Nachruf

Trauer um Laszlo Pasztor

Laszlo Pasztor Foto: Uwe Steinert

Nachruf

Trauer um Laszlo Pasztor

Der langjährige Kantor der Jüdischen Gemeinde zu Berlin starb kurz vor seinem 84. Geburtstag

von Christine Schmitt  18.05.2018 11:12 Uhr

Laszlo Pasztor ist tot. Der langjährige Kantor der Jüdischen Gemeinde zu Berlin starb kurz vor seinem 84. Geburtstag in Berlin. Wie die Gemeinde mitteilte, findet die Beerdigung am Freitag, den 25. Mai, um 12 Uhr auf dem Jüdischen Friedhof Heerstraße (Scholzplatz) statt. Es amtieren Rabbiner Yitshak Ehrenberg und Kantor Simon Zkorenblut.

Es war ein langes und bewegtes Leben: Am 22. Mai 1934 wurde Laszlo Pasztor in Ungarn geboren. Bereits als kleiner Junge mit zwei bis drei Jahren fiel er in seiner Heimat in Budapest auf, weil er Lieder fehlerfrei nachsingen konnte. Als seine Eltern 1944 deportiert wurden, blieb er mit seiner Großmutter im Ghetto zurück. Seinen Vater sah er nie wieder.

Seine Mutter überlebte und ernährte später die kleine Oma-Mutter-Sohn-Familie. Das Geld reichte nur für das Nötigste. Trotzdem versuchte der musikbegeisterte Laszlo alles, um sich Opernaufführungen ansehen zu können. Mitunter stellte er sich schon in der Nacht an, um eine günstige Eintrittskarte zu ergattern.

budapest Bereits mit 18 Jahren verdiente der junge Mann als Sänger seinen Lebensunterhalt im Synagogenchor in seiner Heimatstadt Budapest. Drei Jahre später nahm er am Béla-Bartók-Konservatorium ein Gesangsstudium auf und wurde anschließend Chormitglied an der Budapester Staatsoper. Dass er Ungarn einmal verlassen würde, erschien Laszlo Pasztor damals, hinter dem Eisernen Vorhang, völlig unrealistisch. Doch sein Lehrer Sigmund Torday, einst Kantor in Berlin und Danzig, prophezeite seinem Lieblingsschüler bereits am Anfang seiner Laufbahn: »Eines Tages wirst du im Ausland für die ganze Welt Konzerte geben.«

Zu Beginn seiner Laufbahn hatte Pasztor mit dem Gedanken gespielt, nach Israel auszuwandern. Jedoch baten ihn seine Großmutter und seine Mutter zunächst erfolgreich, in seiner Geburtsstadt zu bleiben. Dort lernte er seine erste Frau kennen. Die Ehe hielt bis zu Eva Pasztors Tod Ende der 90er-Jahre.

Gut drei Jahrzehnte zuvor hatte Laszlo Pasztor einen Vertrag als Solist mit Chorverpflichtung am Innsbrucker Theater bekommen. Später begann er, sich nach einer Stelle als Kantor umzusehen. Die erste Anstellung führte ihn zur jüdischen Gemeinde in Göteborg. »Es war eine wunderschöne Zeit in Schweden«, erinnerte er sich später. Dann lockte ihn ein Angebot nach Amsterdam. Er gab viele Konzerte und wurde immer bekannter.

lewandowski Auch Heinz Galinski, der frühere Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, wurde auf ihn aufmerksam und versuchte, ihn abzuwerben. Gleichzeitig bemühte sich eine Synagoge in den USA um Pasztor. Doch aus Rücksicht auf seine Mutter schlug er das Angebot zunächst aus. Pasztor kannte sich schon damals mit der Lewandowski-Liturgie bestens aus, weshalb Galinski ihn für die Synagoge Pestalozzistraße gewinnen wollte.

Schließlich kam der Kantor 1987 nach Berlin. Bis vor wenigen Jahren amtierte Laszlo Pasztor regelmäßig in verschiedenen Berliner Synagogen: Herbartstraße, Fraenkelufer, vor allem aber in der Pestalozzistraße. Konzerte, Hochzeiten, Beerdigungen, Gottesdienste, Bar- und Batmizwa-Feiern füllten regelmäßig seinen Terminkalender.

Zu seinem 70. Geburtstag im Jahr 2004 sagte seine Tochter Diana der Jüdischen Allgemeinen: »Mein Vater bricht alle Rekorde.« Ihr Vater habe im Ruhestand nicht nur eine CD aufgenommen, sondern gebe weltweit Konzerte und unterrichte immer noch Rabbinerstudenten. Er amtiere weiterhin als Kantor in der Gemeinde, »in einem Alter, in dem sich andere bereits wirklich zur Ruhe gesetzt haben«. Der ehemalige Gemeinderabbiner Chaim Rozwaski sagte damals: »Laszlo Pasztor ist ein wunderbarer und herzensguter Mensch.« Er habe eine fürsorgliche Ausstrahlung und sei immer aufrichtig an den Menschen interessiert, so sein früherer Schüler, Kantor Jochen Fahlenkamp.

jom kippur Gemeinsam mit Chava Gerstetter leitete Laszlo Pasztor den Chor »Kol Simcha« (Stimme der Freude). Bei einem Jubiläumskonzert des Chors 2007 in der Synagoge Pestalozzistraße sagte Pasztor – gefragt, warum er fast überall, wo er amtierte, auch Laienchöre gegründet hat: »Singen ist so schön.« Später fügte er hinzu, es gehe auch darum, die Lieder, die »die jüdische Welt bedeuten«, gemeinsam zu erhalten.

Ausgerechnet an einem Jom Kippur war Pasztor mit der Qualität seiner Gesangsstimme nicht mehr hundertprozentig zufrieden. Da war er schon 78 Jahre alt. Seitdem wollte er nicht mehr amtieren. »Es war eine schöne Zeit«, beschrieb der 83-Jährige im Herbst 2017 im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen rückblickend sein mehr als 60 Jahre langes Arbeitsleben.

Laszlo Pasztor hinterlässt seine zweite Ehefrau Sophie Pasztor-Sternfeld und zwei Kinder aus erster Ehe.

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