Givat Haviva

Die Brückenbauer

Beim Empfang in der israelischen Botschaft Foto: Uwe Steinert

Die Rede war im Protokoll eigentlich gar nicht vorgesehen. Doch Ehrengast Frank-Walter Steinmeier ließ es sich nicht nehmen, spontan ein paar persönliche Worte über Givat Haviva zu sagen – so sehr hatte ihn sein Besuch in dem Bildungscampus zwischen Haifa und Tel Aviv 2017 beeindruckt.

Das jüdisch-arabische Verständigungsprojekt – 1949 ursprünglich als Weiterbildungsinstitut der Kibbuzbewegung gegründet – feiert in diesem Jahr 70-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass hatte der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff am Montagabend zu einem Empfang in seine Residenz nach Berlin-Wilmersdorf eingeladen. Neben dem Bundespräsidenten und seiner Frau waren zahlreiche Gäste aus Politik und Öffentlichkeit seiner Einladung gefolgt.

Von seinen vielen Besuchen in Israel, sagte Steinmeier, sei ihm und seiner Frau der in Givat Haviva ganz besonders in Erinnerung geblieben. Am meisten hätten ihn das unermüdliche Engagement und die wunderbare Arbeit der Mitarbeiter seit 70 Jahren beeindruckt – »im Großen wie im Kleinen«. Sie zeige, dass das Zusammenleben von Juden und Arabern in einem Land möglich sei, sagte Steinmeier. »Es ist Givat Havivas Verdienst, die tiefen Gräben, die es gibt, immer wieder mit Brücken zu versehen und darauf zu achten, dass nicht weitere Brückenpfeiler Risse bekommen«, sagte Steinmeier.

PROGRAMM Besonders nachdrücklich spiegele sich dieses Bestreben in dem Programm »Kinder lehren Kinder« wider. Es sei auch deshalb so erfolgreich, weil es Jugendliche zu einem Zeitpunkt in ihrem Leben erreiche, an dem »Vorurteile sich noch gar nicht entwickeln konnten«.

Diesen Faden nahmen Mohammad Darawshe, Programmdirektor von Givat Haviva, und Yaniv Sagee, Generaldirektor des Bildungscampus, auf. Steinmeiers Besuch 2017 wie auch der vorangegangene Besuch des israelischen Staatspräsidenten Reuven Rivlin 2015 seien »Meilensteine« für das jüdisch-arabische Verständigungsprojekt gewesen. Deutschland zählt mittlerweile zu Givat Havivas stärksten Förderern.

»Es ist Givat Havivas Verdienst, die tiefen Gräben, die es gibt, immer wieder mit Brücken zu versehen«.  Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

Der Campus wird inzwischen auch vom israelischen Erziehungsministerium unterstützt. So hätten die Besuche von Rivlin und Steinmeier das Projekt aufgewertet und dazu beigetragen, seine Bedeutung von »Aktivisten-Engagement« in die »Mitte der Gesellschaft« zu verpflanzen.

»Sie werden in Givat Haviva niemanden finden, der ein T-Shirt mit dem Aufdruck ›Frieden‹ trägt«, sagte Darawshe. »Hier wird Frieden gelebt – jeden Tag.« Denn die Kinder und Jugendlichen – insgesamt haben bislang mehr als 60.000 von ihnen die Givat-Haviva-Programme durchlaufen – bekommen hier das Handwerkszeug dafür, Rassismus zu bekämpfen und Vorurteile abzubauen, indem sie gemeinsame Interessen und Narrative entdecken und »den anderen als Menschen sehen«.

LEITMOTIV Auch Yaniv Sagee, Sohn eines Schoa-Überlebenden, dankte Steinmeier für die Unterstützung aus Deutschland. »Wenn Versöhnung zwischen Deutschland und Israel möglich ist, dann auch zwischen Juden und Arabern«, ist Sagee überzeugt. Zwei Sätze seines Vaters seien für ihn Leitmotiv seiner Arbeit: »Wir müssen die Tragödie der Vergangenheit in Hoffnung für die Zukunft umwandeln.« Und: »Solange es keine Gerechtigkeit für alle gibt, ist unsere Zukunft nicht sicher.«

In dieser Hinsicht sei Givat Haviva »die bedeutendste Einrichtung zur Förderung der Verständigung zwischen Juden und Arabern«, betonte der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff. Er erinnerte daran, dass die israelische Bevölkerung bei Givat Havivas Gründung 1949 knapp die Millionengrenze überschritt.

»Heute ist Israel ein multiethnisches Land mit neun Millionen Einwohnern, in dem die Aufrechterhaltung und ständige Wiederherstellung eines offenen Dialogs zwischen Juden und Arabern für die kommenden Generationen wichtiger denn je ist«, betonte Issacharoff. Er wolle »allen Vertretern von Givat Haviva auf der ganzen Welt danken und sie ermutigen, ihre großartige Arbeit fortzusetzen und auszubauen«.

Nachruf

Trauer um Hollywood-Legende Arthur Cohn

Arthur Cohn war immer auf der Suche nach künstlerischer Perfektion. Der Schweizer Filmproduzent gehörte zu den erfolgreichsten der Welt, wie seine Oscar-Ausbeute zeigt

 12.12.2025

Jerusalem

Netanjahu plant Reise nach Kairo für milliardenschweren Gasdeal

Der Besuch bei Präsident Abdel-Fattah al-Sissi wäre historisch. Aus dem Umfeld des Premierministers kommt aber zunächst ein Dementi

 12.12.2025

Chanukka

Alles leuchtet!

Nach besonders schwierigen Jahren lässt die Stadtverwaltung Tel Aviv in vollem Glanz erstrahlen und beschert ihren Einwohnern Momente des Glücks

von Sabine Brandes  12.12.2025

Vermisst

Letzte Reise

Die am 7. Oktober von der Hamas nach Gaza verschleppte Leiche von Sudthisak Rinthalak wurde an Israel übergeben und nach Thailand überführt

von Sabine Brandes  12.12.2025

Gaza

Neue Aufnahmen: Geiseln feierten vor ihrer Ermordung Chanukka

Carmel Gat, Eden Yerushalmi, Hersh Goldberg-Polin, Ori Danino, Alexander Lobanov und Almog Sarusi begangen sie im Terrortunnel das Lichterfest. Einige Monate später werden sie von palästinensischen Terrroristen ermordet

 12.12.2025

London

Nach 26 Monaten: Amnesty wirft der Hamas Verstöße gegen das Völkerrecht vor

Die Organisation brauchte viel Zeit, um bekannte Tatsachen zu dokumentieren. Bisher hatte sich AI darauf konzentriert, Vorwürfe gegen Israel zu erheben

von Imanuel Marcus  12.12.2025

Nahost

USA verlangen von Israel Räumung der Trümmer in Gaza

Jerusalem wird bereits gedrängt, im Süden der Küstenenklave konkrete Maßnahmen einzuleiten

 12.12.2025

Meinung

Nemo unverbesserlich

Nemo gibt mit Rückgabe der ESC-Siegertrophäe auch Haltung ab. Statt Rückgrat zu zeigen, schwimmt das Schweizer Gesangswunder von 2024 im postkolonialen Strom mit

von Nicole Dreyfus  12.12.2025

Andrea Kiewel

Ein Weltwunder namens Regen

Jedes Jahr im Dezember versetzt der Regen die Menschen in Israel in Panik - dabei ist er so vorhersehbar wie Chanukka

von Andrea Kiewel  11.12.2025 Aktualisiert