Kurzbiografien

Undeutsche Komiker und Mütter der Nation

Die Herausgeberin ist in Salzburg, der Herausgeber in München geboren. Der Blick von außen schützt vor Selbstbeweihräucherung. Bleibt die Gefahr, sich mit fremden Federn zu schmücken. Wenn es um Berlin geht, sind es oft die »fremden Federn«, die die Stadt schmücken – oder die sich mit der Stadt schmücken, wie John F. Kennedy.

So liest sich das Edelfeder-Buch Wir Berliner!, das 33 Kurzbiografien enthält, liebevoll von Bewunderern geschrieben, die sich selbst zu den Berlinern rechnen. Irgendwann wird es ein Buch über diese Bewunderer geben – auch das wird spannend zu lesen sein.

James Simon Viele der Bewunderten und auch einige der Bewunderer sind Juden. Diese Lebensbilder aus der Vergangenheit belegen, welchen Anteil Juden an Berlin hatten und zum Glück auch wieder haben. Nehmen wir das Porträt, das der Mitherausgeber Peter Raue von James Simon (1851–1932) zeichnet, dem Unternehmer, der der vielleicht bedeutendste Mäzen der Stadt war.

Der geborene Berliner machte mit Baumwolle gute Geschäfte. Das schönste Zeugnis seines Mottos »Die Lust, Gutes zu tun« ist bis heute eine der Hauptattraktionen der Stadt, die »älteste Berlinerin«: Nofretete. Simon hat sie 1920 dem Ägyptischen Museum geschenkt.

Oder Inge Meysel (1910–2004), die in Rixdorf/Neukölln als Tochter eines jüdischen Vaters zur Welt kam, während der Nazizeit Auftrittsverbot hatte und nach dem Krieg das wurde, was sie nie hören wollte, die »Mutter der Nation«. Die Tübinger Schauspielkollegin Maren Kroymann setzt dieser couragierten Frau ein feines Denkmal.

Mascha Kaleko Wenn Gregor Gysi über Rosa Luxemburg (1871–1919) schreibt, dann nutzt er die Gelegenheit zu einer Vision eines Sozialismus jenseits des ehemals real existierenden, vor dem die polnische Berlinerin immer gewarnt hatte. Wenn sich die in Zagreb geborene jüdische Theaterfrau Adriana Altaras der aus Galizien nach Berlin gekommenen und wieder vertriebenen Mascha Kaleko (1907–1975) nähert, dann liest das Publikum in deren Versen, dass hinter der Modejüdin eine ernsthafte, witzige, traurige und sehr politische Frau stand.

Der in Mannheim geborene Peter von Becker holt den »bedeutendsten Mann des 20. Jahrhunderts«, den Ulmer Albert Einstein (1879–1955), in die Stadt zurück, in der er am längsten wirkte, in die Schöneberger Haberlandstraße. Schon im Jahr 1914 konnte Max Planck ihn für die Preußische Akademie der Wissenschaften gewinnen. Alle deutschen Ehrungen wurden Einstein nach 1933 aberkannt.

Weltweit wurde er geehrt, etwa von der Harvard University, an der ihm auf Anregung von Präsident Roosevelt am 20. Juni 1935 gemeinsam mit Thomas Mann die Ehrendoktorwürde verliehen wurde – übrigens in lateinischer Sprache. Mit Deutschland wollte Einstein nach der Schoa nichts mehr zu tun haben.

Estrongo Nachama Ganz anders Estrongo Nachama (1918–2000), der als Überlebender von Auschwitz von 1947 bis zu seinem Tode Kantor der Jüdischen Gemeinde zu Berlin war. Er ist im griechischen Thessaloniki geboren und blieb zeitlebens griechischer Staatsangehöriger. Das ermöglichte ihm auch die Betreuung der Gemeinde in Ost-Berlin. Sein Sohn Andreas würdigt seine disziplinierte Arbeit, die der Vater nicht preußisch sondern im Dienste der ihm in der Synagoge anvertrauten Menschen versah.

»Licht aus – Spot an«, verkündet Ilja Richter für seinen Berliner Kollegen Curt Bois (1901–1991). Er porträtiert den großen Schauspieler als »links und dennoch komisch, tieftraurig, aber nie weinerlich, moralisch, aber nie moralinsauer – ein undeutscher Komiker«. Bois spielte unter Langhoff, Brecht und Kortner und drehte mit Wim Wenders Der Himmel über Berlin. Leider können »wir Berliner« nicht alle so sein.

Irene Bazinger, Peter Raue (Hg.): »Wir Berliner! 33 x Bewunderung, Staunen, heimliche Liebe. Prominente über Prominente«. Quadriga, Berlin 2014, 337 S., 19,99 €

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