Hightech

Hacker auf Abwegen

Manche Hacker scheuen das Tageslicht. Foto: Getty Images/iStockphoto

In den vergangenen Monaten ist Zypern immer wieder in den israelischen Schlagzeilen. Dabei geht es allerdings weniger um den Inselstaat selbst als vielmehr um die Israelis, die sich dort niederlassen. Einige von ihnen sind aus steuerlichen Gründen dort, andere wegen der vermeintlich laxeren Regulationen im Bereich Cybersicherheit.

Nach Berichten in israelischen und internationalen Medien sollen sich dort einige ehemalige Offiziere der israelischen Armee von dubiosen Firmen haben anheuern lassen. Eines der Unternehmen soll »DarkMatter« sein, eine Cybersicherheitsfirma, die 2015 in Abu Dhabi gegründet wurde. Sie unterhält ein Büro in Zypern, in dem israelische Software-Entwickler angestellt seien. »Dabei handelt es sich de facto um das Schmuggeln von geistigem Eigentum Israels, ohne dass es eine Kontrolle der Behörden gibt«, heißt es in dem Bericht der Tageszeitung »Haaretz«.

Es gebe zunehmende Beweise, dass Absolventen von technischen Einheiten der IDF für außergewöhnlich hohe Gehälter angeworben worden seien. Das Militär zeige sich zunehmend besorgt. Einen Kommentar der Armee zu diesem Thema gibt es allerdings nicht. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte enthüllt, dass DarkMatter Hacking-Dienste an den Geheimdienst der Vereinigten Arabischen Emirate liefert, um westliche Ziele ins Visier zu nehmen, darunter Journalisten und Menschenrechtsaktivisten.

Es gebe zunehmende Beweise, dass Absolventen von technischen Einheiten der IDF für außergewöhnlich hohe Gehälter angeworben worden seien.

SPIONAGE Angestellte im Bereich Cyberhacking sollen Schwachstellen bei Software und in Netzwerken finden, die dann für die Spionage ausgenutzt werden können. Oft erhalten Spezialisten mit diesen Kenntnissen die höchste Bezahlung der Branche. Angeblich zahle DarkMatter einigen Angestellten bis zu einer Million Dollar im Jahr.

Im Frühjahr 2019 hatte die »New York Times« berichtet, dass von der israelischen Cyberfirma NSO mehrere Spezialisten abgeworben wurden, allesamt ehemalige Offiziere der berühmten Tech-Eliteeinheit 8200. Ein Privatdetektiv, den NSO anheuerte, fand heraus, dass sie allesamt nach Zypern gezogen waren und für eine Forschungseinrichtung arbeiteten, die zu DarkMatter gehört. Dem Bericht zufolge hat DarkMatter eine weitere Zweigstelle in Singapur, die dort sogar von Israelis geleitet wird.

Ob die entsprechenden Ex-Offiziere eine Genehmigung dafür haben, ist völlig unklar. Das Verteidigungsministerium jedoch macht klar, dass sie eine benötigten. Denn: »Israelische Bürger, die darum bitten, überwachtes geistiges Eigentum des Sicherheitsbereichs an eine ausländische Einheit zu übertragen – egal, ob es für ihre eigene Firma oder eine fremde ist –, brauchen dafür eine Exportlizenz.«

Dieses Gesetz tatsächlich anzuwenden, hält Ron Shamir vom Federmann Cyber Security Research Center an der Hebräischen Universität Jerusalem für so gut wie unmöglich. »Wenn jemand sich entscheidet, das Land zu verlassen und im Ausland zu arbeiten, ist er weg. Da kann man kaum etwas unternehmen.«

»DarkMatter« soll für den Geheimdienst der Vereinigten Arabischen Emirate arbeiten.

Die oben genannte israelische Firma NSO für hoch entwickelte Hacker-Werkzeuge ist selbst umstritten und muss sich vor der amerikanischen Justiz verantworten. Facebook zerrt das Unternehmen, das in Herzlija sitzt, vor Gericht, weil es für das Ausspionieren von WhatsApp-Nutzern mit seiner »Pegasus-Spyware« verantwortlich sein soll. Die verschlüsselte Textnachrichten-App WhatsApp gehört zu Facebook und war im April und Mai 2019 unter Beschuss von Spyware gekommen.

