Sport

Saisonziel Tour de France

Mitglieder des israelischen »Cycling Academy Team« Foto: imago images/Felix Jason

Der Rennstall »Israel Start-up Nation« will den Radsport aufmischen und zugleich ein freundliches Bild von Israel in der Welt verbreiten. Treibende Kraft ist der israelisch-kanadische Immobilienmilliardär Sylvan Adams. Er holte bereits den Giro d’Italia nach Jerusalem, ließ Popstar Madonna zum Eurovision Song Contest nach Tel Aviv einfliegen und beteiligte sich finanziell am Mondlandungsprojekt »Beresheet«.

»Ja, jetzt gehen wir den nächsten Schritt«, sagt Guy Sagiv stolz. Der 25-Jährige ist aktueller israelischer Landesmeister im Radsport. Seit der Gründung des Rennstalls im Jahr 2015, damals unter dem Namen »Cycling Academy Team«, ist er dabei. »Wir haben uns kontinuierlich entwickelt«, sagt er mit Blick auf die Vergangenheit.

investment Den ersten großen Entwicklungsschub gab es mit dem Start des Giro d’Italia 2018 in Jerusalem. Den finanzierte weitgehend Rennstallchef Adams. »Ich gab 90 Prozent, der Staat steuerte nur zehn Prozent bei«, sagt Adams. Mit dem Investment ist er aber zufrieden. »Über eine Milliarde Fernsehzuschauer sahen die Bilder aus Israel. Sie sahen schöne Landschaften und eine friedliche Gesellschaft«, betont er.

Den ersten großen Entwicklungsschub gab es mit dem Start des Giro d’Italia 2018 in Jerusalem.

Das ist sein Hauptziel: Bilder des »normalen Israel« zu verbreiten. »Radsport ist ein Vehikel, um mein Heimatland Israel zu promoten«, sagt der vor vier Jahren aus Kanada übergesiedelte Adams. Als »normales Israel« bezeichnet er das Land, das in den Weltnachrichten kaum vorkommt. »Sie sind jetzt hier, Sie sehen, dass wir ganz normale Menschen sind. Aber diese Botschaft kommt kaum durch. Die Leute denken, wir leben in einer Konfliktzone. Das dominiert das Bild von Israel, denn die Nachrichten sind sehr eindimensional«, beklagt Adams.

Um am Giro d’Italia, dem zweitwichtigsten Rennen im Straßenradsport, teilzunehmen, finanzierte er im letzten Jahr nicht nur die Auftaktetappen. Er musste mit seinem Rennstall auch von der dritten Kategorie in die zweite aufsteigen, um überhaupt eine Wildcard vom Giro-Organisator RCS zu erhalten. Das bot Landesmeister Sagiv die Chance, seine erste große Rundfahrt zu absolvieren. Er schrieb Geschichte, indem er als erster israelischer Radprofi eine Grand Tour beendete.

Im Juli will er dies bei der Tour de France wiederholen. »Es ist mein großes Saisonziel, es in die Tour-Mannschaft zu schaffen«, sagt Sagiv. Nur mitfahren, um das Ziel in Paris zu erreichen, will er aber nicht. Auch seine Ziele haben sich entwickelt. »Einfach nur anzukommen, reicht mir nicht. Ich will meine Teamkollegen unterstützen, und wenn sich die Gelegenheit ergibt, auch meine eigenen Chancen nutzen«, sagt er im Vorausblick auf den Juli.

qualifikation Für die »Mutter aller Rundfahrten« ist sein Team automatisch qualifiziert. Denn im Herbst leitete Rennstallbesitzer Adams den nächsten Entwicklungsschritt ein und erwarb die WorldTour-Lizenz des russisch finanzierten Rennstalls Katusha. Wie viel Geld dabei geflossen ist, wollten weder Katusha-Chef Igor Makarov noch Adams sagen. Makarov ist trotz der Lizenz-Weitergabe dem Rennstall weiter verbunden. Katusha stellt die Sportbekleidung.

