Es ist Samstagabend, und im Festsaal des Frankfurter Leonardo Hotels geht es drunter und drüber. Israelische Popmusik dröhnt aus den Lautsprechern, bunte Scheinwerfer versprühen Klubatmosphäre. Wer keinen Platz mehr auf der übervollen Tanzfläche findet, tanzt ganz einfach auf den Stühlen. Hört man genau auf die immer wieder aufbrandenden Sprechchöre – »Amichai, Amichai« oder »We Zair, We Zair« –, wird klar: Hier bringen sich die jüdischen Jugendzentren und Landesverbände aus ganz Deutschland in Stimmung für das anstehende Jewish Quiz.
Das Quiz steht im Zentrum eines ganzen Wochenendes, das am Freitag mit einer gemeinsamen Schabbatfeier beginnt, von einer ganzen Reihe an Workshops und Ausflügen begleitet wird und sich an Jugendliche im Alter von 13 bis 18 Jahren wendet. »Vor neun Jahren haben wir die Quiz-Show in Frankfurt konzipiert«, erzählt Zvi Bebera, der Leiter des Frankfurter Jugendzentrums »Amichai«. »Bis zur Corona-Pandemie 2020 haben wir das Quiz dreimal in Frankfurt ausgerichtet. Im ersten Jahr kamen 200 Jugendliche aus ganz Deutschland, im zweiten Jahr waren es bereits 300 und im dritten schon 350. Wegen Corona hatten wir dann eine Auszeit von drei Jahren und haben im vergangenen Jahr glücklicherweise wieder genau da anfangen können, wo wir 2019 aufgehört hatten.«
Kopf-an-Kopf-Rennen in den ersten Runden
Im Saal hat mittlerweile Moderator Stav Oppenheimer die Bühne betreten. Langsam kehrt Ruhe ein. Die Tanzfläche hat sich in eine Quiz-Arena verwandelt. Die Stimmung ist nicht weniger euphorisch als zuvor, doch konzentrierter. Oppenheimer erklärt die Regeln: Zwölf Teams mit wechselnden Spielern treten in zehn Kategorien – beispielsweise Allgemeinwissen, Judentum oder Geografie – gegeneinander an. Die erste Frage jeder Kategorie gibt 100, die zweite 200, die letzte und schwerste schließlich 800 Punkte.
Oppenheimer liest die Fragen vollständig vor. Wer danach zuerst auf den an jedem Pult angebrachten Buzzer drückt, hat fünf Sekunden Zeit zu antworten. Läuft die Zeit ab oder wird die Frage falsch beantwortet, gibt es Punktabzug, und ein anderes Team bekommt die Gelegenheit zu antworten. Hinter manchen Fragen verbergen sich spielerische Bonusrunden, bei denen es um Geschicklichkeit, Kraft und Geschwindigkeit geht.
Langsam werden die Fragen schwerer: »Welches Land besitzt die meisten Zeitzonen?«
Über die ersten Runden liefern sich die Teams ein Kopf-an-Kopf-Rennen. »Wie viele Tage hat ein Schaltjahr?« »Chasak Ba’Atid« aus Hamburg und Bremen reagiert am schnellsten und holt die ersten 100 Punkte. »Wie lautet das Jugendwort des Jahres 2025?« Die »JUJUBA Lions« aus Baden buzzern innerhalb von Sekunden, vergeben jedoch ihre Chance. Amichai aus Frankfurt kann kontern und fährt ebenfalls seine ersten 100 Punkte ein, begleitet von frenetischem Jubel für die Gastgeber.
»Wie heißt der höchste Berg Israels?« Amichai reagiert erneut am schnellsten und wird mit weiteren 100 Punkten belohnt. So geht es weiter, bis schließlich die erste Bonusrunde ansteht: Hufeisenwerfen. »Jachad« aus Köln und »Kavanah« aus Aachen können sich hier mit einer souveränen Performance wichtige Punkte sichern.
Mit Wissen Selbstbewusstsein vermitteln
Langsam werden die Fragen schwieriger: »Welches Land besitzt weltweit die meisten Zeitzonen?« »Neschama« aus München antwortet »Frankreich« und holt sich wichtige 600 Punkte. »Halemet«, die für Nürnberg und Stuttgart antreten, gewinnen mit der Bonusrunde Wettmelken 400 Punkte und rücken in der Tabelle vor. Zur Halbzeit führt Amichai, dicht gefolgt von Neschama auf dem zweiten und Halemet auf dem dritten Platz.