»Mindestens 100 Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und andere Mitglieder der Zivilgesellschaft in der ganzen Welt waren im Visier«, schrieb die »Washington Post« seinerzeit. Außerdem seien Diplomaten, politische Oppositionelle sowie Regierungsmitarbeiter und Militärangehörige in 20 Ländern bespitzelt worden. NSO bestreitet die Vorwürfe und betont, seine Hacking-Instrumente ausschließlich an Regierungen zu verkaufen, »denn der einzige Zweck von NSO ist, Technologie an lizensierte Geheimdienst- oder Strafverfolgungsbehörden zu übergeben, damit Terrorismus und schwere Kriminalität bekämpft werden können«.

NSO steht zudem unter dem Verdacht, dass deren Werkzeuge für das Ausspionieren des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi und anderen benutzt wurden. Khashoggi wurde 2018 in Istanbul von saudischen Agenten brutal ermordet. Die israelische Firma BlackCube machte negative Schlagzeilen, weil sie angeblich Frauen ausspionierte, die gegen den Hollywood-Mogul Harvey Weinstein aussagten, der gegen Dutzende Frauen sexuell übergriffig geworden sein soll.

REGIERUNG Die israelische Regierung machte ebenfalls klar, nichts mit dem Hacker-Vorfall zu tun zu haben. Sicherheitsminister Zeev Elkin sagte: »Ich habe keine Möglichkeit festzustellen, ob jemand tatsächlich etwas Verbotenes getan hat. Wenn es allerdings so ist, dann gibt es dafür die Gerichtsbarkeit.«

So ähnlich sieht es Shamir. »Die Cyberindustrie hierzulande ist riesig, ihr Beitrag zu Israels Sicherheit und Bruttosozialprodukt ist gewaltig. Außerdem sind einige Bereiche in dieser Branche nicht schwarz oder weiß, sondern eher ein schwammiges Grau, also etwas unklar. Dass es da Leute gibt, die das für sich persönlich ausnutzen, ist zu erwarten.«

Wie viele ehemalige IDF-Angehörige von Tech-Einheiten tatsächlich für umstrittene Firmen hacken, darüber wird nur gemutmaßt.

Wie in jeder Gesellschaft gebe es nun einmal Mitglieder, die sich nicht an die gemeinschaftlichen Werte gebunden fühlen. Allerdings ist Shamir sicher, dass sich die Zahl jener, die auf Cyber-Abwegen wandeln, doch sehr in Grenzen hält. Wie viele ehemalige IDF-Angehörige von Tech-Einheiten tatsächlich für umstrittene Firmen hacken, darüber wird nur gemutmaßt. Die Zahlen schwanken zwischen einem Dutzend bis zu einigen Hundert.

Shamir selbst, der seine Karriere bei der israelischen Sicherheitsbehörde und nicht in der Armee startete, weiß von sich und engen Freunden und Kollegen, »dass wir immer auf unseren guten Namen achten – egal, wo wir arbeiten werden«. Er ist sicher, dass die große Mehrzahl der Menschen in diesem Bereich es genauso sieht. Sie hätten die korrekten moralischen Wertvorstellungen und würden nicht davon abweichen.

skandale Das sei auch gar nicht nötig, denn die Cyberspezialisten in Israel bekämen ohnehin »fantastische Gehälter«. »Die meisten der jungen Leute, die aus diesen Armee-Einheiten entlassen werden, finden sofort sehr gut bezahlte Arbeitsstellen.« Dass Skandale um Firmen wie NSO oder Black Cube dem Image Israels in gewisser Weise schaden können, räumt er ein, meint jedoch, dass das überschaubar sei.

Denn: »Israel ist in der ganzen Welt bekannt als Nation der Cyber-Verteidigung, und die meisten, die in dem Bereich arbeiten, sind eindeutig die Guten, die gegen die Bösen kämpfen.«

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