Diskussion

So fremd und doch so nah

Zur Ethik im Judentum sprach die Kultusreferentin des Zentralrats, Shila Erlbaum. Foto: Michael Rubinstein

Der 31. Oktober stellt für Christen eine Zeitenwende dar. Vor 499 Jahren veröffentlichte Martin Luther seine 95 Thesen und setzte damit einen Prozess in Gang, der die Christen in Deutschland und schließlich weltweit spaltete und zur Entstehung der evangelischen Kirchen führte. Auf die Bedeutung dieses Tages machte Sabine Federmann, Studienleiterin der Evangelischen Akademie Villigst in Schwerte, auf- merksam, als sie die gut drei Dutzend Teilnehmer des jüdisch-christlichen Lehrhauses am Montag im Medienhaus der Akademie begrüßte.

An den beiden Seminartagen wartete ein anspruchsvolles Programm auf die Teilnehmer. Die Hauptorganisatoren, der Landesverband der Jüdischen Gemeinden Nordrhein, die Evangelische Kirche im Rheinland sowie die Akademie Villigst, konnten mit Shila Erlbaum, der Kultus- und Bildungsreferentin des Zentralrats der Juden, dem Karlsruher Theologieprofessor Klaus Müller und Rabbiner Jehoschua Ahrens hochkarätige Referenten gewinnen.

Erwartungen Zu Beginn des Lehrhauses machten die Teilnehmer deutlich, was sie von der Veranstaltung erwarteten. Die meisten von ihnen sind schon lange im christlich-jüdischen Dialog engagiert, haben Theologie studiert und sind Lehrer oder Pfarrer, aber ein paar Laien waren dann doch unter ihnen. Allerdings nur wenige Juden, was Klaus Müllers jüdische Frau Rachel kritisierte. »Juden haben leider kein großes Interesse am jüdisch-christlichen Dialog.« Dem widersprach Michael Rubinstein, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinden Nordrhein, heftig. »Das ist auch eine Frage der Größe der Gemeinden. Es gibt nun einmal viel weniger Juden als Protestanten.«

Die meisten Teilnehmer waren nicht wegen des Themas gekommen, sie waren an einem Dialog mit Juden interessiert oder erhofften sich Kontakte zu jüdischen Gemeinden vor Ort, um die Zusammenarbeit zu intensivieren.

Konfliktpotenzial Diejenigen, die sich für das Thema interessierten, warfen ähnliche Fragen in den Raum: »Welche Rolle werden Religionen in einer Gesellschaft spielen, in denen sie vor allem als Problem, als Verursacher von Kriegen und Konflikten wahrgenommen werden?« Ob nicht bald die Zeit käme, in der die unterschiedlichen Religionen und Konfessionen nur noch als Vertreter »der Religion« wahrgenommen würden, die sich zu rechtfertigen hätten und ihre ethischen Vorstellungen nicht mehr in die Gesellschaft, sondern nur noch in den immer kleiner werdenden Kreis der Gläubigen hineintragen könnten.

Jehoschua Ahrens, der in Düsseldorf lebende und in Nürnberg amtierende Rabbiner, fragte, wie Christen und Juden in Zukunft gemeinsam handeln können: »Ethik und Moral können uns, bei allem trennenden, zusammenbringen. Wenn wir in Zukunft gehört werden wollen, müssen wir als Religionsgemeinschaften zusammenarbeiten. Nicht nur wir Juden sind eine Minderheit, auch die Christen, die nach ihrer Religion leben, sind es schon oder auf dem Weg dahin, eine Minderheit zu werden.«

luther Schließlich ging der Theologieprofessor Klaus Müller noch auf den Reformationstag und eine Luther-Statue ein, die im Garten der Akademie steht – ein überlebensgroßes Luther-Playmobil-Männchen, das ein aufgeschlagenes Buch in der Hand hält. »Luther zeigt zwei Seiten: Auf der einen steht das ›Alte Testament‹ und groß ›Ende‹, auf der anderen ›Das Neue Testament übersetzt von Doktor Martin Luther‹. Unter diesem angeblichen Ende des Alten Testaments leiden wir bis heute. Ich wünsche mir, dass das Lehrhaus es schafft, dieses Ende zu minimieren.«

Das Seminar in Schwerte bildete auch erst den Auftakt für eine Reihe von Veranstaltungen, die für die kommenden Jahre geplant sind. Zwar gibt es schon sehr lange einen christlich-jüdischen Dialog in der Evangelischen Akademie, aber dort war in der Regel ein einziger Jude zu Gast bei den Protestanten. Das war in Villigst nicht mehr so und wird auch bei den kommenden Veranstaltungen anders sein: Juden und Christen werden künftig gemeinsam miteinander diskutieren.

Nicht nur Theologen sollen daran teilnehmen, sondern auch interessierte Laien beider Religionen. Ort und Datum für die Folgeveranstaltung stehen auch schon fest, das zweite jüdisch-christliche Lehrhaus wird am 31. Oktober kommenden Jahres in der Bildungs- und Freizeitstätte der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, dem »Max-Willner-Heim« in Bad Sobernheim, stattfinden.

Immobilie

Das jüdische Monbijou

Deutschlands derzeit teuerste Villa auf dem Markt steht auf Schwanenwerder und soll 80 Millionen Euro kosten. Hinter dem Anwesen verbirgt sich eine wechselvolle Geschichte

von Ralf Balke  28.12.2025

Geburtstag

»Der Tod war etwas Gegebenes«

Der Holocaust-Überlebende Leon Weintraub wird am 1. Januar 100 Jahre alt

von Gabriele Ingenthron  28.12.2025

Dating

Auf Partnersuche

Matchmaking mit Olami Germany – ein Ortsbesuch

von Jan Feldmann  23.12.2025

München

Ein kraftvolles Statement

Beim Gemeindewochenende nahmen zahlreiche Mitglieder an Diskussionen, Workshops und Chanukka-Feierlichkeiten teil

von Esther Martel  23.12.2025

Erfurt

Die Menschen halfen einander

Pepi Ritzmann über ihre Kindheit in der Gemeinde, ihre Familie und Antisemitismus. Ein Besuch vor Ort

von Blanka Weber  22.12.2025

Didaktik

Etwas weniger einseitig

Das Israel-Bild in deutschen Schulbüchern hat sich seit 2015 leicht verbessert. Doch der 7. Oktober bringt neue Herausforderungen

von Geneviève Hesse  22.12.2025

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

WerteInitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 24.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Aufgegabelt

Apfel-Beignets

Rezept der Woche

von Katrin Richter  20.12.2025