Interview

»Ich bin eher der Baba-Ganoush-Typ«

Constantin Schreiber Foto: picture alliance / ZB

Herr Schreiber, nach acht Jahren »Tagesschau« gehen Sie ab September für den Axel-Springer-Verlag nach Tel Aviv. Warum Israel?
Der gesamte Nahe Osten, wo ich immer wieder gelebt habe, ist über all die Jahre ein Teil von mir geworden. Es gehört zu der Entscheidung, bei der »Tagesschau« aufzuhören, dass ich gern wieder dort arbeiten möchte.

Wobei Israel ja eine Sonderstellung hat ...
Ja, meine Arbeitsstandorte waren bisher in arabischen Ländern. Es ist eine eigene Welt zwischen dem Westen und der arabischen Welt.

Sie haben gesagt, der Entschluss, etwas anderes zu machen, sei auch nach dem 7. Oktober 2023 gefallen. Warum genau?
Weil es eine journalistische Herausforderung ist, abzubilden, was in diesem Land passiert. Und wegen der Auswirkungen, die es auf uns hat, die politischen und gesellschaftlichen Trennlinien, die hier plötzlich deutlich werden, und die Tatsache, dass das traditionelle Verständnis der Beziehungen zwischen Deutschland und Israel offenbar neu verhandelt wird. Oder: dass manche möchten, dass man es neu verhandelt.

Haben Sie gezögert, bevor Sie den Job angenommen haben?
Man muss sich schon überlegen, ob man die »Tagesschau« aufgibt, weil sie in der klassischen Fernsehwelt etwas Herausragendes ist. Aber sagen wir mal so: Das Angebot fiel auf fruchtbaren Boden.

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Wie bereiten Sie sich auf Israel vor?
Es bedarf viel Organisation, um dort als Journalist arbeiten zu dürfen. Das ist nicht über Nacht getan. Und natürlich mache ich mir gerade intensiv Gedanken darüber, wie ich es schaffe, Inhalte in ihrer Komplexität zu vermitteln. Es geht vor allem darum, das größere Bild zu zeichnen und nicht tagesaktuell jeden Raketenalarm zu vermelden. Ich glaube, es gibt global keinen schwierigeren Konflikt, wenn man mit dem Anspruch antritt, nicht nur eine Sicht in die Welt zu tragen.

Vor allem nicht in dieser aufgeheizten Zeit ...
Ja, aber ich habe in vielen Punkten eine ganz klare Linie. Es ist unbestritten, dass der Auslöser des jüngsten Konflikts der Hamas-Überfall am 7. Oktober 2023 war. Da gibt es nichts zu diskutieren. Auch nicht darüber, dass der Krieg sich so lange hinzieht, weil die israelischen Geiseln nach wie vor in Gaza gefangen gehalten werden. Ich verstehe nicht, wie man das anders sehen kann. Andererseits gehört es zum journalistischen Beitrag, abzubilden, dass die arabische Welt eine völlig andere Sicht auf Israel und die Historie und die Genese dieses Landes hat. Das ist vielen im Westen nicht klar. Und es bringt nichts, das nur abzuurteilen. Man muss es erst einmal darstellen, um dann zu überlegen, wie man damit umgeht.

Sie sind für Ihre Bücher zum Thema Islam heftig kritisiert worden. Jetzt gehen Sie in das Land, was gerade weltweit verteufelt wird. Ziehen Auseinandersetzungen Sie an?
Hm, brauche ich das? Ich bin als Jugendlicher durch Zufall zum ersten Mal in Syrien gelandet. Es hat sich so entwickelt. Aber natürlich entspricht es auch einem gewissen intrinsischen Interesse. Sonst tut man sich diese Auseinandersetzungen nicht an.

Sie sind wegen Ihrer Bücher nicht nur verbal, sondern auch mit einer Torte auf einer Lesebühne angegriffen worden. Bekommt man danach eine Schere im Kopf?
Mir ist erst nachträglich klar geworden, dass dieser Angriff auch schlimmer hätte sein können, aber er hat mich nicht nachhaltig beschäftigt. Eher die Reaktionen darauf. Dass Kollegen gesagt haben: «Das hast du auch verdient.« Das hat bei mir dazu geführt, dass ich gedacht habe: So nicht!

Ihr Vater ist Professor. Von ihm stammt das Motto »Nicht jammern, sondern anpacken«. Hat Sie das geprägt?
Das hat mich sicherlich geprägt, und ich sehe das tatsächlich als Vorbild.

Haben Sie selbst auch ein Motto?
Nach Regen kommt auch wieder Sonnenschein.

Werden Sie den auch in Israel suchen?
Auf jeden Fall. Ich will nicht nur Krisenberichterstattung machen. Gerade in so einer Region, die spirituell so viel zu bieten hat, habe ich fest vor, auch andere Ebenen zu zeigen.

Sie haben auch in Beirut gelebt, deshalb die wichtigste Frage zum Schluss: libanesischer Hummus oder israelischer?
Ich bin eher der Baba-Ganoush-Typ.

Mit dem Journalisten sprach Sophie Albers Ben Chamo.

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