USA

Ein Sheriff mit Kippa

Der unverkleidete Sheriff Seth Frydberg (r.) mit dem als Spanier verkleideten Rabbi Chaim Block an Purim Foto: privat

Zu Purim hatte sich Seth Frydberg in Wahrheit gar nicht richtig verkleidet. Doch Rabbi Chaim Block, Direktor von Chabad Lubawitsch in Südtexas und verkleidet als Spanier zu Zeiten der Conquista, ließ es dem 22-Jährigen gerade noch einmal durchgehen. Seth Frydberg erschien als Sheriff gekleidet – ganz klassisch mit Stetson. Und seit Kurzem ist der orthodoxe Jude auch Deputy, also Polizist in Bexar County und Kontaktbeamter.

Hauptstadt des Bezirks ist San Antonio, die älteste Gemeinde von Texas. Die Stadt wurde von den Spaniern gegründet und gehörte zunächst zur Spanischen Krone und später zu Mexiko. Hier wuchs Seth Frydberg in einer orthodoxen Familie auf. In der siebtgrößten Stadt der USA leben rund 10.000 Juden.

»Ich bin während meiner ganzen Jugend zum Hebräischunterricht gegangen und habe mit 15 meine Barmizwa gemacht, eine ganz normale jüdische Erziehungsgeschichte«, sagte Frydberg einem amerikanischen Fernsehsender. Nach dem Abitur ahnte Frydberg, dass er Großes werde leisten müssen.

»Erst wollte ich Schauspieler werden, doch dann dachte ich mir, ich sollte wohl etwas Realistischeres machen.« Zumal seine Eltern große Erwartungen an den Zweitältesten von vier Geschwistern hatten.

KARRIERE »Ich wollte meinen jüngeren Brüdern ein Vorbild sein. Meine ältere Schwester war immer jemand, zu dem ich aufgeschaut habe«, bekennt Frydberg. Nach einiger Zeit der Unsicherheit entschloss sich Frydberg dann, Strafrecht zu studieren.

»Eine Karriere bei der Polizei wäre die Erfüllung für mich, das war mir schnell klar. Erst wollte ich mein Examen machen und dann in den Polizeidienst wechseln«, erzählt Frydberg. »Doch dann entschloss ich mich, die Polizeihochschule zu besu­chen. Sobald ich alt genug war, zwanzigeinhalb, schrieb ich mich ein.«

Anscheinend war das genau die richtige Wahl für den Sohn aus behütetem jüdischen Hause. »Ich war schon immer der Beschützertyp – und ich wollte immer schon Menschen helfen.«

Diesen Enthusiasmus teilten seine Eltern nicht. Für sie war die Berufswahl des Sohnes zunächst ein Riesenschock. »Das war nun wirklich nicht, was sie sich für mich vorgestellt hatten«, erzählt Frydberg. »Ich gerate in gefährliche Situationen, und dabei hatten sie doch schon einen Weg für mich vorgezeichnet, diesen typisch jüdischen Weg, der den Sprösslingen nur die Wahl zwischen Schreibtischjobs lässt.«

GEFÄNGNIS Schließlich überzeugte Frydberg seine Eltern aber doch mit seiner Begeisterung. Sie akzeptierten, dass es für ihren Sohn wichtig war, einen Berufsweg zu wählen, bei dem das Glück darin bestand, sich beständig zu bewähren. »Ich liebe wirklich alles an meinem Job. Ich liebe es, eine Uniform zu tragen, und ich liebe es, Menschen zu helfen. Menschen wenden sich an mich, wenn sie Hilfe brauchen, und es ist wirklich wunderbar, dann derjenige zu sein, der direkt dafür sorgen kann, dass es ihnen besser geht«, sagt Frydberg.

Frydberg kümmert sich auch um inhaftierte Juden im Bexar County Jail. »Ich bin die Verbindung zwischen der jüdischen Gemeinschaft und dem Sheriff’s Office. Ich stelle sicher, dass die jüdischen Bewohner San Antonios nicht unterversorgt sind und dass all ihre Bedürfnisse vom Bexar County Sheriff’s Office berücksichtigt werden«, sagt er.

Frydberg ist ein Kind des jüdischen San Antonio. Der Mann, der jetzt zur Polizeiuniform stolz seine Kippa trägt, verbrachte als Kind viele Sommer im lokalen Camp Gan Israel oder Gan Izzy, wie sie in Texas sagen. Schon seine Mutter Sandy hatte die Gan-Gani-Vorschule von Chabad besucht, und sie sorgte dafür, dass ihr Sohn Seth alle Kinderangebote von Chabad durchlief. Noch heute ist er bei den Lubawitschern engagiert und kümmert sich um junge Berufstätige.

»Ich war schon immer der Beschützertyp.«

Seth erinnert sich gern an seine Sommer in den Camps. »Besonders gut habe ich ein Lied in Erinnerung, das wir immer gesungen haben«, sagt er gegenüber chabad.org: »I’m a Jew and I’m proud and I’ll sing it out loud ...«

Vielleicht ist die starke Bindung an die Religion auch ein Resultat der Familiengeschichte. Auch seine Eltern Felix und Sandy Frydberg sind aktive Mitglieder bei Chabad San Antonio.

Seine Großeltern, Moshe und Esther Chana Frydberg, stammten aus dem polnischen Łódz – vor der Schoa die zweitgrößte jüdische Ansiedlung in ganz Osteuropa. Beide hatten Auschwitz überlebt, wo Moshe seine erste Frau und einen Sohn verloren hatte. Moshe und Esther Chana begegneten einander nach der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee. Sie heirateten und ließen sich zunächst in München nieder.

familie Dort gründeten sie ihre eigene jüdische Familie. Ihre zwei ältesten Kinder wurden hier geboren. In München gab es damals nur eine kleine Gruppe jüdischer Überlebender. Nach einem Intermezzo in Israel fanden Seths Großeltern schließlich ihre neue Heimat in San Antonio, wo ihr jüngstes Kind, Seths Vater Felix, geboren wurde.

»Es war für sie jenseits aller Vorstellungen, eines Tages solche Enkel zu haben«, sagt Felix Frydberg, dessen eine Tochter Veteranin der israelischen Armee ist. »Die Gesellschaft zu schützen und dabei gleichzeitig die jüdische Gemeinschaft zu repräsentieren – die Großeltern wären sehr stolz auf die Enkel gewesen!«

Seth Frydberg bringt seinen Stolz auf den Punkt. »Meine Großeltern wurden gezwungen, den ›Judenstern‹ der Nazis auf der Brust zu tragen. Ich habe das Privileg, für die Polizei zu arbeiten und den Sheriffstern zu tragen.«

antisemitismus Seine Kippa sieht Frydberg auch als Zeichen gegen den aufkommenden Antisemitismus in den USA. »Ich wollte die Kippa vor allem deshalb tragen, um alle Juden wissen zu lassen, dass jemand in meiner Position hinter ihnen steht und sie beschützt.«

Auch die »bad boys« hat Seth im Blick. »Wenn ich nur einen dazu bringen könnte, sein Leben zu ändern, wäre das großartig. Schließlich heißt es ja bei uns: Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt.«

Die Chancen stehen gut, dass Seth Frydberg auch zum nächsten Purimfest wieder in Uniform erscheinen darf. Rabbi Chaim wird gewiss ein Auge zudrücken.

München/Gent

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