Rund 22 Monate nach Beginn des Krieges in Israel und Gaza hat sich Israels Regierung für eine weitere Verschärfung des Kampfes gegen den Terror in dem Küstenstreifen entschieden. Das israelische Sicherheitskabinett stimmte einem Plan zur Einnahme der Stadt Gaza zu, wie das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am frühen Morgen mitteilte. Das Gremium billigte nach stundenlangen Beratungen einen entsprechenden Militäreinsatz.
Das Sicherheitskabinett beschloss nach Angaben des Büros des Ministerpräsidenten zudem fünf Prinzipien, um den Krieg zu beenden. Dazu gehörten unter anderem die militärische Kontrolle des Küstengebiets durch Israel, die komplette Entwaffnung der Hamas sowie die Entmilitarisierung des Gazastreifens. Anschließend solle dort eine alternative Zivilregierung aufgebaut werden.
Israel kontrolliert gegenwärtig nach Medienberichten rund drei Viertel des weitgehend zerstörten Küstenstreifens, in dem insgesamt etwa zwei Millionen Palästinenser leben. Seit Anfang der Woche war über eine komplette Einnahme des Gazastreifens durch Israel spekuliert worden. Die nun beschlossenen Pläne gehen der offiziellen Mitteilung zufolge vorerst nicht so weit.
Evakuierung bis Oktober
Der TV-Sender N12 berichtete unter Berufung auf einen hochrangigen Beamten, der nun beschlossene Einsatz fokussiere sich ausschließlich auf die Stadt Gaza im Norden des Küstengebiets. Ziel sei die Evakuierung der Bewohner in Flüchtlingslager im zentralen Abschnitt des Gazastreifens. Dies solle bis Anfang Oktober geschehen. Offizielle Details gab es dazu zunächst nicht.
Monatelange indirekte Verhandlungen zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas über eine neue Waffenruhe und die Freilassung weiterer Geiseln waren zuvor ergebnislos geblieben.
»Ich verstehe genau, was die Hamas will. Sie will keinen Deal«, hatte Netanjahu zuletzt in einer Video-Botschaft erklärt. Er sei nun noch entschlossener, die Geiseln zu befreien, die Hamas zu zerschlagen und sicherzustellen, dass vom Gazastreifen nie wieder eine Gefahr für Israel ausgehe.
Teil einer Verhandlungstaktik
Medien spekulierten zuvor, dass die nun konkrete Ankündigung einer Ausweitung der Kämpfe auch Teil einer Verhandlungstaktik sein könnte, um die Hamas in den Verhandlungen um eine Waffenruhe massiv unter Druck zu setzen. Israelische Politiker deuteten eine solche Strategie an. Der N12-Sender berichtete, die Vermittlerstaaten Katar und Ägypten würden bereits Druck auf die Hamas ausüben, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
In einem Interview mit dem US-Sender Fox News kurz vor Beginn der Sitzung des Sicherheitskabinetts sagte Netanjahu, Israel wolle die Kontrolle über den gesamten Gazastreifen übernehmen, das Gebiet aber nicht dauerhaft besetzen. Es solle von der Hamas befreit werden, um es schließlich an andere Kräfte zu übergeben. Dies müssten Kräfte sein, die nicht wie die islamistische Terrororganisation Hamas zur Vernichtung Israels aufriefen.
Netanjahu sagte weiter: »Wir wollen ihn (den Gazastreifen) nicht behalten. Wir wollen eine Sicherheitsgrenze haben. Wir wollen ihn nicht regieren.« Konkret sagte Netanjahu, den Gazastreifen an »arabische Kräfte« übergeben zu wollen.
Sorge um Geiseln
Nach israelischer Einschätzung befinden sich derzeit noch 50 Geiseln in der Gewalt der Hamas, von denen etwa 20 noch am Leben sein sollen. Medienberichten zufolge hatte die Armeeführung Bedenken gegen den ursprünglichen Plan zur Komplett-Eroberung des Gazastreifens geäußert.
Immer wieder wurde gewarnt, ein solcher Vorstoß könnte die Geiseln gefährden. Andererseits sind sie bereits gefährdet. Die Hamas hungert sie aus, foltert sie und hat bereits viele Verschleppte ermordet. Angehörige der Entführten hatten sich gegen militärische Befreiungsversuche ausgesprochen und auf eine Einigung zur Beendigung des Kriegs gedrängt. dpa/ja