Jugend-Aliyah

Theater Kunterbunt

Szene aus dem Theaterprojekt: Eine Nonne, eine Israelin und eine junge Frau in einem Bus, der von einer Araberin gefahren wird. Foto: Rafael Herlich

Mit einem Piep öffnet sich die Bustür. Eine Nonne im Habit steigt ein. Der Fahrer grüßt sie mit »Salam aleikum«. »God bless you«, antwortet sie. Der Bus füllt sich weiter, eine junge Frau kommt dazu, telefoniert lautstark mit dem Handy. Nächste Haltestelle: Jerusalem. Ein Rabbi-Nachman-Anhänger mit blau-weißer Kippa tanzt zu elektronischer Musik durch die Tür in den Bus. »An Arab, a Jew, and a nun together in a bus – this is not the beginning of a joke, this is Israel«, ruft eine junge Frau plötzlich. Schnitt.

Den Bus gibt es nicht, sondern nur ein paar Stühle. Und die Szene ist tatsächlich nicht der Anfang eines Witzes, sondern das Ergebnis von einer Woche intensiver Arbeit. Gezeigt wird sie nicht in Israel, sondern am vergangenen Freitag als Teil einer Aufführung in der Aula der Frankfurter Anne-Frank-Schule.

»Wir haben viele bilaterale Projekte und suchen immer neue Ideen.« Pava Raibstein

Aufführung Eine Woche lang haben sechs jüdische Jugendliche aus Israel, sechs Schülerinnen und Schüler der Realschule und vier Frankfurter Roma-Jugendliche gemeinsam an den Szenen gefeilt, die sie heute den Zehntklässlern präsentieren. »›Darf ich mitspielen?‹ – Identität, Zugehörigkeit, Ausgrenzung« war der Titel eines trilateralen Jugend-Theaterworkshops, den die Kinder- und Jugend-Aliyah mit dem Förderverein Roma und der Schule bereits zum zweiten Mal angeboten hat.

»Wir haben viele bilaterale Projekte und suchen immer neue Ideen«, sagt Pava Raibstein, Geschäftsführerin der Kinder- und Jugend-Aliyah Deutschland, über die Idee zu dem Workshop. Juden und Roma stünden viel zu selten im Austausch, es gebe zu wenig Kooperation, »obwohl wir oft ähnliche Erfahrungen haben«. Raibstein wollte aber nicht nur jüdische Israelis, die in Jugenddörfern leben, mit gleichaltrigen Sinti und Roma zusammenbringen. »Die Mehrheitsbevölkerung muss dabei sein«, findet sie, aber in einem paritätischen Verhältnis, sodass sie in der Gruppe dann nicht mehr die Mehrheit stellten.

Migrationsgeschichte Deswegen habe sie den Kontakt zur Anne-Frank-Schule gesucht, die im Frankfurter Stadtteil Dornbusch nur einige Hundert Meter vom Geburtshaus der Namensgeberin entfernt liegt. Alle teilnehmenden Anne-Frank-Schülerinnen seien in Deutschland geboren, berichtet sie, viele kämen aber aus Familien mit Migrationsgeschichte. Wie Raibstein es formuliert: »In Frankfurt ist die Mehrheitsgesellschaft kunterbunt.«

Die Woche vor der Aufführung in der Schule haben die Jugendlichen gemeinsam in einer Jugendherberge im bayerischen Lohr am Main verbracht, mit theaterpädagogischer Arbeit, aber auch mit Kennenlernen beim gemeinsamen Klettern, Kanufahren, Kegeln, weil das »so deutsch ist«, wie Raibstein sagt.

»Wir haben viel voneinander gelernt und sind sogar Freunde geworden«, sagt Amina.

