Israels Armeechef Eyal Zamir soll das amerikanische Militär davor gewarnt haben, dass der Iran eine laufende Militärübung seiner Revolutionsgarden als Tarnung für einen realen Raketenangriff auf Israel nutzen könnte. Das berichtet das Nachrichtenportal »Axios« unter Berufung auf drei anonyme Quellen in der israelischen und der amerikanischen Regierung.
Zwar liege die Wahrscheinlichkeit eines solchen Schrittes derzeit unter 50 Prozent, doch seit dem Terrorüberfall der palästinensischen Terrororganisation Hamas am 7. Oktober 2023 sei die Bereitschaft, Warnsignale als bloße Routine abzutun, deutlich gesunken. »Niemand ist bereit, das als reine Übung abzuschreiben«, zitierte die US-Plattform »Axios« einen israelischen Insider.
Wie ein israelischer Insider »Axios« mitteilte, würden israelische Geheimdienste derzeit eine auffällige Intensivierung iranischer Aktivitäten im Bereich ballistischer Raketen registrieren. Entsprechende Warnungen habe Israel bereits vor rund sechs Monaten ausgesprochen. Die US-Geheimdienste sehen nach eigenen Angaben bislang keine belastbaren Hinweise auf einen unmittelbar bevorstehenden Angriff. Gleichwohl kam es am Wochenende in Tel Aviv zu hochrangigen Konsultationen zwischen Generalstabschef Eyal Zamir und dem Befehlshaber des US-Zentralkommandos, Admiral Bradley Cooper.
Zamir verschärfte am Sonntag öffentlich den Ton. Die israelischen Streitkräfte würden Israels Feinde »überall dort angreifen, wo es erforderlich ist – an nahen wie an entfernten Fronten«. Der Konflikt mit dem Iran sei das zentrale Element des komplexesten Krieges in der Geschichte des Landes. Teheran habe über Jahre hinweg ein Netz aus Stellvertretern aufgebaut und finanziert, dessen erklärtes Ziel die Zerstörung Israels sei.
Raketenprogramm im Fokus
Parallel dazu wächst in Jerusalem die Sorge, dass der Iran sein beschädigtes Raketenprogramm schneller und umfassender wieder aufbaut als bislang angenommen. Nach Informationen aus israelischen Sicherheitskreisen, über die auch NBC News berichtet, bereitet sich die israelische Regierung darauf vor, Präsident Donald Trump über mögliche Optionen für neue Angriffe auf iranische Raketenanlagen zu informieren. Ministerpräsident Netanjahu will demnach darlegen, dass die Ausweitung der iranischen Raketenproduktion eine unmittelbare Bedrohung darstellt – nicht nur für Israel, sondern auch für die Region und amerikanische Interessen.
Zwar beobachtet Israel auch Versuche Teherans, von den USA im Juni bombardierte Anlagen zur Urananreicherung wiederherzustellen. In Jerusalem gelten jedoch Raketenfabriken und der Wiederaufbau der iranischen Luftverteidigung derzeit als das dringendere Problem. »Das Nuklearprogramm ist äußerst besorgniserregend, aber nicht unmittelbar. Die Raketen sind es«, zitierte NBC News einen mit den israelischen Einschätzungen vertrauten Gesprächspartner.
Nach internen Schätzungen könnte Iran, sollte der Prozess nicht gestoppt werden, seine Produktion ballistischer Raketen auf bis zu 3000 Stück pro Jahr steigern. Schon beim letzten Schlagabtausch habe Israel nicht alle Geschosse abfangen können. Eine große Zahl von Raketen würde es Teheran zudem erleichtern, sensible Nuklearanlagen künftig besser zu schützen.
Treffen mit Trump geplant
Trump und Netanjahu wollen sich nach Angaben beider Seiten am 29. Dezember in Florida in Mar-a-Lago, dem Anwesen des US-Präsidenten, treffen. Dabei will Netanjahu Trump erneut mehrere militärische Handlungsoptionen präsentieren – ähnlich wie vor den gemeinsamen Angriffen auf das iranische Atomprogramm im Juni. Damals reichten die Szenarien von einem Alleingang Israels über begrenzte US-Unterstützung bis hin zu einer gemeinsamen oder rein amerikanischen Operation. Am Ende entschied sich Trump für ein koordiniertes Vorgehen.
Das Weiße Haus hält unterdessen an der Darstellung fest, dass die amerikanischen Luftschläge im Rahmen der Operation »Midnight Hammer« Irans nukleare Fähigkeiten »vollständig zerstört« hätten. Sollten die Iraner dennoch versuchen, ihr Atom- oder Raketenprogramm wiederzubeleben, werde man erneut reagieren, warnte Trump. »Wenn sie zurückkommen wollen, ohne ein Abkommen, dann werden wir auch das auslöschen«, sagte der Präsident.
Teheran gibt sich kämpferisch
Aus Teheran kommen derweil demonstrativ selbstbewusste Töne. Außenminister Abbas Araghchi erklärte zuletzt, alle im Juni beschädigten strategischen Anlagen seien wiederaufgebaut worden, der Iran sei »vollständig vorbereitet« auf eine neue militärische Konfrontation. Zwar räumte er ein, dass Einrichtungen schwer getroffen worden seien, betonte jedoch: »Technologie kann man nicht bombardieren.«
Zugleich bekräftigte Araghchi den Anspruch seines Landes auf die zivile Nutzung der Kernenergie einschließlich der Urananreicherung und signalisierte Verhandlungsbereitschaft über ein »faires und ausgewogenes Abkommen«. Diktate werde Teheran jedoch nicht akzeptieren. Der Iran bestreitet weiterhin, nach Atomwaffen zu streben – trotz hoher Anreicherungsgrade, eingeschränkter Inspektionen und eines massiv ausgebauten Raketenprogramms.
Im Juni hatte Israel den Krieg mit gezielten Angriffen auf Irans Atom- und Raketeninfrastruktur eröffnet. Nach israelischen Angaben wurden dabei Produktionsstätten zerstört und führende Wissenschaftler getötet. Die USA griffen in den letzten Kriegstagen ein und bombardierten tief unterirdische Anlagen. Der Iran reagierte mit hunderten Raketen- und Drohnenangriffen auf Israel.
Seit Jahren droht die iranische Führung dem jüdischen Staat offen mit Vernichtung. Die Stellvertreter Teherans – Hamas, Hisbollah und seit dem 7. Oktober 2023 auch die Huthi – greifen Israel regelmäßig an. Vor diesem Hintergrund sehen israelische Sicherheitskreise die aktuelle Entwicklung im iranischen Raketenprogramm als die akuteste Gefahr. im