Sander  27.04.2025

Frankreich

Serge Klarsfeld: »Wir müssen vorbereitet sein«

Der Holocaust-Überlebende und Nazi-Jäger hat in »Le Figaro« einen dringenden Appell veröffentlicht und erneut für rechte Parteien geworben. Das Judentum sei bedrohter denn je, glaubt er

 25.04.2025

USA

Sharon Osbourne vs. die Anti-Israel-Popkultur

Rock-Veteranin Sharon Osbourne hat sich mit dem irischen Rap-Trio Kneecap angelegt, das offensichtlich meint, mit Hassrede gegen Israel seine Fanbase vergrößern zu können

von Sophie Albers Ben Chamo  25.04.2025

KZ-Gedenkstätte Auschwitz

Israels Präsident Isaac Herzog und Eli Sharabi beim »Marsch der Lebenden«

Auf dem Weg von Auschwitz nach Birkenau sind diesmal auch ehemalige israelische Geiseln der Hamas dabei. Israels Präsident Herzog erinnerte an die weiterhin in Gaza gefangen gehaltenen israelischen Geiseln

 24.04.2025