Nachruf

Er bleibt eine Inspiration für uns alle

Rabbiner Marcel Yair Ebel sel. A. Foto: Alain Picard

Mit schwerem Herzen und tiefer Trauer nehmen wir Abschied von unserem Rabbiner Emeritus, Marcel Yair Ebel sel. A.

Der Talmud lehrt im Traktat Baba Batra (91a), dass am Tag, als Awraham Awinu diese Welt verließ, die Anführer der Völker sprachen:

אוי לו לעולם שאבד מנהיגו ואוי לה לספינה שאבד קברניטה

»Weh der Welt, die ihren Anführer verlor, weh dem Schiff, das seinen Kapitän verlor.«

Wie der Maharscha erklärt, trägt ein Kapitän Verantwortung für das Wohlergehen aller Passagiere. Er steuert das Schiff sicher durch ruhige und stürmische Gewässer und führt es zum Ziel. Rabbiner Ebel war für unsere Gemeinde ein solcher Kapitän.

Rabbiner Ebel wuchs in der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich (ICZ) auf und war zeitlebens tief mit ihr verbunden. Über viele Jahre hinweg prägte er die Gemeinde mit seiner Weisheit, seinem Engagement und seiner Herzenswärme.

Ähnlich wie Rabbi Akiwa fand auch Rabbiner Ebel erst später im Leben zu seiner eigentlichen Berufung. Nach einer Ausbildung zum Buchhändler und einem Aufenthalt in Israel war er zunächst als Verkaufsberater tätig.

1992 trat er dann in den Dienst der ICZ, zuerst als Kultus- und Bestattungsbeauftragter, später auch als Seelsorger und Lehrer. Parallel dazu absolvierte er eine fundierte Ausbildung in Seelsorge in Deutschland, mit dem Schwerpunkt Trauerbegleitung.

Aus dieser Zeit stammt sein bleibendes Vermächtnis, das Büchlein »Elu Dwarim«, das bis heute vielen Mitgliedern der Gemeinde in Zeiten der Trauer Trost und Orientierung schenkt. Zudem war Rabbiner Ebel langjähriges Mitglied der Chewre Kadischa und der Sozialkommission.

Seine rabbinische Ausbildung schloss er mit dem Erhalt der Smicha an der Jeschiwa und dem Kollel der Talmudic University of Florida ab und wirkte mehrere Jahre als Assistenzrabbiner an der Seite von Rabbiner Zalman Kossowsky sel. A. Nach dessen Pensionierung wurde Rabbiner Ebel zum Gemeinderabbiner der ICZ gewählt – ein Amt, das er von 2006 bis 2016 ein Jahrzehnt lang mit großem Einsatz und Hingabe ausfüllte.

Rabbiner Ebel diente der Gemeinde auch in einer Zeit persönlicher Herausforderungen. Die langjährige Krankheit und der Tod seiner Frau Janice sowie eigene gesundheitliche Belastungen begleiteten ihn. Doch seine Aufgabe als Rabbiner und die enge Beziehung zu den Gemeindemitgliedern gaben ihm Kraft und erfüllten ihn mit Sinn. Rabbiner Ebel war zudem Mitglied des Standing Committee der Europäischen Rabbinerkonferenz (CER) und vertrat die ICZ auf verschiedenen internationalen Rabbinertagungen.

Ende 2016 trat er im Alter von 70 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand. Im Rahmen meiner Amtseinführung im Januar 2017 wurde Rabbiner Ebel offiziell verabschiedet und vom Vorstand mit dem Ehrentitel »Rabbiner Emeritus« gewürdigt.

Seine letzten Jahre verbrachte er gemeinsam mit seiner geliebten Rebbetzin Sarah in Jerusalem, nahe seinen vier Töchtern sowie seinen zahlreichen Enkeln und Urenkeln. Die Schweiz und speziell der Schwarzwald, wo er eine Ferienwohnung besaß, blieben ihm stets eine Herzensheimat.

Rabbiner Marc Yair Ebel sel. A. und sein Nachfolger, Rabbiner Noam HertigFoto: Alain Picard

Als sein Nachfolger im Amt empfinde ich große Hakarat Hatow – tiefe Dankbarkeit und Anerkennung – gegenüber Rabbiner Ebel. Schon während meines Rabbinerstudiums unterstützte er mich mit offenem Herzen und wohlwollender Begleitung. Später, als ich als sein Assistent in der ICZ tätig war, schenkte er mir sein uneingeschränktes Vertrauen und ließ mich an seiner reichen Erfahrung teilhaben, im Rabbinischen ebenso wie im Zwischenmenschlichen.

