Nahost

Ringen um Geisel-Deal vor Trumps Vereidigung

Der künftige Vizepräsident JD Vance hat der Hamas schwerwiegende Konsequenzen angedroht, sollte sie sich weiterhin gegen einen Deal zur Freilassung ihrer Geiseln stellen. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Wenige Tage vor der Amtseinführung Donald Trumps in den USA hat der Stellvertreter des künftigen Präsidenten der palästinensischen Terrororganisation Hamas mit schwerwiegenden Konsequenzen gedroht. Sollten sich die Islamisten einem Deal mit Israel verweigern und nicht vor Trumps Vereidigung am 20. Januar alle Geiseln in ihrer Gewalt freilassen, werde die nächste US-Regierung drastische Schritte ergreifen, versprach Trumps designierter Vize J.D. Vance.

Sowohl er als auch der Nationale Sicherheitsberater des scheidenden US-Präsidenten Joe Biden gaben sich aber hoffnungsvoll, dass noch in dieser Woche ein Durchbruch gelingen könnte.

Lesen Sie auch

Trump hatte vergangene Woche nochmals bekräftigt, im Nahen Osten werde »die Hölle losbrechen«, wenn die Geiseln bis zu seiner Amtsübernahme nicht wieder zuhause sein sollten, »und das wird nicht gut für die Hamas sein, und es wird - offen gesagt - für niemanden gut sein«.

»Aggressive Sanktionen«

Vance wurde nun vom konservativen US-Fernsehsender Fox News dazu befragt, was genau Trump damit gemeint habe. Seine Antwort: »Das bedeutet, die Israelis in die Lage zu versetzen, die letzten Bataillone der Hamas und ihre Führungsriege auszuschalten. Es bedeutet sehr aggressive Sanktionen und finanzielle Strafen für all jene, die Terrororganisationen im Nahen Osten unterstützen. Es bedeutet, die Aufgabe amerikanischer Führung auch wirklich zu erledigen« - eben so, wie Trump das in seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 getan habe.

Vance zufolge ist man im Trump-Lager »hoffnungsvoll, dass ganz am Ende der Regierungszeit Bidens ein Deal geschlossen wird, vielleicht am letzten oder vorletzten Tag«. Wie auch immer diese Abmachung aussehen sollte: Sie werde darauf zurückzuführen sein, »dass die Leute schreckliche Angst davor haben, dass es (ansonsten) Folgen für die Hamas haben wird«, meinte der Republikaner.

Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan hatte sich am Wochenende vorsichtig optimistisch über einen möglichen Deal für eine Waffenruhe und Geisel-Freilassung geäußert. »Wir sind sehr, sehr nah dran«, sagte Sullivan dem US-Fernsehsender CNN.

»Komplett isoliert«

»Wir sind nach wie vor entschlossen, jeden Tag, den wir im Amt sind, zu nutzen, um diese Sache zu Ende zu bringen.« Es könne aber auch sein, dass sich insbesondere die Hamas am Ende nicht bewege, »wie es schon so viele Male passiert ist« - und vor dem Machtwechsel am 20. Januar keine Abmachung mehr zustande komme.

Trumps Sicherheitsberater Mike Waltz sagte im Gespräch mit ABC News, eine rasche Einigung sei im Interesse der Palästinenserorganisation. Jeder Deal nach Trumps Amtsübernahme werde für die inzwischen »komplett isolierte« Hamas »nur noch schlechter ausfallen« als das, was derzeit auf dem Tisch liege.

Der scheidende US-Präsident Biden scheint entschlossen, noch vor dem Ende seiner Amtszeit eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und einen Deal zur Freilassung der Hamas-Geiseln zu erreichen. In einem Gespräch mit Benjamin Netanjahu habe er den israelischen Ministerpräsidenten auch zu verstärkter humanitärer Hilfe gedrängt, teilte das Weiße Haus mit.

Lesen Sie auch

Netanjahu sieht Fortschritte

Nach den Zahlen der israelischen COGAT-Behörde sind allerdings seit Neujahr bereits 22.929 Tonnen Hilfsgüter auf 1210 Lastwagen über Israel nach Gaza eingeführt worden. Seit die Hamas den Krieg am 7. Oktober 2023 begann, waren es 1,29 Millionen Tonnen.

Netanjahu erwähnte nach Angaben seines Büros »Fortschritte« bei den Verhandlungen über eine Freilassung der Geiseln und informierte Biden über das Mandat, das er seinen Unterhändlern für deren Gespräche in Katar und einen möglichen Deal mit der Hamas erteilt habe.

