Lauder Yeshurun Berlin

»Schwerpunkt Jugendarbeit«

Rabbiner Andrew Savage Foto: Ralf Balke

Lauder Yeshurun Berlin

»Schwerpunkt Jugendarbeit«

Rabbiner Andrew Savage Vernetzung, Leadership und Juden in Europa

von Ralf Balke  23.01.2017 18:28 Uhr

Herr Rabbiner Savage, seit einem Jahr sind Sie Geschäftsführer der Lauder Yeshurun in Berlin. Welche erste Bilanz ziehen Sie?
Wir wollten einen Ort schaffen, an dem sich junge Juden einfach wohlfühlen können. Ich glaube, das ist uns bislang sehr gut gelungen.

Welche Schwerpunkte setzen Sie in Ihrer Arbeit?
Wir wollen das jüdische Gemeindeleben auf Basis einer breit gefächerten und intensiven Bildungsarbeit unterstützen. Einer unserer Schwerpunkte ist dabei die Jugendarbeit.

Inwiefern kamen Ihnen dabei bisherige berufliche Erfahrungen zugute?
Bereits als Student war ich Leiter der Jewish Society in Oxford, einer studentischen Vereinigung von Juden aller religiösen Strömungen. Anschließend begann ich für das »Forum for Jewish Leadership« in England aktiv zu werden. Fokus meiner Tätigkeit dort lag in der Bildungsarbeit. Dabei standen das Networking, die Schaffung von Multiplikator-Effekten und damit die Stärkung einer jüdischen Identität immer im Mittelpunkt. Auf diese Weise wollten wir junge qualifizierte Menschen darauf vorbereiten, eines Tages in den Gemeinden eine Führungsrolle zu übernehmen. Dieser Ansatz einer nachhaltigen Zukunftssicherung jüdischen Lebens in der Diaspora brachte mich dann vor mehr als drei Jahren in Kontakt mit Lauder in Amerika.

Die Mehrheit der Juden hier in Deutschland stammt aus der ehemaligen Sowjetunion. War das für Sie eine neue Herausforderung?
Eigentlich nicht. Schließlich hatte das »Forum for Jewish Leadership« schon lange enge Kontakte zu jüdischen Studenten aus dem ganzen östlichen Europa gepflegt und viele von ihnen beispielsweise zu Seminaren nach London eingeladen, um sie in unsere Aktivitäten mit einzubinden. Auf diese Weise waren mir ihre spezifischen Probleme bereits aus erster Hand vertraut.

In welcher Hinsicht war das Leben in Deutschland für Sie eine Umstellung?
Vor allem, wenn man sich die Situation von Juden in ganz Europa vor Augen führt, dann ist jüdisches Leben heute in Deutschland trotz aller historischen Belastungen und der damit verbundenen Vielschichtigkeit etwas ganz Besonderes.

Welche Aspekte haben Sie dabei im Blick?
Zum einen scheint im Unterschied zu Frankreich, Ungarn oder auch England, wo ich herstamme, das Umfeld deutlich sicherer und entspannter. Zum anderen erlebten die jüdischen Gemeinden hier in den vergangenen zwei Jahrzehnten dank der Zuwanderung aus der Ex-Sowjetunion einen enormen Zulauf. All das hat Perspektiven und Chancen für die Zukunft geschaffen, die es meiner Meinung nach anderswo in dieser Form wohl nicht gibt. Insofern begeistert mich Berlin jedes Mal aufs Neue.

Womit sprechen Sie jüdische Jugendliche in Deutschland an?
Wir legen die Schwerpunkte ganz klar auf Persönlichkeitsentwicklung. Das tun wir durch verschiedene Angebote formeller, aber auch ganz informeller Natur. Zum einen haben wir 2013 das Programm »J-Community« an den Start gebracht. Jugendliche in der Altersgruppe zwischen 16 und 18 laden wir dazu ein, alle sechs Wochen nach Berlin zu kommen, um gemeinsam einen Schabbaton zu erleben.

Welche Angebote gibt es darüber hinaus?
Wir bieten die Möglichkeit, online an Schiurim teilzunehmen und über jüdische Themen zu diskutieren. Ziel ist auch hier die stärkere Vernetzung der Jugendlichen untereinander und die Förderung einer starken jüdischen Identität.

Wie ist die Resonanz bisher?

Sehr gut! Über ein weiteres eLearning-Programm haben wir mehr als 90 Kinder im Alter zwischen fünf und 14 Jahren, die täglich an Kursen über das Judentum teilnehmen. Das Bemerkenswerte: Wir machen auch viele ihrer Eltern, die in der Sowjetunion oftmals keinerlei Wissen über die jüdische Religion vermittelt bekamen, auf unsere Traditionen neugierig.

Gibt es weitere Pläne?
Derzeit arbeiten wir an einem neuen Schulgebäude. Es gibt eine große Nachfrage nach jüdischem Lernen und Wissen. Rund 160 Kinder unterrichten wir bereits – Tendenz steigend. Wahrscheinlich werden die Räume schon zu klein sein, bevor sie fertig sind. Auch suchen wir den Kontakt zu den vielen Israelis, die mittlerweile in Berlin wohnen. Vor allem junge Familien mit kleinen Kindern zeigen Interesse an unseren Angeboten, beispielsweise für die kommenden Feiertage oder dafür, an einem Schabbaton teilzunehmen.

Mit dem Geschäftsführer von Lauder Yeshurun Berlin sprach Ralf Balke.

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