Armee

Ab in die Wüste

Ben Gurion wäre begeistert. Tausende junge Israelis siedeln sich dieser Tage neu im Negev an und füllen die sandige Einöde mit pulsierendem Leben. Die Vision des legendären Premierministers wird erfüllt. Allerdings in Olivgrün. Denn es ist die Armee, die einen Teil ihrer Trainingsbasen in die Wüste verlegt. Bis zu 10.000 Soldaten und ihre Familien werden insgesamt umziehen.

Rund 5000 sind schon da, bis zum Juli dieses Jahres kommen weitere 2000 Berufssoldaten plus Ehefrauen oder -männer und den Sprösslingen hinzu. Der erste zusammengelegte Trainingscampus (Kiriat Hamadracha) hat den Anfang gemacht. Saar Harazi ist der leitende Offizier für Computing und Kommunikation in der Anlage und begeistert davon, in die Fußstapfen von Ben Gurion zu treten. »Es ist eine fantastische Vision«, ist er überzeugt. »Und die Armee erfüllt seinen Traum.«

Die Negevwüste bildet mehr als die Hälfte der Landmasse Israels, doch lediglich acht Prozent der acht Millionen Einwohner haben sich hier angesiedelt. Rund ein Drittel von ihnen sind Beduinen, die hier bereits seit Jahrhunderten leben. Selbst ein speziell eingerichtetes Ministerium für die Entwicklung Galiläas (im Norden des Landes) und des Negev brachte indes keine Menschenmassen in den Süden.

Peripherie Doch mit der größten Trainingsbasis, die jemals gebaut wurde, kommt neben den Menschen auch eine wesentlich verbesserte Infrastruktur in die Peripherie. Die Anlage befindet sich rund 30 Kilometer südlich der Großstadt Beer Sheva. Ausgebildet werden keine Kampfeinheiten, sondern solche der Militärpolizei, für Personal, Weiterbildung, Medizin, Logistik, Technik sowie Kommunikation und Computer. Die Gründe der Armee für den Umzug seien die operative Effektivität, verbesserte Ausbildungsinfrastruktur sowie modernste Trainingseinrichtungen, heißt es. Mit deren Hilfe will das Militär später auch Vorbild für andere Bildungsinstitutionen sein, etwa Schulen und Universitäten des Landes.

Die Aktion sei jedoch nicht nur ein rein militärisches Unternehmen, macht Harazi deutlich, sondern vielmehr eine nationale Maßnahme mit einer weitreichenden Perspektive für die Region. Er gibt Beispiele: »Durch die Armee wird die Infrastruktur im Negev erweitert und verbessert. Dort, wo bisher nur eine Straße existierte, gibt es jetzt zwei, etwa in der Kleinstadt Yerucham.« Auch könnten die Anwohner, viele von ihnen arbeitslos, eine Beschäftigung bei der Armee finden. »In allen Gebieten, die mit dem Armeeleben zu tun haben, etwa die Arbeit mit Computern, in den Küchen, bei der Reinigung und vielen anderen Bereichen, stellen wir ein.« Die Armee habe sich auf die Fahnen geschrieben, die örtliche Bevölkerung zu unterstützen und auszubilden.

Outsourcing Mit Blick auf den Negev will die Armeeführung sowohl militärisch effektiv als auch vorbildlich für die Region sein. Doch ein Umzug kostet Geld – ganz besonders der Transfer und Bau von sensiblen militärischen Einrichtungen. Insgesamt sind zweieinhalb Milliarden Schekel veranschlagt (rund 600 Millionen Euro). Um den öffentlichen Haushalt damit nicht übermäßig zu strapazieren, wählte man die Methode des Outsourcing. 20 Jahre lang wird somit zunächst das private Unternehmen Mabat La’Negev, das die öffentliche Ausschreibung gewonnen hatte, die Einrichtungen nach deren Bau verwalten und betreiben. Nach dem Ablauf dieser Zeit geht das Eigentum an die Armee über.

Harazi selbst ist vor zwei Jahren mit seiner Ehefrau und drei Kindern aus dem Zentrum in den Süden des Landes gezogen und zieht Bilanz: »Ich würde es immer wieder tun, denn es ist ein sehr komfortables Leben für uns hier.« Besonders lobt er die guten Bildungseinrichtungen, die Weitläufigkeit des Geländes und die freie Natur. Und schließlich sei Beer Sheva gerade einmal 20 Minuten von der Basis entfernt.

Die als Wüstenmetropole titulierte Stadt ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen, begünstigt vor allem durch die Ben-Gurion-Universität mit ihrer herausragenden medizinischen Fakultät. Mittlerweile leben hier mehr als 200.000 Menschen, darunter viele Studenten. Der direkte Hochgeschwindigkeitszug nach Tel Aviv braucht kaum mehr als eine Stunde.

Lebensqualität Doch nicht alle sind von den Vorzügen des sandigen Lebens überzeugt. Einige Berufssoldaten zögern, den endgültigen Schritt in die Wüste zu tun. Besonders Familien mit älteren Kindern, in denen beide Elternteile berufstätig sind, haben Zweifel. Joav ist einer von ihnen. Er ist seit Jahren bei der Armee in Tel Aviv angestellt, seine Frau arbeitet im zivilen Bereich in der Stadt, die Kinder gehen hier auf eine Schule.

Vor allem die Ehefrau des Offiziers möchte lieber in der Stadt bleiben. »Sie sorgt sich sehr, dass wir dort versauern und nicht viel Lebensqualität außerhalb der Armee haben«, sagt Joav. »In Tel Aviv ist das natürlich komplett anders. Hier gibt es alles. Es ist eben das Zentrum des Zentrums. Und dazu noch mit dem Meer vor der Haustür.«

Familien wie die von Joav möchte die Armee aber nicht an die zivile Wirtschaft verlieren und will ihnen den Schritt schmackhaft machen. Unter anderem mit kostenlosen Unterkünften und Fördergeldern. Alleinstehende können mit 70.000 Schekeln (16.200 Euro) rechnen, wenn sie sich verpflichten, fünf Jahre im Negev zu bleiben. Für Familien gibt es mit 200.000 Schekeln fast dreimal so viel.

»Denn wir verstehen, dass so ein Umzug wirklich eine schwierige Entscheidung ist«, gibt Harazi zu bedenken. »Pionier zu sein, ist nie leicht«, weiß er selbst. »Aber es lohnt sich. Ich kann jedem nur empfehlen, den Negev zu seinem neuen Zuhause zu machen.«

Washington D.C.

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