Musik

Persisch grooven

»Meine Lieder basieren auf uralten Melodien«: Hadar Maoz Foto: Karina Hessland-Wissel

Mit geschlossenen Augen trommelt Hadar Maoz einen mitreißenden Rhythmus auf zwei Rahmentrommeln. Pur. Stark. Raumgreifend. Ein Klang wie aus einer anderen Zeit. Bald darauf setzt der Gesang ein. Die israelische Musikerin ist zierlich, zunächst wirkt sie fast ein wenig verloren im blaustichigen Licht der Bühne. In Gera eröffnete Maoz am 19. März die 33. Jüdisch-Israelischen Kulturtage mit einem Konzert unter dem Titel »The Persian Groove«.

Wer das Glück hatte, die energiegeladenen Auftritte von Maoz mit ihrer gleichnamigen Band in den darauffolgenden Tagen in Erfurt, Mühlhausen, Jena oder Rudolstadt zu erleben, erlebte einen musikalischen Orkan. Hadar Maoz nimmt ihr Publikum für die Dauer eines Konzertaufenthalts mit auf eine rasante Klangreise um die Welt.

Die in Israel in eine Musikerfamilie geborene Künstlerin mit persischen Vorfahren singt, tanzt und spielt verschiedene Instrumente. Manchmal tut sie das nacheinander, und manchmal passiert alles zeitgleich. Scheinbar mühelos bewegt sie sich zwischen den unterschiedlichen Sujets, damit zieht sie das Publikum in ihren Bann. Die Jüdisch-Israelischen Kulturtage Thüringens bieten der Künstlerin eine Plattform für eine Musikrichtung, die sich allenfalls unter dem Überbegriff »Weltmusik« zusammenfassen lässt, doch das trifft es nicht ganz. Maoz entführt ihre Zuhörer vielmehr auf eine Zeitreise. »Meine Musik steht in einer 2500 Jahre alten Tradition persischer und bucharischer jüdischer Musikgeschichte«, erzählt die 41-Jährige.

Maoz ist mit ihrer Band weltweit unterwegs. »Ich liebe auch die USA in musikalischer Hinsicht, dort interessiere ich mich vor allem für Rhythm, Blues und Soul, für den Sound von Motown insgesamt«, sagt Maoz und benennt James Brown als Vorbild.

Angst als Jüdin habe sie nie gehabt

Und wie empfindet sie ihr deutsches Publikum? »Sehr respektvoll, großartig, da ist eine positive Energie, die ist richtig spürbar«, sagt Maoz. »Am Anfang sitzen hier noch alle, aber das ändert sich dann bald, die Leute gehen richtig mit der Musik mit, bewegen sich, tanzen«, sagt die israelische Musikerin. »Ich liebe das deutsche Publikum«, betont sie – und zeigt die Reaktionen der vielen Musikliebhaber auch gern auf ihrem Instagram-Account. »I love you«, textet sie dann – und das Publikum liebt sie zurück. Angst als Jüdin habe sie nie gehabt.

Historische Musik, heilige Melodien, hypnotische Bewegungen, das trifft es ganz gut, das sind ihre Schwerpunkte. Aber nicht nur. Denn Maoz kombiniert auf eine unkonventionelle Art persische Melodien mit historischen Reminiszenzen und Musik mit bucharisch-jüdischen Wurzeln Zentralasiens mit modernen Grooves.

Locker wechselt sie zwischendurch zu Elementen aus Blues, Funk, Jazz, Rock und sogar Pop, selbst vor elektronischen Beats macht sie nicht halt. »Ich bin ein großer Fan von Michael Jackson, er hat mich schon in meiner Jugend inspiriert, selbst meine Großmutter mochte seine Musik.«

Auch sprachlich passen ihre Lyrics in keine Schublade, mal singt sie spirituelle Texte auf Persisch oder Hebräisch, dann wechselt sie plötzlich zu englischen Texten mit Anklängen von Folk oder Blues.

Manche ihrer Kostüme, die an golddurchwirkte orientalische Gewänder erinnern, werden durch Stücke ergänzt, die die Bühnenpräsenz von Jackson zitieren, wie ein weißer uniformähnlicher Mantel mit goldenen Applikationen. Ebenso beherrscht Maoz so manchen Move, der an den Tanzstil Jacksons erinnert, den Moonwalk zum Beispiel.

Michael Jackson hat die Tel Aviver Musikerin beeinflusst – auch bei der Wahl des Bühnen-Outfits.

Das alles zusammen macht ihre Performance zu etwas ganz und gar Eigenem. Ein visuell unterlegtes Klangerlebnis der Extraklasse. Woher nimmt sie ihre Inspiration? »Ich experimentiere gern, beschäftige mich mit den unterschiedlichsten Musikrichtungen, reise viel und komponiere alle Stücke selbst«, sagt Maoz, die ein eigenes Studio in Tel Aviv betreibt, wo sie ihre Stücke auch einspielt und produziert.