In der Pause erzählt Moderator Oppenheimer: »Als Amichai-Kind aus Frankfurt habe ich vor Corona selbst am Jewish Quiz teilgenommen. Es ist wirklich eine Ehre, dass ich dieses Jahr moderieren darf.« Für ihn gehe es nicht primär darum, wer gewinnt, wer der Stärkste oder Schnellste ist. Viel wichtiger sei das geballte Wissen, das an dem Abend zusammenkommt. »Wir sind schlau, wir sind klug! Wir wollen uns nicht abstempeln lassen! Gerade in der heutigen Zeit ist es enorm wichtig, den Kindern dieses Gefühl zu vermitteln, ihnen Selbstbewusstsein mit auf den Weg zu geben. Darum geht es am heutigen Abend.«
Lokalmatadore halten den ersten Platz
Nach der Halbzeit nimmt die Spannung deutlich zu. »Wie heißen die 39 Arbeiten, die laut Halacha am Schabbat verboten sind?« Halemet holt wichtige Punkte. »Wie viele Nachbarländer hatte die Bundesrepublik vor dem Mauerfall im Jahr 1989?« »Lev Shelanu Chai«, die für Hannover und Osnabrück antreten, liegen mit der Antwort »sieben« richtig und können sich 700 Punkte sichern. »Welcher deutsche Bundeskanzler unterzeichnete 1970 den Warschauer Vertrag, der die Grenzen zwischen Deutschland und Polen anerkannte?« »Olam Berlin« lässt sich nicht beirren, antwortet »Willy Brandt« und erhält 600 Punkte. Die »Leipziger Chaverim« gehen mit 600 Punkten aus der Bonusrunde Maßkrugschießen.
Gerade die Plätze zwei und drei sind in der zweiten Halbzeit hart umkämpft. Olam Berlin kann zwischenzeitlich bis auf den zweiten Platz aufsteigen, wird dann aber von »We Zair« aus Westfalen verdrängt. »Lev Shelanu Chai« liefert sich mit Halemet ein nervenaufreibendes Rennen um den dritten Platz, das das Team aus Nürnberg und Stuttgart schließlich für sich entscheiden kann. Nur der erste Platz bleibt den ganzen Abend über in der Hand der Lokalmatadore aus Frankfurt am Main.
Die Leipziger Chaverim gehen mit 600 Punkten gestärkt aus dem Maßkrugschießen.
»Wie viele Mitglieder im Alter von zwölf bis 18 Jahren hatten die jüdischen Gemeinden in Deutschland im Jahr 2024?« Auch bei dieser letzten Frage liegt Amichai mit seiner Schätzung von 3000 Mitgliedern am nächsten an der richtigen Antwort (3800) und kann den Abend schließlich für sich entscheiden. Der Saal bricht in ohrenbetäubenden Jubel aus.
Gewinner Yaron: »Der soziale Aspekt ist das Wichtigste«
Nach der Siegerehrung erzählt der 18-jährige Yaron aus Frankfurt: »Das war mein erstes Jewish Quiz, und ich freue mich wirklich sehr, dass wir gewonnen haben. Wir haben uns natürlich auch vorbereitet. Ich glaube aber, beim Jewish Quiz geht es nicht so sehr darum zu gewinnen, sondern darum, seine Freunde aus den anderen Jugendzentren wiederzusehen. Der soziale Aspekt ist das Wichtigste. Für viele der Jugendlichen ist dieser Abend ein erster Anreiz, um auch in ihrer Gemeinde aktiv zu werden.«
Ganz ähnlich sieht das auch Marat Schlafstein vom Zentralrat der Juden: »Für uns ist das Event nicht nur deswegen so wichtig, weil die Kinder hier zeigen können, wie viel in ihnen steckt. Mit dem Quiz wird vielmehr auch eine Generation angesprochen, die in Zukunft Verantwortung in den Gemeinden übernehmen soll. Die Jugendlichen sollen ermutigt werden, sich einzubringen und das Gemeindeleben mitzugestalten.« Ab 2026 werde das Quiz auch auf Tour gehen und jedes Jahr an einem anderen Ort in Deutschland stattfinden. »Für uns als Zentralrat wird die Jugendarbeit von Jahr zu Jahr wichtiger, wir befinden uns sozusagen im Wachstumsmodus.«
Es ist mittlerweile spät geworden und die Aftershow-Party ist in vollem Gange. Die Spannung des Jewish Quiz ist einer ausgelassenen Stimmung gewichen. Man feiert gemeinsam. Gewinner oder Verlierer gibt es nicht mehr.