Nürnberg

Umgang mit rechten Populisten

Politischer Schabbaton in Nürnberg Foto: Max Feldmann

Während der Hashtag »WeRemember« durch die sozialen Medien ging und Politiker, Gemeinden und viele Bürger in Deutschland der Opfer des Holocaust gedachten, fanden sich junge Leute aus den Gemeinden in Nürnberg ein, um ein ebenso wichtiges Thema zu besprechen: den Rechtspopulismus von heute.

Sie fragten: Sind AfD, FPÖ und weitere europäische rechtsorientierte Parteien für Juden eine Gefahr? Oder sind sie sogar wählbar, falls sie sich mit Israel solidarisch zeigen? »Es ist wichtig, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, daher auch dieses Datum«, sagt Michael Grünberg, Vorsitzender des Bundes traditioneller Juden (BtJ). »Wir haben gemerkt, dass die jungen Leute daran besonders interessiert sind.«

Wie komplex das Thema ist, bewies bereits das erste Gespräch des Wiener Professors und Moderators des Schabbatons, Awi Blumenfeld, mit dem Experten Frank Decker, Professor für politische Wissenschaften und Soziologie an der Universität Bonn. Rechtspopulismus, so Decker, sei nicht unmittelbar gleichzusetzen mit Rechtsextremismus, obwohl dies oftmals den Anschein habe. Eher seien diese Populisten eine Folge von verfehlter Politik der etablierten Parteien. Wichtige Themenfelder wie kulturelle Identität oder sozial-ökonomische Ängste der Bevölkerung seien zu lange nicht angesprochen worden. Mit inbegriffen sind die Ängste der jüdischen Bürger in Deutschland vor dem Antisemitismus unter muslimischen Flüchtlingen und Migranten.

Stigmatisierung Sowohl Decker als auch einige Teilnehmer meinten, dass eine starke Stigmatisierung von Parteien wie der AfD, zum Beispiel durch die Medien, dieser eher mehr Zulauf und Sympathie bei der Bevölkerung einbrächten. »In Deutschland ist das Thema sehr negativ«, meint Tehila. Sie kam vor einiger Zeit aus Finnland nach Berlin. In ihrer Heimat gibt es mit den »Wahren Finnen« auch eine rechtspopulistische Partei, aber für die jüdische Gemeinde dort sei sie »nicht so relevant«.

»Ich verstehe die Kritikpunkte. Wir Juden sollten aus der Geschichte lernen und Fehler vermeiden«, erläutert Micha aus Frankfurt. »Aber es gibt Punkte, bei denen man zusammenarbeiten kann.« Er glaube, dass die AfD oft grundlos beschuldigt werde, ergänzt Micha. Diese Zusammenarbeit halten auch einige andere Teilnehmer wie Joel aus Köln für möglich und verweisen auf die Pro-Israel-Statements in der AfD oder ihre Kritik am (radikalen) Islam.

Dem widerspricht der ehemalige Präsident der European Union of Jewish Students, Benjamin Fischer. Während seiner Tätigkeit im EU-Parlament in Brüssel habe er miterlebt, wie wichtig in Europa die Bildung von Allianzen demokratischer Kräfte gegen rechte Parteien für jüdische Interessen waren. Die Annäherung vonseiten der Rechtspopulisten sei der Versuch, einen »Koscherstempel zu erhalten«, warnt Fischer. Für ihn steht fest, dass diese Parteien eine Herausforderung für das kulturelle jüdische Leben darstellen werden, falls sie eines Tages in einer Regierung sein sollten.

Österreich An diesen Punkt knüpfte Awi Blumenfeld aus Wien an. Er verwies auf die mitregierende FPÖ in Österreich und deren führendes Mitglied Udo Landbauer, der mit antisemitischem Liedgut in Verbindung gebracht wird. Andererseits habe die Partei einen jüdischen Pressesprecher gehabt.

Der Aufstieg der AfD oder FPÖ in Deutschland und Österreich stimmte nicht nur die Redner nachdenklich, sondern auch viele junge Teilnehmer, die zum ersten Mal an einem BtJ-Schabbaton teilnahmen. Andererseits weckten die Diskussionen bei manch einem das Interesse an Politik, verstärkt durch die Gespräche mit dem Soziologen Frank Decker.

Ein Schabbaton am Gedenktag mit anschließender Bar-Nacht sollte gerade in dieser Zeit ein Zeichen setzen. Rufat aus Nürnberg gab offen zu: »Wir kamen wegen der Community, um neue Freundschaften zu schließen und die Jüdischkeit zu genießen.« Jüdisches Leben ist wieder zurück in der Stadt, und es zeigt sich, den Rechten zum Trotz: »Die Party ist eine Antwort von uns, so wie unsere Eltern durch ihr Dasein eine Antwort waren«, freut sich Michael Grünberg.

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

München

Nicht zu überhören

Klare Botschaften und eindrucksvolle Musik: Die 39. Jüdischen Kulturtage sind eröffnet

von Esther Martel  23.11.2025

Berlin

Gegen den Strom

Wie der Ruderklub »Welle-Poseidon« in der NS-Zeit Widerstand leistete und bis heute Verbindung zu Nachfahren seiner jüdischen Mitglieder pflegt

von Alicia Rust  23.11.2025

Porträt

Glücklich über die Befreiung

Yael Front ist Dirigentin, Sängerin, Komponistin und engagierte sich für die Geiseln

von Alicia Rust  22.11.2025

Berufung

Schau mal, wer da hämmert

Sie reparieren, organisieren, helfen – und hören zu: Hausmeister von Gemeinden erzählen, warum ihre Arbeit als »gute Seelen« weit mehr ist als ein Job

von Christine Schmitt  21.11.2025

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Interview

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Was beschäftigt Misrachim in Deutschland? Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025