»Meine Lieder basieren auf uralten Melodien, die mir schon früh von meiner Großmutter und von meiner Urgroßmutter beigebracht wurden«, sagt die Tel Aviverin und streicht sich eine schwarze Locke aus der Stirn. »Sooft ich konnte, bin ich als Kind und später auch als Jugendliche zu ihnen nach Hause gegangen.« Dort habe sie ihre musikalische Grundausbildung erhalten. »Von diesen starken Frauen bin ich sehr geprägt worden«, sagt Hadar Maoz. Schon im zarten Alter von sieben Jahren habe sie gewusst, dass sie einmal Musikerin werden würde. »Für mich ist nie ein anderer Beruf infrage gekommen«, sagt Maoz. Mit neun gewann sie ihren ersten Musikwettbewerb, ab da habe ihre Mutter sie unterstützt und ermutigt, einen musikalischen Weg einzuschlagen.

Ihre Tour führte sie von Gera über Jena bis nach Fürth – Maoz liebt das deutsche Publikum.

Das habe sich aber nicht nur auf den Gesang oder etwa den Tanz bezogen. »Ich habe erst einmal unterschiedliche historische Instrumente gelernt« – die Tar, ein Saiteninstrument, genauer gesagt eine gezupfte Langhalslaute, bekannt im Iran wie in Afghanistan oder in etwas anderen Varianten auch in Aserbaidschan. Die Saz, auch ein Saiteninstrument mit Wurzeln in Zentralasien, das sich während der Seldschukenzeit in Anatolien verbreitete. Die Dayereh, eine Rahmentrommel, die einen wichtigen Platz in der klassischen persischen Musik des Iran einnimmt. Und die Kelchtrommel.

Bass- und E-Gitarre

»Außerdem spiele ich Bass- und E-Gitarre«, sagt die Multi-Instrumentalistin. Ihr Tanz sei hingegen vor allem von orien­talischen Stilen Zentral- und Ostasiens inspiriert.

Mit der Familiengeschichte im Hintergrund, die auf viele Vorfahren in Persien zurückgeht, fühle sie auch eine starke Verantwortung. »Diese Art von Musik, die ich heute mache, spielte immer eine große – auch spirituelle – Rolle bei uns zu Hause«, sagt Hadar Maoz. Schon ihre Großmutter sei eine Priesterin gewesen, eine spirituelle Frau. Maoz schlägt die Beine übereinander und schenkt sich einen starken Kaffee ein, schließlich muss sie wach bleiben.

Eines steht fest: Ihr nächstes Konzert wird schön persisch grooven. Die Jüdisch-Israelischen Kulturtage finden noch bis zum 10. April statt.

Essay

Vorsichtig nach vorn blicken?

Zwei Jahre lang fühlte sich unsere Autorin, als lebte sie in einem Vakuum. Nun fragt sie sich, wie eine Annäherung an Menschen gelingen kann, die ihr fremd geworden sind

von Shelly Meyer  26.10.2025

Stuttgart

Whisky, Workshop, Wirklichkeit

In wenigen Tagen beginnen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt die Jüdischen Kulturwochen. Das Programm soll vor allem junge Menschen ansprechen

von Anja Bochtler  26.10.2025

Porträt

Doppeltes Zuhause

Sören Simonsohn hat Alija gemacht – ist aber nach wie vor Basketballtrainer in Berlin

von Matthias Messmer  26.10.2025

Trilogie

Aufgewachsen zwischen den Stühlen

Christian Berkel stellte seinen Roman »Sputnik« im Jüdischen Gemeindezentrum vor

von Nora Niemann  26.10.2025

Dank

»Endlich, endlich, endlich!«

Die IKG und zahlreiche Gäste feierten die Freilassung der Geiseln und gedachten zugleich der Ermordeten

von Esther Martel  24.10.2025

Kladow

Botschaft der Menschlichkeit

Auf Wunsch von Schülern und des Direktoriums soll das Hans-Carossa-Gymnasium in Margot-Friedländer-Schule umbenannt werden

von Alicia Rust  24.10.2025

Osnabrück

Rabbiner Teichtal: »Unsere Aufgabe ist es, nicht aufzugeben«

»Wer heute gegen Juden ist, ist morgen gegen Frauen und übermorgen gegen alle, die Freiheit und Demokratie schätzen«, sagt der Oberrabbiner

 24.10.2025

Universität

»Jüdische Studis stärken«

Berlin bekommt als eines der letzten Bundesländer einen Regionalverband für jüdische Studierende. Mitgründer Tim Kurockin erklärt, wie sich der »JSB« künftig gegen Antisemitismus an den Hochschulen der Hauptstadt wehren will

von Mascha Malburg  23.10.2025

Sport

»Wir wollen die Gesellschaft bewegen«

Gregor Peskin ist neuer Vorsitzender der Makkabi-Deutschland-Jugend. Ein Gespräch über Respekt, neue Räume für Resilienz und interreligiöse Zusammenarbeit

von Helmut Kuhn  23.10.2025