Die Weise, in der er mir das Rabbinat übergab – würdevoll, selbstlos und mit aufrichtiger Ermutigung – werde ich nie vergessen. Auch danach stand er mir stets mit Rat und Zuspruch zur Seite, selbst über die Distanz hinweg. Das ist alles andere als selbstverständlich und ich werde ihm dafür stets in tiefer Dankbarkeit verbunden bleiben.

Unser tief empfundenes Mitgefühl gilt seiner Frau Sarah, seinen vier Töchtern, zahlreichen Enkeln und Urenkeln sowie allen, die um ihn trauern. Mögen sie – und wir alle – Trost und Kraft aus den vielen guten Erinnerungen und der bleibenden Inspiration seines Wesens und Wirkens schöpfen.

Abschließen möchte ich mit einem tröstlichen und zugleich nach vorn gerichteten Gedanken von Rabbiner Ebel selbst – einem Zitat aus seinem Büchlein Elu Dwarim S. 40.:

»Im Augenblick unseres größten Schmerzes, wenn es uns zum ersten Mal richtig bewusst wird, dass wir endgültig und unwiderruflich von einem geliebten Menschen Abschied nehmen müssen, klagen wir nicht… Nein, wir lobpreisen G-tt. In einem Augenblick, in dem wir verzweifeln, in dem unser Glaube einer großen Prüfung ausgesetzt ist, Kaddisch zu sagen. Die Worte ‚Jitgadal weJitkadasch schemeh rabba‘, ‚Sein großer Name werde erhoben und geheiligt‘, zu sprechen heisst, ein Glied in der Kette von Generationen zu sein. Es heißt, ein jüdischer Mensch zu sein. Kaddisch zu sagen hat eine heilende Wirkung. Wie ein Verband legt sich das Kaddisch über unsere verwundete Seele.«

Jehi Sichro Baruch. Möge das Andenken an Rabbiner Marcel Yair Ebel uns allen ein Segen sein. Möge seine Seele aufgenommen werden in den Bund des ewigen Lebens.

Der Autor ist amtierender Gemeinderabbiner der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich.

Australien

Faktencheck zum Terroranschlag in Sydney

Nach dem Blutbad am Bondi Beach ist noch vieles unklar. Solche Situationen nutzen Menschen in sozialen Netzwerken, um Verschwörungsmythen zu verbreiten

 15.12.2025

Faktencheck

Ahmed Al Ahmed hat einen Angreifer am Bondi Beach entwaffnet

Ein Passant verhindert Schlimmeres - und wird im Netz umbenannt. Angeblich soll Edward Crabtree einen der Täter von Sydney entwaffnet haben. Doch die Geschichte stammt von einer Fake-Seite

 15.12.2025

Sydney

Australiens Premierminister widerspricht Netanjahu

Nach dem Anschlag in Sydney betont Premierminister Albanese: Die Anerkennung Palästinas durch Australien steht nicht im Zusammenhang mit der Tat

 15.12.2025

Kommentar

Müssen immer erst Juden sterben?

Der Anschlag von Sydney sollte auch für Deutschland ein Weckruf sein. Wer weiter zulässt, dass auf Straßen und Plätzen zur globalen Intifada aufgerufen wird, sollte sich nicht wundern, wenn der Terror auch zu uns kommt

von Michael Thaidigsmann  14.12.2025

Meinung

Blut statt Licht

Das Abwarten, Abwiegeln, das Aber, mit dem die westlichen Gesellschaften auf den rasenden Antisemitismus reagieren, machen das nächste Massaker nur zu einer Frage der Zeit. Nun war es also wieder so weit

von Sophie Albers Ben Chamo  14.12.2025 Aktualisiert

Anschlag in Sydney

Felix Klein: »Von Terror und Hass nicht einschüchtern lassen«

Zwei Männer töten und verletzen in Sydney zahlreiche Teilnehmer einer Chanukka-Feier. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung äußert sich zu der Tat

 14.12.2025

Terror in Sydney

Zivilist entwaffnet Angreifer und wird als »Held« gefeiert

Zwei Männer schießen auf Teilnehmer einer Chanukka-Feier in Sydney: Es gibt Tote und Verletzte. Ein Video soll nun den mutigen Einsatz eines Passanten zeigen

 14.12.2025

Australien

Merz: »Angriff auf unsere gemeinsamen Werte«

Bei einem Anschlag auf eine Chanukka-Feier in der australischen Metropole gab es viele Tote und Verletzte. Der Bundeskanzler und die Minister Wadephul und Prien äußern sich zu der Tat

 14.12.2025 Aktualisiert

Terror in Sydney

Zentralrat der Juden: »In Gedanken bei den Betroffenen«

Der Zentralrat der Juden und weitere jüdische Organisationen aus Deutschland äußern sich zu dem Anschlag auf eine Chanukka-Feier im australischen Sydney

 14.12.2025 Aktualisiert