Nachruf

Trauer in Chemnitz

Siegmund Rotstein sel. A. (1925–2020) Foto: CITYLENS Chemnitz / André Koch

Der Landesverband Sachsen der Jüdischen Gemeinden und die Jüdische Gemeinde in Chemnitz trauern um ihren langjährigen Vorstandsvorsitzenden Siegmund Rotstein.

Mensch »Wir verlieren einen engagierten und warmherzigen Menschen, der sich zeit seines Lebens unermüdlich für die jüdische Gemeinschaft eingesetzt hat. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren«, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster.

Nora Goldenbogen, Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden, erinnerte bei der Beisetzung am vergangenen Dienstag an Siegmund Rotstein als »immer aufgeschlossenen, freundlichen und mitfühlenden Gesprächspartner und Ratgeber – und selbstbewussten Juden«.

Er habe es »als seine persönliche Verantwortung betrachtet, sich mit aller Kraft für den Erhalt und die Entwicklung der jüdischen Gemeinschaft in Sachsen einzusetzen«.

Verfolgung Geboren wurde Rotstein am 30. November 1925 in einer kinderreichen Familie in der sächsischen Industriestadt. Schon bald wurden »Not und Feindschaft«, wie es Rabbiner Hugo Fuchs beschrieb, im Leben der Chemnitzer Juden unerträglich. Der Nationalsozialismus bedeutete für die staatenlose Familie Verfolgung und Ausweisung.

Als Siegmund Rotstein Ende November 1938 Barmizwa werden sollte, konnte die Feier nicht stattfinden, weil die Synagoge gesprengt worden war. Sein Vater Jankel Rotstein verhungerte im September 1941 im Warschauer Ghetto. Zu dieser Zeit befand sich Siegmund Rotstein auf Hachschara im Landgut Ahrensdorf und kehrte 1942 nach Chemnitz zurück, wo die Mutter Liddy und seine vier Geschwister auf ihn warteten.

Am 13. Februar 1945 wurde Siegmund Rotstein nach Theresienstadt deportiert. Er überlebte. Noch im Juni kehrte er in seine Heimatstadt zurück. All dies prägte sein Bewusstsein und seine zutiefst humanistische Weltanschauung nachhaltig.

Am 7. September 1945 zählte er zu den 18 Männern und Frauen, die die jüdische Gemeinde in Chemnitz wiedergründeten. Er erlernte den Beruf des Herrenschneiders und heiratete 1950 Marianne Bräuer, 1952 wurde Tochter Marion geboren. Von 1966 bis 2006 leitete Siegmund Rotstein als Vorsitzender die Jüdische Gemeinde Chemnitz.

DDR 1988 wurde er Präsident des Verbandes der Jüdischen Gemeinden in der DDR und zum Präsidenten des Internationalen Kuratoriums »Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum« berufen.

Mit der Wiedervereinigung wurde Rotstein im August 1990 zum Vorsitzenden des neu gebildeten Landesverbandes Sachsen-Thüringen gewählt und in das Direktorium des Zentralrats der Juden delegiert. Mit der Bildung des Landesverbandes Sachsen beteiligte sich Rotstein maßgeblich an dessen weiterem Aufbau.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion setzte sich Rotstein von Beginn an für die Integration der Zuwanderer ein. Er habe sie als »Wunder« bezeichnet, betonte Goldenbogen. »Er betrachtete diese Zuwanderung als die reale Möglichkeit, die kleinen jüdischen Gemeinden im Osten Deutschlands zu erhalten und vor allem zu stärken«, so Goldenbogen. Gleichzeitig bemühte er sich um den Bau der Neuen Synagoge.

Gerechtigkeit Im Mai 2002 konnte die Jüdische Gemeinde Chemnitz, die 1989 nur noch elf Mitglieder hatte, nach fast 65 Jahren wieder ein eigenes Gotteshaus eröffnen. Siegmund Rotstein betrachtete dies selbst als Krönung seines Lebenswerkes und sagte: »Ein Stück Gerechtigkeit wurde wiederhergestellt!«

2003 wurde Rotstein für seine Verdienste um die Bewahrung jüdischen Lebens in Sachsen mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Rotstein starb am Abend des 6. August im Alter von 94 Jahren in Chemnitz.

Interview

Holocaust-Überlebender Weintraub wird 100: »Ich habe etwas bewirkt«

Am 1. Januar wird Leon Weintraub 100 Jahre alt. Er ist einer der letzten Überlebenden des Holocaust. Nun warnt er vor Rechtsextremismus und der AfD sowie den Folgen KI-generierter Fotos aus Konzentrationslagern

von Norbert Demuth  16.12.2025

Magdeburg

Neuer Staatsvertrag für jüdische Gemeinden in Sachsen-Anhalt

Das jüdische Leben in Sachsen-Anhalt soll bewahrt und gefördert werden. Dazu haben das Land und die jüdischen Gemeinden den Staatsvertrag von 2006 neu gefasst

 16.12.2025

Bundestag

Ramelow: Anschlag in Sydney war Mord »an uns allen«

Erstmals gab es in diesem Jahr eine Chanukka-Feier im Bundestag. Sie stand unter dem Eindruck des Anschlags auf eine Feier zum gleichen Anlass am Sonntag in Sydney

 16.12.2025

Attentat in Sydney

»Was würden die Opfer nun von uns wollen?«

Rabbiner Yehuda Teichtal hat bei dem Attentat in Sydney einen Freund verloren und wenige Stunden später in Berlin die Chanukkia entzündet. Ein Gespräch über tiefen Schmerz und den Sieg des Lichts über die Dunkelheit

von Mascha Malburg  16.12.2025

Berlin

Chanukka-Licht am Brandenburger Tor entzündet

Überschattet vom Terroranschlag in Sydney wurde in Berlin das erste Licht am Chanukka-Leuchter vor dem Brandenburger Tor entzündet. Der Bundespräsident war dabei

 15.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  15.12.2025

Berlin

Straße nach erster Rabbinerin der Welt benannt

Kreuzberg ehrt Regina Jonas

 12.12.2025

Berlin

Jüdisches Museum bekommt zusätzliche Förderung

Das Jüdische Museum in Berlin gehört zu den Publikumsmagneten. Im kommenden Jahr feiert es sein 25. Jubiläum und bekommt dafür zusätzliche Mittel vom Bund

 12.12.2025

Chanukkia

Kleine Leuchter, große Wirkung

Von der Skizze bis zur Versteigerung – die Gemeinde Kahal Adass Jisroel und die Kunstschule Berlin stellen eine gemeinnützige Aktion auf die Beine. Ein Werkstattbesuch

von Christine Schmitt  12.12.2025