Brüssel

EU-Kommission will Israel von Förderprogramm ausschließen

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Foto: Michael Thaidigsmann

Erstmals könnte die Europäische Union nun Sanktionen gegen Israel beschließen: Die Europäische Kommission hat am Abend vorgeschlagen, die Beteiligung israelischer Start-ups an einem EU-Förderprogramm wegen des Gaza-Kriegs vorerst zu beenden.

Man schlage den 27 Mitgliedsstaaten der Union vor, Israels Teilnahme am »EIC Accelerator« auszusetzen. Dieser ist Teil des milliardenschweren Forschungs- und Wissenschaftsprogramms »Horizon Europe«. Der Europäische Innovationsrat fördert mit diesem Instrument vor allem Start-ups.

Israelische Unternehmen bekamen allein im vergangenen Jahr mehr als 100 Millionen Euro aus diesem Fördertopf ausbezahlt. Sie standen damit hinter Deutschland und Frankreich auf dem dritten Platz der Empfänger.

Die Suspendierung würde vor allem kleinere Unternehmen aus Israel treffen, die im Bereich Cybersicherheit, Drohnen oder künstliche Intelligenz forschen und ihre Erkenntnisse mit europäischen Partnern teilen. 

Warnruf israelischer Wissenschaftler

Erst im Mai hatte die Israelische Akademie der Wissenschaften vor den negativen Folgen einer Aussetzung der israelischen Beteiligung bei »Horizon Europe« gewarnt. Dies stelle »eine konkrete Bedrohung für die israelische Wissenschaft und die Zukunft der wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Israel und den EU-Mitgliedstaaten dar« und könnte ihr »den Todesstoß versetzen«, erklärte die Akademie in einer Stellungnahme.

Israels Suspendierung vom »Horizon Europe«-Programm war eine von insgesamt zehn möglichen Sanktionsmaßnahmen, die Brüssel zuletzt für den EU-Ministerrat ausgearbeitet hatte. Im Mai hatten die Außenminister der 27 EU-Mitgliedsstaaten mehrheitlich eine Überprüfung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel angeregt. Insbesondere sollte geklärt werden, ob Israel sich an den im Artikel 2 des Abkommens vereinbarten Schutz der Menschenrechte hält. Ein Papier des Europäischen Auswärtigen Dienstes kam zu dem Schluss, dass dem nicht so sei.

Israels EU-Botschafter Haim Regev und die EU-Kommissarin Mariya Gabriel bei der Unterzeichnung des israelischen Beitritts zum Horizon Europe-Programm der EUFoto: © EU/Christophe Licoppe

»Die Einhaltung dieser Verpflichtungen ist ein wesentlicher Bestandteil der Zusammenarbeit zwischen der EU und Israel im Rahmen des Abkommens, einschließlich der bilateralen wissenschaftlichen und technologischen Zusammenarbeit zwischen den beiden Parteien«, erklärte die EU-Kommission am Montag. Zuvor hatte das Kollegium der Kommissare sich per Videoschalte getroffen, um die Frage der Sanktionierung Israels zu besprechen.

Zwar habe Israel eine humanitäre Pause im Hinblick auf die Kämpfe im Gazastreifen angekündigt und einige seiner Verpflichtungen im Rahmen der gemeinsamen Vereinbarung über humanitäre Hilfe und Zugang erfüllt. Doch die Lage sei weiterhin sehr ernst, erklärte die Kommission. Sie betonte, dass die teilweise Aussetzung von Israels Beteiligung am Horizon-Programm »reversibel« sei, ohne allerdings genaue Kriterien hierfür zu nennen.

Israelische Universitäten und Forscher dürften sich auch weiter an Kooperationsprojekten und Forschungsaktivitäten im Rahmen von »Horizon Europe« beteiligen, betonte die EU-Behörde in ihrer Pressemitteilung.

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Zwar trat das Assoziierungsabkommen, das den rechtlichen Rahmen zwischen der EU und Israel vorgibt, bereits im Jahr 2000 in Kraft. Allerdings ist Israel erst Ende 2021 dem »Horizon Europe«-Programm beigetreten. Der jüdische Staat muss dafür auch einen finanziellen Beitrag leisten. Zahlen der Kommission zufolge hat Israel seit 2021 rund 1,7 Millionen Euro in den Fördertopf eingezahlt. Das Gesamtbudget von »Horizon Europe« für die siebenjährige Laufzeit von 2021 bis 2027 beträgt fast 100 Milliarden Euro.

Die EU-Regierungen müssen mit qualifizierter Mehrheit der Empfehlung der Kommission zustimmen. Das bedeutet, dass mindestens 15 der 27 Mitgliedsstaaten sich der Kommission anschließen müssen und diese Länder mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren müssen. Im Moment erscheint es wahrscheinlich, dass die Maßnahme die notwendige Mehrheit bekommen wird.

Deutschlands Position noch unklar

Ob die Bundesregierung mitmachen wird, ist noch unklar. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte am Montagnachmittag in Berlin auf eine Frage eines Reporters, ob Deutschland einer teilweisen Aussetzung des Assoziierungsabkommens mit Israel zustimmen würde, man behalte sich das Recht vor, diesen Schritt zu gehen. Allerdings hatten vor kurzem nicht nur Merz, sondern auch Bundesaußenminister Johann Wadephul die Aussetzung des Abkommens mit Israel abgelehnt. Auch Länder wie Österreich, Tschechien und Ungarn sind grundsätzlich gegen eine Sanktionierung Israels.

Die deutsche Europaabgeordnete Hildegard Bentele, Vorsitzende der Parlamentarierdelegation für die Beziehungen mit Israel, nannte den Schritt der Kommission das »falsche Signal zum falschen Zeitpunkt«. Israel helfe verstärkt bei der Bewältigung der humanitären Situation, das hätten intensive Gespräche bewirkt, sagte Bentele dieser Zeitung. »Wir brauchen jetzt eine Verlängerung der humanitären Pause, stabile Korridore und ein Aussetzen der Militärschläge und nicht die Bestrafung von Wissenschaftlern und Start-up-Unternehmern. Außerdem schneiden wir uns mit der Aufkündigung europäisch-israelischer Hightech-Kooperationen im Bereich Drohnen, Cybersicherheit und Künstliche Intelligenz ins eigene Fleisch.« Sie sei gespannt, ob die Bundesregierung die Ansicht der EU-Kommission teile, so die CDU-Politikerin.

Aus Jerusalem kam ebenfalls eine negative Reaktion. Das Außenministerium bezeichnete die Sanktionsempfehlung der Kommission als »fehlerhaft, bedauerlich und ungerechtfertigt«. In einer Zeit, in der Israel gegen den dschihadistischen Terrorismus der Hamas kämpfe, diene eine solche Entscheidung nur dazu, die Hamas zu stärken, kritisierte es. Israel werde daran arbeiten, sicherzustellen, dass die Empfehlung vom EU-Ministerrat nicht angenommen werde.

Der niederländische Ministerpräsident Dick Schoof sagte dagegen in Den Haag, seine Regierung werde dem Vorschlag zustimmen, sofern Israel sich nicht an die »getroffenen Vereinbarungen« über humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza halten sollte. (mit dpa)

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