Frankfurt

»Wir brauchen einen langen Atem«

Unterschrieben den Kooperationsvertrag: der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, Hessens Kultusminister R. Alexander Lorz und der wissenschaftliche Direktor der Bildungsabteilung im Zentralrat, Doron Kiesel (v.l.) Foto: Eugen El

In deutschen Klassenzimmern gehören sie schon zum Alltag: Situationen, in denen Schüler judenfeindliche Gedanken jeglicher Art äußern. Oft fällt es Mitschülern schwer, darauf angemessen zu reagieren. Auch Lehrer sind bisweilen verunsichert und halten sich mit eindeutigen Erwiderungen zurück. Das hessische Kooperationsprojekt »Antisemi-was?« möchte dagegenhalten und Schüler und Lehrkräfte für die Gefahren von Antisemitismus sensibilisieren.

Projekt Zum Auftakt des zunächst auf drei Jahre angelegten Projekts unterzeichneten Hessens Kultusminister R. Alexander Lorz und Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, einen Kooperationsvertrag. »Die Aufgabe der Antisemitismusprävention wird eine unbefristete sein«, sagte Lorz bei der Vorstellung des Projekts am 18. März in Frankfurt. Die Schule sei ein wesentlicher Ort, um Jugendliche gegen das Gift der Judenfeindschaft zu immunisieren, betonte der CDU-Politiker.

»Antisemitismus ist eine Realität in Deutschland, und Hessen ist keine Ausnahme«, sagte Meron Mendel. Eine neue Dimension des Antisemitismus habe sich in den vergangenen drei bis vier Jahren gezeigt. Als Faktoren nennt Mendel den Aufstieg der rechtspopulistischen AfD sowie Zuwanderung aus Ländern, in denen Judenhass Teil der Staatsideologie ist.

Mindestens 36 interaktive, spielerische Workshops für Schüler ab 13 Jahren sowie mindestens 15 Lehrerfortbildungen sind für dieses Jahr angekündigt. Die Erinnerung an Schoa und Nationalsozialismus wird dabei ebenso Thema sein wie islamistischer und israelbezogener Antisemitismus.

Antisemitische Aussagen
sollen früher erkannt
und erwidert werden.

Über soziale Medien und Populärkultur verbreitete Stereotype und Verschwörungstheorien sollen ebenfalls angesprochen werden. Schüler und Lehrkräfte sollen antisemitische Aussagen besser erkennen können. Lehrer üben zudem den Umgang mit Alltagssituationen, die bei ihnen Verunsicherung und Irritation auslösen.

Unsicherheit »Die Atmosphäre hat sich verändert«, bestätigt Doron Kiesel, wissenschaftlicher Direktor der Bildungsabteilung im Zentralrat der Juden. Er beobachtet eine Rückkehr der Unsicherheit innerhalb der jüdischen Gemeinschaft. Juden überlegten wieder, ob sie in Deutschland erwünscht seien.

Kiesel leitet den fachlichen Beirat des hessischen Präventionsprojekts. Es sei wichtig, so Kiesel, auch der jüdischen Gemeinschaft zu vermitteln, dass man den Antisemitismus an Schulen nicht einfach beobachte, sondern dagegenhalte und pädagogisch interveniere.

Dass Appelle allein gegen antiisraelische und antijüdische Einstellungen nicht helfen, weiß Kiesel. Er erwartet keine schnellen Erfolge: »Wir brauchen einen langen Atem.« Aus eigener Lehrerfahrung kennt Kiesel den Wert persönlicher Kontakte zwischen nichtjüdischen Deutschen und Israelis. »Begegnungen können Ressentiments zerstören«, sagt er.

Zur Projektvorstellung kamen 20 hessische Lehrer nach Frankfurt. Sie nahmen anschließend an der ersten Fortbildung teil.

Fortbildung Zur Projektvorstellung kamen 20 hessische Lehrer nach Frankfurt. Sie nahmen anschließend an der ersten Fortbildung teil. Jens Both, Lehrer für evangelische Religion und Ethik an der Offenbacher August-Bebel-Schule, erhofft sich davon neue Impulse für einen aufmerksamen, wohlwollenden und zugewandten Umgang mit den Schülern.

An seiner Schule kann Both zwar keinen Anstieg antisemitisch motivierter Konflikte feststellen. Gleichwohl sagt er: »Ich merke natürlich, dass der Umgang allgemein nicht sehr wertschätzend ist.« Eine gewisse Verrohung finde statt. Das betreffe interkulturelle und interreligiöse Aspekte, aber auch die Gender-Thematik. Der Verrohung als Pädagoge entgegenzuwirken, betrachtet Both als seine Aufgabe.

Umbenennung

Yad-Vashem-Straße in Berlin: Wegner will schnelle Umsetzung

Nach der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem soll ein Straßenabschnitt im Herzen von Berlin benannt werden. Der Regierende Bürgermeister hofft auf eine schnelle Umsetzung

von Jonas Grimm  18.12.2025

Fachtagung

Ein geschützter Raum

Was passiert, wenn alte Traumata angesichts neuen Terrors wieder hochkommen? In Frankfurt tauschten sich Therapeuten, Sozialarbeiter und Schoa-Überlebende aus

von Mascha Malburg  18.12.2025

Neuerscheinung

Mit Emre und Marie Chanukka feiern

Ein Pixi-Buch erzählt von einem jüdischen Jungen, der durch religiöse Feiertage Verständnis und Offenheit lernt

von Nicole Dreyfus  18.12.2025

Zahl der Woche

1437

Funfacts & Wissenswertes

 18.12.2025

Bildungsministerkonferenz

Publizist Friedman: Leben jüdischer Kinder schlecht wie nie seit 1945

Schulen als Bildungsorte für Demokratie und Menschenrechte, gegen Hass und Antisemitismus: Der Publizist Michel Friedman sieht hier große Defizite in Deutschland

 18.12.2025

Безопасность

»Ни одно еврейское мероприятие не должно быть отменено«

После трагедии в Сиднее президент Центрального совета евреев Германии Йозеф Шустер обращается с личным посланием ко всем евреям Германии: не позволяйте отнять у вас радость Хануки

von Йозеф Шустер  18.12.2025

Meinung

Unsere Antwort ist Leben!

Chanukka ist das beharrliche Bestehen darauf, dass Mord und Terror nicht das letzte Wort haben. Ein Kommentar zum Terroranschlag von Sydney

von Jan Feldmann  18.12.2025

Hamburg

»Strong. Jewish. Here.«

Der Jugendkongress 2026 der ZWST setzt ein bewusstes Zeichen des Selbstbewusstseins und der Präsenz

von Imanuel Marcus  18.12.2025

Umbenennung

Medien: Berlin erhält Yad-Vashem-Straße

Ein neues Holocaust-Gedenken mitten im Berliner Regierungsviertel - Ein Teilabschnitt der Dorotheenstraße soll künftig den Namen der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem tragen. Die zweite Umbenennung in kurzer Zeit

 18.12.2025