Es gab »große sprachliche Herausforderungen«, denn nicht alle der jungen Teilnehmer haben eine gemeinsame Sprache, auch deswegen habe man auf Theater als Mittel der Begegnung gesetzt. Mitunter mussten diejenigen, die sich gegenseitig verständigen konnten, für die anderen ins Englische übersetzen, das sich als Arbeitssprache etabliert habe. Auch beim Essen musste erst nach einem gemeinsamen Nenner gesucht werden. »Wir haben uns auf Hähnchen geeinigt«, erzählt Raibstein, mit Ausnahme der Vegetarier natürlich.

Ausgrenzung In der Aula der Anne-Frank-Schule folgt an diesem Vormittag auf schnelle, witzige Szenen Nachdenkliches. Eine Roma-Hochzeit oder eine Momentaufnahme aus einem »Restaurant Zum Keiler«, wo reichlich Bier serviert und über Autos, Fußball, Natur geredet wird, bringen die Jugendlichen auf die Bühne. Sie spielen aber auch, wie sich Ausgrenzung auf dem Schulhof anfühlt und wie es anders sein könnte. Sie stellen nach, wie es nach einem Handydiebstahl der wahren Täterin gelingt, antiziganistische Ressentiments zu nutzen, um den Verdacht auf den Rom im Raum zu lenken und so ungestraft davonzukommen.

Und sie zeigen mit einer der Übungen, dass sie trotz der unterschiedlichen Biografien einige Erfahrungen teilen. »Wer hat schon einmal Rassismus erlebt?«, ruft einer von ihnen. Alle Hände schnellen in die Höhe.

Über solche Erlebnisse haben sich die Teilnehmer in gemischten Gruppen ausgetauscht. Es war nicht immer leicht, schmerzhafte Erlebnisse zu teilen und auch noch auf die Bühne zu bringen, berichtet Ronaldo später. Der 18-jährige Rom lebt in Frankfurt. »Es war schon eine Herausforderung«, sagt auch die 15-jährige Amina, ebenfalls aus Frankfurt, über die Arbeit an den Szenen. Ein festes Skript habe es ja nicht gegeben, sie mussten alles erst erarbeiten. »Wir haben viel voneinander gelernt und sind sogar Freunde geworden.«

Die 17-jährige Sara lebt in einem Kibbuz im Norden Israels und zieht das Fazit: »Wir haben viel gemeinsam.« Ein äthiopischstämmiger Junge aus Israel sei mit einem schwarzen Frankfurter Mädchen über Rassismus ins Gespräch gekommen, sie habe sich mit einer muslimischen Teilnehmerin über die »Herausforderung, eine Frau zu sein« und Religion unterhalten – viele Probleme seien ja schließlich international.

Die Jugendlichen würden sich gern wiedersehen.

»Ich habe Sachen gemacht, von denen ich nicht gedacht habe, dass ich sie schaffen würde«, sagt die 14-jährige Mihaela, die aus Rumänien stammt. Das habe geklappt, weil man sich gegenseitig unterstützt habe, darauf sei sie stolz. Beim Workshop hat sie etwa zum ersten Mal Theater gespielt – und den Parcours in einem Hochseilgarten bezwungen.

Team Anna Peterek, die an der Anne-Frank-Schule Erdkunde und Sport unterrichtet, ist sichtlich zufrieden mit ihren Schülern. Die Jugendlichen hätten sich vom ersten Tag an miteinander beschäftigte und als Team verstanden, sagt die Lehrerin. Auch Joachim Brenner vom Förderverein Roma, einem der Kooperationspartner, lobt das Projekt. »In Frankfurt ist Diskriminierung und Ausgrenzung auch ein Teil der Realität, trotz aller Bemühungen«, sagt er. Es sei wichtig, dass Betroffene sich damit auseinandersetzen könnten. Ob das Format eine Zukunft hat, hänge auch davon ab, ob es gelinge, die Finanzierung sicherzustellen, berichtet Raibstein.

Die Jugendlichen jedenfalls sagen, sie würden sich gerne wieder treffen, auch wenn das nicht gerade leicht werde. Bevor sie am Freitagnachmittag auseinandergehen, wollten sie zumindest eine WhatsApp-Gruppe gründen – und noch zum Shoppen in die Stadt gehen.

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