Und Makarov, ein Milliardär im russischen Öl- und Gasgeschäft, kam sogar zur Präsentation des neuen Rennstalls nach Tel Aviv. »Wir sind Freunde«, sagte er über sich und Adams. Er brachte als Gastgeschenk eine Flasche Wodka mit.

Der israelische Radsport soll von der Start-up-Szene profitieren.

Der Rennstall heißt seit Dezember »Israel Start-up Nation«. Der Name geht auf den neuen Co-Sponsor »Start-up Nation Central« zurück. Er ist ein Inkubator für junge Technologieunternehmen. »Etwa 7000 Unternehmen haben wir in unserem Katalog«, sagt Laura Gilinski, Vizepräsidentin von Start-up Nation Central. Gründer und wichtigster Finanzier ist der Investmentbanker Paul Singer. Geld bringt der neue Co-Sponsor allerdings nicht in die Partnerschaft. »Wir sind eine wohltätige Organisation, vermitteln nur zwischen Investoren und jungen Unternehmen. Aber wir werden bei unseren Start-ups Potenziale für den Radsport ausloten. Das kann die Ernährung betreffen, aber auch visuelle Technologien«, so Gilinski.

Das Interesse an neuen Technologien erinnert an den britischen Rennstall »Sky«. Auch Sky, seit diesem Jahr »Team Ineos«, brachte neue Technologien in den Radsport ein und dominiert seit 2013 die Tour de France. Ähnliches schwebt Adams vor. »Wir wollen unsere Fahrer entwickeln, von der Start-up-Szene Israels profitieren und in wenigen Jahren auch große Rundfahrten gewinnen«, sagt er.

Als Ziele für das erste Jahr auf WorldTour-Niveau formuliert er: »Wir wollen ein Klassikermonument gewinnen. Außerdem würde ich gern mindestens einen Etappensieg bei einer großen Rundfahrt haben, am liebsten jeweils einen bei jeder der drei großen Rundfahrten. Und eine Top-10-Platzierung in einer Grand Tour wäre auch gut.«

TRAINING Für diese Ziele hat sich das Team verstärkt. Der Kölner Nils Politt, in diesem Jahr Zweiter beim Kopfsteinpflaster-Traditionsrennen Paris–Roubaix, soll für den Klassikersieg sorgen. Sprinter André Greipel, auch er trainiert in Köln, soll die Etappensiege beisteuern. Der Ire Dan Martin, bereits Vierter der Tour de France, soll im nächsten Juli für »Israel Start-up Nation« in die Top Ten stürmen.

Ein großes Hindernis bei der Entwicklung israelischer Spitzenathleten ist der Wehrdienst.

Als Vorbereitung dafür bestreiten die alten wie die neuen Fahrer gegenwärtig ein Trainingslager in Israel. Zum Kennenlernprogramm gehörten auch ein Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und ein Arbeitseinsatz in einem Sportinternat, das ebenfalls von Teambesitzer Adams finanziell unterstützt wird. Die Profis legten dabei eine Cross-Strecke für den Nachwuchs an.
Adams fördert den israelischen Radsport in ganzer Breite, er ließ auch das neue Velodrom in Tel Aviv bauen.

Ein großes Hindernis bei der Entwicklung israelischer Spitzenathleten ist aber der Wehrdienst. »Wir haben drei Jahre Wehrpflicht. Das ist nicht ideal. Denn während Sportler anderer Länder sich ganz auf ihre sportliche Karriere konzentrieren können, müssen wir eine Balance finden«, gibt Landesmeister Sagiv zu bedenken. Er hatte noch das Glück, während der Armeezeit trainieren und zu Wettkämpfen ins Ausland reisen zu können. »Aber es gibt nur wenige Plätze dafür. Die meisten gehen an Fußballer«, sagt er.

Mit der Teilnahme an der Tour de France erhöhen sich zukünftig vielleicht auch die Chancen für israelische Radsportler, Militärdienst und Training besser miteinander vereinbaren zu können.

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