Waffenruhe

Weiß die Hamas, wo alle toten Geiseln sind?

Inbar Hayman wurde auf dem Nova-Festival von der Hamas ermordet. Ihre Mutter Ifat hofft, bald an ihrem Grab weinen zu können Foto: privat

Während die Angehörigen der lebenden Geiseln in freudiger Erwartung auf die Freilassung ihrer Liebsten hinfiebern, sind die Familien der toten Geiseln in großer Sorge. Denn Israel sei sich bewusst, dass die Hamas möglicherweise nicht alle noch im Gazastreifen befindlichen sterblichen Überreste der entführten Menschen finden könne, heißt es aus Quellen in Jerusalem.

In einem Bericht des US-amerikanischen Senders CNN dazu heißt es, dass die palästinensische Terrororganisation, die am 7. Oktober 2023 bei einem Massaker mehr als 1200 Menschen ermordete und 251 weitere in den Gazastreifen entführte, den Aufenthaltsort von einigen der 28 getöteten Geiseln möglicherweise nicht kenne. Dies gehe aus Schätzungen auf Grundlage israelischer Geheimdienstberichte hervor.

Eine der Quellen habe mitgeteilt, dass die Zahl der vermissten Geiseln zwischen sieben und neun liege, eine andere sagte, es könnten sogar zwischen zehn und 15 Leichen sein, von denen man den nicht wisse, wo sie seien. Die Quellen teilten CNN außerdem mit, die Regierung in Jerusalem wisse seit mehreren Monaten, dass die Hamas nicht alle toten Geiseln kenne.

Die Lebenden stehen für die Familien an erster Stelle

»Die Lebenden stehen für uns an erster Stelle«, sagte Michel Illouz nach der Verkündigung des Deals. Sein Sohn Guy wurde der bei dem Nova-Musikfestival von der Hamas als Geisel genommen und in Gefangenschaft getötet. Sicherheitskreise bestätigen dies. »Wir werden uns mit den Familien unserer Geiseln freuen. Und wenn sie dann die Leichen zurückbringen, werden wir um unsere persönlichen Verluste trauern.«

»Wir gehen davon aus, dass sie alle am Montag zurückkommen werden. Und dazu gehören auch die Toten«, fügte er hinzu. Nachdem er das gesagt hatte, machte Hagai Angrest, der Vater der Geisel Matan Angrest klar: »Wir werden alle mit Michel zusammen sein, um den Kreis zu schließen, wenn Guy nach Hause kommt.«

Andere Angehörige sorgen sich, dass ihre Familienmitglieder vielleicht niemals nach Hause kommen. Die Mutter von Tamir Adar, ein israelisch-deutscher Doppelstaatsbürger, hat Angst, dass sie als »Mutter einer toten Geisel« verlassen wird. »Mein Traum ist jetzt einfach, dass sie Tamirs Überreste finden«, sagt sie. Tamir Adar war Mitglied der Schutzgruppe seines Kibbuz‘ Nirim, der am 7. Oktober bei der Verteidigung seiner Gemeinde getötet wurde.

In der jüdischen Religion ist es unabdingbar, dass alle sterblichen Überreste entsprechend der Halacha bestattet werden. Darüber hinaus ist es für die Angehörigen von größter Bedeutung, durch eine Beerdigungszeremonie und ein Grab einen Abschluss zu bekommen.

Ifat Hayman: »Ich will ein Grab, an dem ich um Inbar weinen und sie für immer lieben kann.«

»Ich will ein Grab, an dem ich um Inbar weinen und sie für immer lieben kann«, schrieb Ifat Hayman, die Mutter der letzten noch in Gaza verbleibenden weiblichen Geisel über ihre Tochter. Inbar, eine Studentin und Graffiti-Künstlerin wurde mit 27 Jahren von Hamas-Terroristen auf dem Nova-Festival ermordet.

Trump hatte am Mittwochabend auf Truth Social geschrieben, dass die 48 Geiseln, die noch in Gaza gefangen gehalten werden, »wahrscheinlich am Montag freigelassen« würden, einschließlich »der Leichen«. Anschließend erklärte die Hamas, sie werde wahrscheinlich nicht alle toten Geiseln finden können. Unter den von der Gruppe festgehaltenen Leichen befindet sich auch der IDF-Soldat Hadar Goldin, der 2014 in Gaza getötet wurde.

