Analyse

Doppeltes Spiel

Doha, die Hauptstadt Katars am Persischen Golf: Hier nutzt die Hamas offiziell Büros. Foto: picture alliance/dpa

Analyse

Doppeltes Spiel

Warum Katar in den Verhandlungen um die Freilassung der Geiseln vermittelt und gleichzeitig Geld für »zivile Zwecke« im Gazastreifen fließen lässt

von Sabine Brandes  23.11.2023 09:20 Uhr

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Für die Angehörigen der Geiseln in Gaza sind es Nachrichten, auf die sie seit mehr als 50 endlosen Tagen und Nächten warten. Darunter die verzweifelten Eltern der Mädchen und Jungen, die ohne ihre Mütter und Väter von der Hamas festgehalten werden – vermutlich in Tunneln unter der Erde. Obwohl die von der Regierung in Jerusalem bestätigte Vereinbarung zur Befreiung von Geiseln nicht alle Gekidnappten umfasst, wird sie von vielen als »richtiger Deal« angesehen.

Einer der Hauptakteure bei dem Zustandekommen der Übereinkunft ist der kleine Golfstaat Katar. Dabei ist der nicht einmal so groß wie Schleswig-Holstein. Doch Katar ist in einer einzigartigen Verhandlungsposition. Derzeit fungiert er als Mittler zwischen der Terrororganisation Hamas, die den Gazastreifen regiert, sowie den USA und Israel.

Die Verhandlungen über eine Einigung hätten in den vergangenen Wochen »von Zeit zu Zeit Höhen und Tiefen erlebt«, sagte der katarische Premierminister Scheich Mohammed Bin Abdulrahman al-Thani vor einigen Tagen. Doch bereits zu diesem Zeitpunkt war er »zuversichtlicher, dass wir nah an einer Einigung sind, die die Menschen sicher in ihre Heimat zurückbringen kann«. Die Herausforderungen seien lediglich noch praktischer und logistischer Natur gewesen.

Hamas als »ausländische Terrororganisation«

Da die USA seit Langem die Position vertreten, dass sie nicht mit Terroristen verhandeln und die Hamas seit 1997 als »ausländische Terrororganisation« eingestuft ist, können die USA nicht direkt kommunizieren. Und da kommt Katar ins Spiel. Das Land im Nordosten der Arabischen Halbinsel unterhält gute Beziehungen zu den USA und anderen westlichen Ländern, doch ebenso eine enge Verbindung zu den Anführern der Hamas.

Nach dem blutigen Hamas-Angriff vom 7. Oktober gegen südliche Gemeinden Israels und der darauffolgenden israelischen Bombardierung des Gazastreifens veröffentlichte Katar eine Erklärung, in der es hieß, Israel sei »allein verantwortlich für die Eskalation aufgrund seiner anhaltenden Verletzungen der Rechte des palästinensischen Volkes«. Laut Quellen aus Washington habe Katar jedoch erklärt, dass es seine Beziehungen zur Hamas nach der Rückgabe der Geiseln »überdenken« wolle.

Im September 2020 schlossen die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain Frieden mit Israel.

Asher Fredman ist der Meinung, dass dies dringend nötig sei. Der Direktor für Israel am Abraham Accords Peace Institute ist Experte für arabische Staaten. Im September 2020 schlossen die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain Frieden mit Israel. Der Sudan und Marokko schlossen sich später ebenfalls den Abraham-Abkommen an. Fredman weiß, dass Katar mit seiner Außenpolitik einen »Rundumschlag« betreibt.

Die Katarer würden sowohl mit westlichen Staaten als auch mit Terrororganisationen sprechen, sagt Fredman. Einerseits beherbergen sie hochrangige Hamas-Funktionäre und stellen ihnen Büros zur Verfügung, darunter Ismail Haiyeh und Khaled Meshaal. Andererseits kommunizieren sie mit dem Iran und sind gleichfalls Standort des größten Luftwaffenstützpunktes der Vereinigten Staaten. »Sie decken wirklich sämtliche Bereiche ab.«

Der Golfstaat habe nun zwei Ziele bei seiner Mitwirkung an der Geiselbefreiung, erläutert Fredman: »Erstens will das Land, dass die Hamas im Gazastreifen an der Macht bleibt, und zweitens – was im Widerspruch dazu steht – will Doha die Beziehungen zu den USA, zu europäischen und anderen arabischen und muslimischen Staaten stärken, indem es als ›positiver Player‹ in der Krise agiert.«

Koffer voller Millionen für die Hamas

Von der israelischen Regierung wird der gute Wille der Katarer mit Argwohn betrachtet. Denn sie waren es, über die jahrelang offenbar Koffer voller Millionen in die Hände der Hamas gelangten. »Allerdings muss auch gesagt werden, dass dies mit der Akzeptanz oder sogar Befürwortung Jerusalems geschah«, so Fredman. »Sie dachten, es würde ihnen Ruhe und Stabilität im Gazastreifen bescheren.«

Eine Einschätzung, die »sich am 7. Oktober als tragischer Fehler erwies«, so der Experte. Wie man mit Katar umgehen solle, werde in Israels Regierungs- und Sicherheitskreisen widersprüchlich gesehen. Einige meinen, das Land müsse behandelt werden wie ein Terrorunterstützer, andere jedoch sind der Auffassung, man habe keine andere Wahl, als die Katarer als Verhandler zu akzeptieren.

Der Golfstaat unterhält gute Beziehungen zu den USA – und beherbergt Hamas-Anführer.

Rund fünf Milliarden Dollar sollen es gewesen sein, die im vergangenen Jahrzehnt aus Katar nach Gaza flossen. Fredman meint, man wisse ganz genau, dass ein Großteil davon in den Händen der Hamas und sogar des militärischen Flügels landete. Wobei Katar mitnichten der einzige Sponsor der Hamas sei, »auch andere Länder zahlen fleißig, darunter die Türkei, der Iran und Algerien«.

Doha beteuert übrigens, die Gelder für den Gazastreifen seien »ausschließlich für zivile Zwecke gedacht« und würden von Israel und den Vereinten Nationen überwacht. »Denn Katar ist sehr auf sein Image bedacht.«

Katar als »enger Nicht-Nato-Verbündeter«

Seitdem US-Präsident Joe Biden 2022 erklärte, dass Katar als »enger Nicht-Nato-Verbündeter betrachtet wird«, hat sich der Handel mit dem Golfstaat fast verdoppelt. Besonders als weltweit größter Exporteur von Flüssigerdgas, der jetzt Käufer aus der Europäischen Union beliefert, um den Versorgungsausfall aus Russland auszugleichen.

Fredman meint, es sei an der Zeit, Druck auf Katar auszuüben. Vor allem die USA hätten viele Möglichkeiten dazu. »Da das Land so sehr auf seine Außenwirkung bedacht sei, könnte Amerika Katar beispielsweise drohen, es von einem anerkannten Partner der westlichen Welt zu einem Terrorunterstützer umzubenennen. Außerdem könnten die US-Militärstützpunkte in die Vereinigten Arabischen Emirate oder nach Saudi-Arabien verlegt werden.«

Denn Katar müsse sich jetzt wirklich entscheiden: »Entweder seid ihr Teil der westlichen Welt oder Hauptsponsor einer Terrororganisation, die ›barbarischer ist als der Islamische Staat‹, um es mit den Worten des US-Präsidenten zu beschreiben.«

Und die Vermittlung zur Freilassung der Geiseln aus der Gefangenschaft in Gaza, meint er, sei »der erste Schritt in die richtige Richtung«.

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