Gedenken

»Sie gehören zu uns«

Die deutsche Delegation im Stammlager des KZ Auschwitz Foto: Jacob Schröter

In der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 wurden die letzten im Konzentrationslager Auschwitz verbliebenen Sinti und Roma von der SS zusammengetrieben und in die Gaskammern geschickt.

4300 Menschen, vor allem Frauen, Kinder und alte Menschen, starben innerhalb weniger Stunden. Wie sie wurden insgesamt eine halbe Million Sinti und Roma von den Nationalsozialisten ermordet.

Delegation Am vergangenen Dienstag, genau 78 Jahre später, fand im »Abschnitt B II e« des ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau – die Nazis nannten es »Zigeunerlager« – der Holocaust-Gedenktag für die Sinti und Roma statt.

Einer der Vertreter der Minderheit, die zu diesem Anlass aus der ganzen Welt anreisten, war der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose. Teil der deutschen Delegation waren unter anderem Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, sowie Bodo Ramelow, Ministerpräsident von Thüringen und zurzeit der Präsident des Bundesrates.

»Wir sind heute hier, um dem Grauen ins Gesicht zu sehen«, sagte Ramelow vor Hunderten Gästen, darunter Überlebende und deren Angehörige. Es war das erste Mal, dass ein Bundesratspräsident an der Gedenkveranstaltung am 2. August in Auschwitz sprach. Für ihn heißt Erinnern »vor allem, die Ursachen nicht zu vergessen, die zu diesem Verbrechen führten«, erklärte Ramelow. Es sei die »rassistische Ideologie« der Nationalsozialisten gewesen, die die Ermordung der Sinti und Roma, der Juden und anderer Minderheiten ermöglicht habe.

minderheit Ramelow betonte, dass der Völkermord an den Sinti und Roma nicht nur »eine lange Vorgeschichte der Bedrängung« habe, sondern auch »eine Nachgeschichte, die bis heute reicht«. Auch in unserer Zeit lebten Angehörige der Minderheit in Europa noch unter inakzeptablen Bedingungen. An die Gemeinschaft der Sinti und Roma gewandt, sagte Ramelow: »Sie sind ein wichtiger Teil unseres gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. Sie gehören zu uns.«

»Der Name Auschwitz steht für einen nie da gewesenen Zivilisationsbruch.«

Romani Rose, Zentralrat deutscher sinti und roma

Rose begrüßte vor seiner Rede alle Anwesenden, darunter auch »unsere jüdischen Schwestern und Brüder«, und bedankte sich bei Schramm, mit dem ihn eine jahrelange Freundschaft verbindet, für dessen Anwesenheit. »Der Name Auschwitz steht nicht nur für den Holocaust an 500.000 Sinti und Roma und sechs Millionen Juden«, sagte Rose, »sondern zugleich für einen nie da gewesenen Zivilisationsbruch.«

Schnell kam Rose, Jahrgang 1946, auch auf die aktuelle, besorgniserregende Lage der Sinti und Roma zu sprechen. Die »lange Zeit selbstverständlichen Errungenschaften der offenen demokratischen Gesellschaft« stünden zunehmend infrage, so Rose. Antisemitismus und Antiziganismus, der Hass auf Sinti und Roma, würden in Europa wieder zunehmen. Alle aufrechten Menschen seien dazu aufgerufen, »unser Verständnis von Gleichheit und Recht, das für alle Menschen gültig sein muss, durchzusetzen«.

Freundschaft Im Anschluss an die Gedenkzeremonie führte Rose persönlich seine guten Bekannten Schramm und Ramelow durch die Ausstellung über den Völkermord an den Sinti und Roma im »Block 13« von Auschwitz. Auch die Geschichte von Roses Großeltern, die wie ein großer Teil seiner Familie dort ermordet wurden, wird hier erzählt.

Es war der Abschluss eines Tages des Erinnerns, der Reden und Kranzniederlegungen. Der herzliche Abschied von seinem jüdischen Freund und »Bruder« soll jedoch nicht für lange sein: Auch dieses Jahr ist Rose wieder eingeladen, Chanukka gemeinsam mit Reinhard Schramm und der Jüdischen Gemeinde in Erfurt zu feiern.

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  17.09.2025

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Auszeichnung

Düsseldorfer Antisemitismusbeauftragter erhält Neuberger-Medaille

Seit vielen Jahren setze sich Wolfgang Rolshoven mit großer Entschlossenheit gegen Antisemitismus und für die Stärkung jüdischen Lebens in Düsseldorf ein, hieß es

 16.09.2025

Erinnerung

Eisenach verlegt weitere Stolpersteine

Der Initiator des Kunst- und Gedenkprojekts, Gunter Demnig aus Köln, die Stolpersteine selbst verlegen

 16.09.2025

Porträt der Woche

Passion für Pelze

Anita Schwarz ist Kürschnerin und verdrängte lange das Schicksal ihrer Mutter

von Alicia Rust  16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Erstes Konzert in Magdeburger Synagoge

Die Synagoge war im Dezember 2023 eröffnet worden

 15.09.2025

Thüringen

Jüdisches Bildungsprojekt »Tacheles mit Simson« geht erneut auf Tour

Ziel des Projektes sei es, dem Aufkommen von Antisemitismus durch Bildung vorzubeugen, sagte Projektleiter Johannes Gräser

 15.09.2025

Essen

Festival jüdischer Musik mit Igor Levit und Lahav Shani

Der Festivalname »TIKWAH« (hebräisch für »Hoffnung«) solle »ein wichtiges Signal in schwierigen Zeiten« setzen, hieß es

 15.09.2025