Frankfurt

Mit dem Tablet durch die Ausstellung

»Anne Frank. Morgen mehr?« Unter diesem Motto hat die Bildungsstätte Anne Frank am 89. Geburtstag ihrer Namensgeberin ein neu konzipiertes interaktives Lernlabor eröffnet. Knapp 160 Gäste sind in die gänzlich umgestaltete Bildungsstätte gekommen, deren Angebot sich vor allem an Jugendliche richtet. Für den Anne Frank Fonds reiste aus Basel Yves Kugelmann an. Zahlreiche Kommunal- und Landespolitiker sowie Vertreter der Stadtge­sellschaft nahmen an der feierlichen Er­öffnung teil. Auch die Frankfurter Gemeinderabbiner Avichai Apel und Julian-Chaim Soussan waren unter den Gästen.

»Wir sind kein Museum«, betonte Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, in seiner Begrüßung. Das neue Lernlabor sei vielmehr »eine Spielwiese, ein Experimentierfeld für Gegenwart und Vergangenheit«. Die Besucher gehen auch nicht durch eine herkömmliche Ausstellung und schauen sich Exponate an, sondern erhalten Tablets, die sie an einzelnen Stationen zum Dialog aktivieren.

Konzept Die Bildungsstätte möchte damit vor allem Jugendliche in ihrer Lebenswelt erreichen. Die Botschaft des neuen Lernlabors laute »Deine Meinung zählt!«, sagte Mendel. Es möchte sein Publikum herausfordern, irritieren – und dies teils mit provozierenden Fragen. Unter dem Motto »Mensch, du hast Recht(e)!« fragt es unter anderem: »Was ist Rassismus?« oder »In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Mach’ dir Gedanken über Alternativen«.

»Leider ist es wieder so weit: Die Erinnerung an die deutsche Vergangenheit und die Schoa wird leichthin weggewischt, aufgerechnet und relativiert«, beklagte Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann. Daher sei es wichtig, Anne Franks Tagebuch immer wieder neu zu lesen. »Wir haben in dieser Stadt keinen Platz für Antisemitismus, Diskriminierung, Ausgren­zung, Islamophobie und irgendeine Art von Ausländerfeindlichkeit«, betonte der SPD-Politiker.

Ein Grußwort sprach auch Stefan Zierke, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, das die Neu-
gestaltung der Bildungsstätte finanziell förderte. Unter anderem hob er die Bedeutung von Zeitzeugen hervor. Zierke würdigte die Schoa-Überlebende Trude Simonsohn, die ebenfalls am Festakt in Frankfurt teilnahm. »Die Bildungsstätte gehört einfach zu mir, und ich gehöre zu ihr«, sagte Simonsohn in einer Gesprächsrunde. Sie machte deutlich, wie wichtig es ist, dass Zeitzeugen über das Erlebte sprechen können. »Wir werden nicht mehr lange da sein«, mahnte die 1921 geborene Frankfurter Ehrenbürgerin.

Vorurteile Da es in Zukunft keine Möglichkeiten mehr gebe, Überlebende des Holocaust zu treffen, müssten neue Lehrmethoden die Ermordung der europäischen Juden vermitteln, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. »Wichtig ist insbesondere in der heutigen Zeit zu zeigen, wohin Vorurteile und blinder Hass führen können – nämlich zu Ausgrenzung, Verfolgung und Vernichtung.« Zu seinen persönlichen Erfahrungen befragt, die er in den späten 60er-Jahren als Heranwachsender gemacht habe, sagte Schuster: »Antisemitismus ist mir als Kind und Jugendlicher nicht begegnet.« In seiner Familie habe man indes über die Schoa gesprochen: »Es war kein Thema, das bewusst beschwiegen wurde.«

»Ich wurde in meiner Schulzeit mit Anne Frank konfrontiert«, sagte Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland. »Ich war fasziniert von ihrer Biografie«, fügte er hinzu. Mazyek lobte die Bildungsstätte Anne Frank für die Einbeziehung von Menschen muslimischen Glaubens in ihre Arbeit. Solche Einrichtungen seien ein Beispiel dafür, dass Juden und Muslime zusammenarbeiten können, sagte Aiman Mazyek.

Für die musikalische Begleitung sorgte der philharmonische Verein der Sinti und Roma mit Musikern des Kur-Sinfonieorchesters Bad Nauheim mit Stücken von Wolfgang Amadeus Mozart zu Beginn und am Ende des Festakts. Im Anschluss an die Feier bekamen die Gäste die Gelegenheit, das neue Lernlabor auszuprobieren, was auf reges Interesse stieß. Es bleibt zu hoffen, dass das neue Lernangebot möglichst vielen Jugendlichen hilft, Anne Franks Lebensgeschichte kennenzulernen, aber auch differenziert über Antisemitismus, Diskriminierung und Verfolgung in der Gegenwart nachzudenken.

www.bs-anne-frank.de

Berlin

Zentralrat der Juden begeht sein 75. Jubiläum

Die Dachorganisation der jüdischen Gemeinden lud zahlreiche Gäste aus Politik und Zivilgesellschaft nach Berlin. Der Bundeskanzler hielt die Festrede

von Imanuel Marcus  17.09.2025

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  17.09.2025

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Auszeichnung

Düsseldorfer Antisemitismusbeauftragter erhält Neuberger-Medaille

Seit vielen Jahren setze sich Wolfgang Rolshoven mit großer Entschlossenheit gegen Antisemitismus und für die Stärkung jüdischen Lebens in Düsseldorf ein, hieß es

 16.09.2025

Erinnerung

Eisenach verlegt weitere Stolpersteine

Der Initiator des Kunst- und Gedenkprojekts, Gunter Demnig aus Köln, die Stolpersteine selbst verlegen

 16.09.2025

Porträt der Woche

Passion für Pelze

Anita Schwarz ist Kürschnerin und verdrängte lange das Schicksal ihrer Mutter

von Alicia Rust  16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Erstes Konzert in Magdeburger Synagoge

Die Synagoge war im Dezember 2023 eröffnet worden

 15.09.2025

Thüringen

Jüdisches Bildungsprojekt »Tacheles mit Simson« geht erneut auf Tour

Ziel des Projektes sei es, dem Aufkommen von Antisemitismus durch Bildung vorzubeugen, sagte Projektleiter Johannes Gräser

 15.09.2025