Eine ranghohe israelische Delegation war zuvor zu neuen Gesprächen in der katarischen Hauptstadt Doha eingetroffen. Aus Verhandlungskreisen verlautete, mit dabei seien auch diesmal wieder der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, sowie der Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet, Ronen Bar.

»Historische Gelegenheit«

Bei den indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas, bei denen neben Katar auch Ägypten und die USA vermitteln, geht es vor allem um eine Waffenruhe und einen Austausch von Geiseln der Hamas gegen palästinensische Häftlinge.

Das Forum der Geiselfamilien sprach von einer »historischen Gelegenheit«, die Freilassung der Entführten zu erreichen. Am Wochenende demonstrierten erneut Tausende Israelis für ein Ende des Krieges und die Freilassung der Geiseln.

Derzeit befinden sich noch 98 Geiseln in der Gewalt der Hamas-Terroristen. Unter ihnen sind vier Israelis, die sich schon seit einem Jahrzehnt in der Gewalt der Hamas befinden - darunter zwei getötete Soldaten, bei denen es nur noch um die Überführung der sterblichen Überreste geht. Von den 94 am 7. Oktober 2023 entführten Menschen sind nach israelischen Angaben 81 Männer, 11 Frauen und 2 Kinder unter fünf Jahren. Mehrere Geiseln haben die deutsche Staatsbürgerschaft.

Multinationale arabische Truppe

Der israelische Experte Avi Melamed geht davon aus, dass Trumps dramatische Rhetorik wenig bei der Hamas bewirken dürfte, da die Organisation im Gaza-Krieg bereits schwere Rückschläge erlitten habe. Trump könne jedoch diplomatischen Druck auf Länder wie die Türkei und arabische Staaten ausüben, die Hamas-Führern Unterschlupf gewähren.

Außerdem könne er sich dafür starkmachen, dass eine multinationale arabische Truppe gemeinsam mit einer reformierten palästinensischen Autonomiebehörde nach dem Krieg die Sicherheit im Gazastreifen gewährleiste. »Der Schlüssel zur Schwächung der Hamas liegt darin, deren Hoffnungen auf eine Rückkehr zur politischen Kontrolle in Gaza komplett zu zerstören«, schrieb Melamed. dpa/ja

Tel Aviv

Was passiert nach Netanjahus Begnadigungsantrag?

Versuche, die Prozesse durch eine Absprache zu beenden, gab es bereits. Selbst die Richter regten eine Einigung an. Wie steht es um die beantragte Begnadigung?

 01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Ehemalige Geiseln

»Eli war wie ein Vater für mich«

Alon Ohel und Eli Sharabi treffen sich nach der Freilassung zum ersten Mal wieder

von Sabine Brandes  01.12.2025

Haifa

Nach abgesagter Auktion: Holocaust-Zeugnisse jetzt in Israel

Die geplante Versteigerung von Holocaust-Zeugnissen in Deutschland hatte für große Empörung gesorgt. Nun wurden viele der Objekte nach Israel gebracht und sollen dort in einem Museum gezeigt werden

von Sara Lemel  01.12.2025

Jerusalem

Sa’ar kritisiert geplante Umbenennung des Dubliner Chaim-Herzog-Parks

Israels Präsident und Außenminister üben scharfe Kritik. Von einem »schändlichen und beschämenden Schritt« ist im Büro Isaac Herzogs die Rede

 01.12.2025

Tel Aviv

Tausende demonstrieren für Ran Gvili und Sudthisak Rinthalak

Der Vater von Ran Gvili sagt, es dürfe keinen »nächsten Schritt« geben, solange die Terroristen die letzten Leichen nicht herausgäben

 01.12.2025

Jerusalem

Bennett befürwortet Begnadigung Netanjahus – unter einer klaren Bedingung

Israel sei »ins Chaos und an den Rand eines Bürgerkriegs geführt worden«, so der Oppositionspolitiker. Um das Land aus dieser Lage herauszuholen, unterstütze er ein »verbindliches Abkommen«

 01.12.2025

Jerusalem

Netanjahu bittet Israels Präsidenten um Begnadigung

US-Präsident Trump hat eine Begnadigung des wegen Korruption angeklagten Regierungschefs Netanjahu gefordert. Nun schreibt Netanjahu selbst ein Gnadengesuch. Israels Opposition übt scharfe Kritik

 30.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  29.11.2025