Berlin

Tanzen mit Kippa und Kopftuch

Aller Anfang scheint schwer. Noch wirken die 38 Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und 14, die in den Räumlichkeiten des Spree-Tango-Studios in Moabit erste Schritte, Haltung und den richtigen Dreh einüben, reichlich steif und unbeholfen. Auch kommt es auf der Tanzfläche manchmal zu kleineren Zusammenstößen oder Staus. Aber durch nichts lassen sich Max, Rivka, David oder die anderen entmutigen, sie machen tapfer weiter – und irgendwann kommt Schwung in die Sache.

Kein Wunder, denn ihr Tanzlehrer ist niemand Geringeres als Pierre Dulaine. 1944 in Jaffa geboren, eröffnete er 1972 in New York sein Tanzstudio, seither gilt er als Star in der Szene. In dem Streifen Dance! mit Antonio Banderas in der Hauptrolle wurde sein Leben sogar verfilmt. »Shake what your mama gave you!«, ruft Dulaine und feuert die Schüler immer wieder auf Englisch, Deutsch, Arabisch und Hebräisch neu an. »Ihr seid nicht auf einer Farm, yalla!«

dialog Die Teenager selbst kommen vom Jüdischen Gymnasium und Gottfried-Keller-Gymnasium. Zusammengebracht für das Projekt »Dancing in Berlin 2015« hat sie die Talat-Alaiyan-Stiftung gemeinsam mit der Unterstützung der Bildungs- und Begegnungsstätte Givat Haviva.

»Jüdische, christliche und muslimische Jugendliche sollen sich auf diese Weise einfach näher kennenlernen und Vorurteile abbauen«, bringt Organisatorin Halima Alaiyan die Absicht dahinter auf den Punkt. »Oder gar nicht erst entstehen lassen. Keiner fragt hier, wer welche Religion hat oder woher jemand stammt«, so die Orthopädin mit palästinensischen Wurzeln, die die Talat-Alaiyan-Stiftung 2003 ins Leben gerufen hat.

Auf ihre Initiative hin kamen in Israel und Deutschland bereits über 600 Jugendliche zusammen. »Daraus entwickelten sich Freundschaften zwischen Israelis und Arabern, die nun schon viele Jahre Bestand haben«, berichtet sie stolz. »Selbst während des letzten Krieges in Gaza blieben sie untereinander in engem Kontakt und weigerten sich, den anderen als Gegner oder Feind zu betrachten.«

Hindernis In engen Kontakt kommen nun auch die Schülerinnen und Schüler der verschiedenen Religionen auf der Tanzfläche. Dabei ist der Glaube des anderen weniger ein Hindernis. »Religion spielt beim Tanzen keine Rolle«, bestätigt der 13-jährige Feridun. Vielmehr scheint die Scheu vor dem anderen Geschlecht problematisch. »Anfangs war es peinlich, mit einem Mädchen zu tanzen«, gesteht etwa Filip. Und Miryam ergänzt: »Das war zu Beginn echt ätzend!«

Dann legen sie gemeinsam mit den nächsten Tanzschritten los, mal einen lateinamerikanischen Merengue, mal einen Schritt à la Shakira. Auf diese Weise tanzt jeder irgendwann mit jedem. »Niemand kann hier sein Ding alleine durchziehen«, erläutert Dulaine das Konzept. »Beim Tanzen funktioniert alles nur gemeinsam.« Genau das hilft, auf spielerische Weise Vertrauen aufzubauen und sich näherzukommen – offenbar mit Erfolg. In der Pause hocken die Jugendlichen beider Schulen über ihren Smartphones und daddeln munter drauflos. Gemeinsam natürlich.

www.talat-alaiyan.de

Antisemitismusverdacht

Ermittlung wegen Plakat »Juden haben hier Hausverbot« läuft

Ein antisemitischer Aushang in einem Flensburger Geschäft sorgt für Entsetzen. Politiker und Bürger reagieren deutlich. Die Staatsanwaltschaft schaltet sich ein

 18.09.2025

Nürnberg

Annäherung nach Streit um Menschenrechtspreis-Verleihung

Die Israelitische Kultusgemeinde hatte den diesjährigen Träger des Nürnberger Menschenrechtspreises nach Bekanntgabe des Juryvotums kritisiert. Nach Gesprächen gibt es nun offenbar eine Verständigung

 18.09.2025

Berlin

Zwölf Rabbiner blasen das Schofar

Die Jüdische Gemeinde Chabad Berlin lud zum Neujahrsempfang. Zu Gast war auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner

von Detlef David Kauschke  18.09.2025

Kommentar

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  18.09.2025 Aktualisiert

Berlin

Zentralrat der Juden begeht sein 75. Jubiläum

Die Dachorganisation der jüdischen Gemeinden lud zahlreiche Gäste aus Politik und Zivilgesellschaft nach Berlin. Der Bundeskanzler hielt die Festrede

von Imanuel Marcus  17.09.2025

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Auszeichnung

Düsseldorfer Antisemitismusbeauftragter erhält Neuberger-Medaille

Seit vielen Jahren setze sich Wolfgang Rolshoven mit großer Entschlossenheit gegen Antisemitismus und für die Stärkung jüdischen Lebens in Düsseldorf ein, hieß es

 16.09.2025

Erinnerung

Eisenach verlegt weitere Stolpersteine

Der Initiator des Kunst- und Gedenkprojekts, Gunter Demnig aus Köln, die Stolpersteine selbst verlegen

 16.09.2025

Porträt der Woche

Passion für Pelze

Anita Schwarz ist Kürschnerin und verdrängte lange das Schicksal ihrer Mutter

von Alicia Rust  16.09.2025