Auszeichnung

»Wir lassen uns nicht einschüchtern«

Kapitulieren oder klare Kante zeigen? Vor dieser Frage stand die Lausitzer Rundschau kürzlich, als Neonazis die Redaktion ihrer kritischen Berichterstattung wegen mehrfach angegriffen hatten. Die Zeitung entschied sich für Letzteres – und berichtet seitdem trotz massiver Drohungen weiterhin ebenso regelmäßig wie hartnäckig über die regionale rechtsextremistische Szene.

Für dieses Engagement ist der Chefredakteur der Lausitzer Rundschau, Johannes M. Fischer, am Dienstagabend in Berlin stellvertretend für die gesamte Zeitung mit dem »Preis für Zivilcourage gegen Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Rassismus« ausgezeichnet worden. Der vom Förderkreis »Denkmal für die ermordeten Juden Europas« und der Jüdischen Gemeinde zu Berlin vergebene Preis wird seit drei Jahren verliehen und würdigt den Einsatz für eine offene Gesellschaft.

Übergriffe Die Lausitzer Zeitung, die Fischer seit 2010 leitet, hatte Anfang April diesen Jahres ausführlich über Neonazi-Treffen in der brandenburgischen Stadt Spremberg berichtet. Daraufhin erfolgten wenig später Übergriffe auf das Redaktionsgebäude der Lokalredaktion Spremberg, zunächst noch durch Sprüche wie »Lügen Presse Halt Die Fresse« und beschmierte Plakate mit rechtsextremistischen Inhalten.

Zuletzt folgte eine eindeutige Drohung, bei der die Täter blutige Tiergedärme vor die Tür der Redaktion legten. Als die Zeitung als Reaktion auf die rechtsextremistischen Umtriebe ein Fest der Vielfalt organisierte, lauerten Neonazis einem Redakteur auf und bedrohten ihn. Der Journalist konnte den Ort nur mit Polizeischutz verlassen.

Lea Rosh, Vorsitzende des Förderkreises, würdigte in ihrer Laudatio den Einsatz der Lausitzer Rundschau gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus. Die Zeitung habe sich mit ihren Berichten und Leitartikeln über den Rechtsextremismus den Ruf erworben, ein hellwaches Medium zu sein, das seiner Wächterfunktion engagiert nachkomme. »Verstehen Sie diese Auszeichnung bitte auch als Würdigung Ihres Mutes«, sagte Rosh.

Fischer sei zwar kein Jude, aber er habe durch die Berichterstattung über Neonazis eine jüdische Erfahrung gemacht, erklärte Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. »Uns Juden wird oft vorgehalten, zu feinfühlig zu sein«, das Beispiel der Lausitzer Rundschau belege jedoch eindrücklich, was geschehe, wenn man aktiv gegen Nazis vorgehe – und wie man die Neonazis trotz der Einschüchterungen bekämpfen könne.

»Wir haben mit unseren Recherchen über die Neonazis in ein Wespennest gestochen«, sagte Fischer in seiner Dankesrede. »Seitdem haben uns die Rechtsextremisten bedroht, beschimpft und attackiert. Aber wir lassen uns nicht einschüchtern. Jetzt berichten wir erst recht.« Seine Zeitung werde weiterhin über die Neonazis in der Lausitz schreiben, deren kriminelle Energie enorm sei. »Das geht los bei Kinderpornografie und endet bei Mord.«

Engagement Iris Berben, Unterstützerin des Förderkreises »Denkmal für die ermordeten Juden Europas«, lobte den Mut, den die Zeitung im Kampf gegen den Rechtsextremismus aufbringt. Es sei oft leichter gesagt als getan, sich für Demokratie und Freiheit einzusetzen, sagte sie. »Fischer und sein Team zeigen, wie viel erreicht werden kann, wenn jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten und mit seinen Mitteln Engagement zeigt.«

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) betonte in seinem Grußwort die Wichtigkeit eines würdigen Gedenkens der Schoa. Es gebe nicht viele Länder, die sich so intensiv wie die Bundesrepublik mit der eigenen Geschichte auseinandergesetzt hätten. Allerdings sei genauso klar, dass Deutschland mehr als andere Länder Anlass hätte, sich mit der eigenen Vergangenheit zu beschäftigen.

»Es macht besonderen Sinn, dass der Staat die Schrecken des Holocausts thematisiert«, sagte Lammert. »Verantwortung dafür zu tragen, dass so etwas nie wieder passiert, ist aber auch Aufgabe der Gesamtgesellschaft.«

Eingebettet war die Preisverleihung in das jährliche Charity-Dinner, bei dem Geld für den »Raum der Namen« des Denkmals für die ermordeten Juden Europas gesammelt wurde. Die Tischrede hielt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Immobilie

Das jüdische Monbijou

Deutschlands derzeit teuerste Villa auf dem Markt steht auf Schwanenwerder und soll 80 Millionen Euro kosten. Hinter dem Anwesen verbirgt sich eine wechselvolle Geschichte

von Ralf Balke  26.12.2025

Dating

Auf Partnersuche

Matchmaking mit Olami Germany – ein Ortsbesuch

von Jan Feldmann  23.12.2025

München

Ein kraftvolles Statement

Beim Gemeindewochenende nahmen zahlreiche Mitglieder an Diskussionen, Workshops und Chanukka-Feierlichkeiten teil

von Esther Martel  23.12.2025

Erfurt

Die Menschen halfen einander

Pepi Ritzmann über ihre Kindheit in der Gemeinde, ihre Familie und Antisemitismus. Ein Besuch vor Ort

von Blanka Weber  22.12.2025

Geburtstag

Holocaust-Überlebender Leon Weintraub wird 100 Jahre alt

Dem NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau entkam Leon Weintraub durch eine Augenblicks-Entscheidung. Heute warnt er als Zeitzeuge in Schulklassen vor Rechtsextremismus. Am 1. Januar feiert er seinen 100. Geburtstag

von Norbert Demuth  22.12.2025

Didaktik

Etwas weniger einseitig

Das Israel-Bild in deutschen Schulbüchern hat sich seit 2015 leicht verbessert. Doch der 7. Oktober bringt neue Herausforderungen

von Geneviève Hesse  22.12.2025

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

WerteInitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 24.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Aufgegabelt

Apfel-Beignets

Rezept der Woche

von Katrin Richter  20.12.2025