München

Wiedersehen auf der Leinwand

»Hannas Reise«-Team: Karoline Schuch, Lia König und Regisseurin Julia von Heinz (v.l.) Foto: Marina Maisel

Ein gelungenes Filmfestival ist im besten Falle mehr als bloß ein paar Tage, an denen Filme gezeigt werden. 2014 richtete das Programm des IKG-Kulturzentrums mit einer Deutschland- und zwei München-Premieren – Di Schpilke, Hannas Reise und Der letzte Mentsch – den Blick nach vorn. Mit dem Stummfilmklassiker Jiddische Glikn und einem musikalischen Streifzug durch die Filmgeschichte warf das Festival aber auch einen Blick zurück auf das, was Menschen träumen lässt: das kleine Glück, das Überleben in harten Zeiten, Selbstverwirklichung.

besuch Eine, die das alles durchlief in über 65 Jahren auf den Brettern, die die Welt bedeuten, ist die Schauspielerin Lia König. Die Tochter eines Schauspielerpaars, in Lodz geboren, überlebte die Schoa in Usbekistan. Nach Kriegsende landete sie in Bukarest am Jiddischen Theater, wo sie in Zwi Stolper die Liebe ihres Lebens, ihren Partner und beruflichen Berater fand. Obwohl sie zur Zeit in drei verschiedenen Stücken am israelischen Nationaltheater Habimah mitwirkt, kam sie zur Präsentation von Hannas Reise nach München.

Die Wiedersehensfreude mit Regisseurin Julia von Heinz und der Hauptdarstellerin Karoline Schuch war groß. König spielt eine Schoa-Überlebende, die von einer jungen Deutschen »betreut« werden soll. Stattdessen lernt die BWL-Studentin, die sich nur aus Karrieregründen auf ein Praktikum in einem Behindertendorf in Israel und die Seniorenbetreuung für Aktion Sühnezeichen einließ, viel über das deutsch-israelische Verhältnis – und ihre eigene Geschichte.

Einen Blick hinter die Kulissen boten Gespräche mit den Filmschaffenden. Regisseurin von Heinz sprach vom eigenen Großvater und was Israel für ihn, einen Schoa-Überlebenden, bedeutet haben mag. Sie äußerte sich auch über die Arbeitsbedingungen in Israel und Deutschland, die den Klischees entsprechen: hier geordnet, dort laut und chaotisch. Und doch ist bei dem Film am Ende eine wunderbare, nachdenkliche Komödie herausgekommen.

Am Anfang des Films überhaupt stand das Theater, daran erinnerte der sowjetische Stummfilmklassiker Jiddische Glikn, der das Pech, die Pleiten und Pannen im Leben des »Luftmenschen« Menachem Mendel zeigt, live musikalisch untermalt von den drei Musikern von Tempo Nuovo. Hauptdarsteller Solomon Michoels war der Star im Jüdischen Theater Moskau gewesen. Dessen Geburtsstunde reicht übrigens bis 1918, kurz nach der Oktoberrevolution, nach Petrograd zurück. »Während ganze Welten zusammenbrachen und durch neue Welten ersetzt wurden, geschah ein vielleicht kleines, für uns Juden jedoch großes Wunder – das Jüdische Theater wurde geboren«, schrieb Michoels.

kammerspiel Die Slawistin Brigitte van Kann erläuterte in ihrem reich bebilderten und kenntnisreichen Vortrag die Arbeitsbedingungen für jüdische Schauspieler unter dem wachsenden stalinistischen Antisemitismus. Verstört ließ der jiddisch-sprachige kanadische Film Di Schpilke (2013) die Zuschauer zurück. Verständlich, wenn beschrieben wird, wie zwei junge Menschen, von ihren Familien getrennt und verfolgt, in einer kammerspielartig klaustrophen Situation zusammenkommen.

Mit ganz anderen Emotionen verließen die Besucher das Konzert der Pianistin Elena Gurevich, die zum Streifzug durch die Geschichte der Filmmusik geladen hatte. Sie begann mit der Musik aus »Exodus« für die der gebürtige Wiener Ernest Gold 1961 einen Oscar erhielt, und endete mit George Gershwin und Leonard Bernstein. Wer wie die Münchner Zuschauer das Glück hatte, die Sopranistin Talia Or das Lied Summertime aus Porgy and Bess verhalten, mit rauchigem Timbre interpretieren zu hören, wird das nie mehr vergessen.

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