Die lebenden Geiseln sollen am Montag von der Hamas ohne »Freilassungszeremonie« an Vertreter des Roten Kreuzes übergeben werden. Das Rote Kreuz wird sie dann zu den im Gazastreifen wartenden IDF-Truppen bringen, heißt es von Quellen, die mit den Verhandlungen in Kairo vertraut sind.

IDF ist bereit, alle lebenden Geiseln auf einmal zu empfangen

Die befreiten Geiseln werden dann außerhalb des Gazastreifens zum Militärstützpunkt Re’im nahe der Grenze eskortiert, wo eine erste körperliche und psychische Untersuchung durchgeführt wird. Wie bei vorherigen Freilassungen werden einige Familienangehörige voraussichtlich in der Einrichtung in Re’im auf ihre Liebsten warten. Die IDF erklärt, sie sei bereit, alle lebenden Geiseln auf einmal zu empfangen.

Später werden die Geiseln und ihre Familien zur weiteren Behandlung und um andere Familienmitglieder zu treffen, in Krankenhäuser in Zentralisrael gebracht. Geiseln, die sofortige medizinische Hilfe benötigen, werden per Lufttransport zum Soroka Medical Center in Beerscheba gebracht, ohne die Re’im-Einrichtung zu passieren.

Die Leichen der toten Geiseln sollen von Truppen in Gaza in Empfang genommen werden, wo ihnen zu Ehren eine kleine Zeremonie unter der Leitung eines Militärrabbiners abgehalten wird. Die Särge sollen laut IDF »aus Sicherheitsgründen« untersucht werden.

Die Särge mit den zivilen Geiseln werden anschließend zur Identifizierung in das forensische Institut Abu Kabir gebracht, was bis zu zwei Tage dauern kann. Die Leichen der Soldaten werden zur Identifizierung in das Shura-Lager der IDF gebracht.

Jerusalem

Bischof Azar bedauert Irritation durch »Völkermord«-Äußerung

Weil er in einem Gottesdienst in Jerusalem von »Völkermord« an den Palästinensern sprach, hat der palästinensische Bischof Azar für Empörung gesorgt. Nun bedauert er, dass seine Worte Irritation ausgelöst haben

von Christine Süß-Demuth  07.11.2025

Diplomatie

Kasachstan will sich den Abraham-Abkommen anschließen

US-Präsident Donald Trump kündigte den Schritt wenige Tage vor dem Besuch des saudischen Kronprinzen im Weißen Haus. Auch Saudi-Arabien solle seine Beziehungen zu Israel normalisieren, so die Hoffnung des US-Präsidenten

 07.11.2025

Israel

Spion auf vier Rädern

Israels Armee mustert ihre Dienstfahrzeuge »Made in China« aus. Der Grund: Sie könnten ein Risiko für die nationale Sicherheit sein

von Ralf Balke  07.11.2025

Ko Pha Ngan

Thailand: Israelisches Paar hat in der Öffentlichkeit Sex - und wird verhaftet

Die Hintergründe

von Sabine Brandes  06.11.2025

Kommentar

Wo Israel antritt, rollt der Ball ins moralische Abseits

Israelische Spieler und Fußballfans werden schon lange dafür diskriminiert, dass sie von anderen gehasst werden.

von Louis Lewitan  06.11.2025

Kommentar

Warum Zürichs Entscheid gegen die Aufnahme von Kindern aus Gaza richtig ist

Der Beschluss ist nicht Ausdruck mangelnder Menschlichkeit, sondern das Ergebnis einer wohl überlegten Abwägung zwischen Sicherheit, Wirksamkeit und Verantwortung

von Nicole Dreyfus  06.11.2025

Geiselhaft

»Sie benutzten mich wie einen Boxsack«

Die befreite Wissenschaftlerin Elisabeth Tsurkov berichtet über »systematische Folter und sexuelle Gewalt« durch die Entführer im Irak

von Sabine Brandes  06.11.2025

Gaza

Ex-Geisel Rom Braslavski: »Ich wurde sexuell missbraucht«

Es ist das erste Mal, dass ein aus der Gewalt der Terroristen freigekommener Mann über sexuelle Gewalt berichtet

von Sabine Brandes  06.11.2025

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

 06.11.2025 Aktualisiert