Berlin

Lichtblick Bundeswehr

Rabbiner Konstantin Pal lächelt: Er ist dort, wo er schon lange sein wollte – im Militärrabbinat. Damit sei für ihn ein Traum in Erfüllung gegangen, sagt er nach einer kleinen Zeremonie am dritten Abend von Chanukka im neuen Militärrabbinat der Bundeswehr, in deren Rahmen Pals Verbeamtung gefeiert wurde. Das Judentum scheint damit nun endgültig bei den deutschen Streitkräften angekommen zu sein.

Pal wurde in Moskau geboren. Mit zehn Jahren kam seine Familie mit ihm nach Berlin. Das war 1989, drei Monate, bevor die Mauer fiel. Eine Berliner Kindheit. Jahre später, im Studium, hatte Pal »wichtige Lehrer«. Einer davon, ein Rabbiner aus den Vereinigten Staaten, erzählte ihm, wie toll seine Zeit als Seelsorger bei der U.S. Navy gewesen sei. Dies war der Moment, in dem Konstantin Pals Wunsch erwachte, als Rabbiner zur Bundeswehr zu gehen.

seelsorge Das Problem: Es gab damals weder ein Militärrabbinat noch entsprechende Pläne, ein solches einzurichten. Um dem Wunsch ein bisschen näherzukommen, machte Pal 2004 ein Praktikum in der katholischen Militärseelsorge bei einem Geistlichen, der bei der Marine tätig war.

»Ich bin sehr glücklich und unendlich dankbar.«

Rabbiner Konstantin Pal

Nun, weitere 18 Jahre später, war der Moment gekommen. »Ich habe es noch nicht richtig verarbeitet. Es ist ein wunderschönes Gefühl«, sagte Rabbiner Pal. »Ich bin sehr glücklich und unendlich dankbar dafür, dass ich diesen Weg gehen kann.« Seit sechs Monaten ist Konstantin Pal bei der Bundeswehr. Die Reaktionen der Soldatinnen und Soldaten seien »überwiegend positiv«, so der Rabbiner. Er ist Teil eines bisher überschaubaren, aber wachsenden Teams. Bald wird er sein Gelöbnis ablegen.

Einsatz Insgesamt sind derzeit vier Rabbiner für die Bundeswehr tätig. Militärbundesrabbiner Zsolt Balla leitet die jüdischen Seelsorger an. Bisher sind es drei, darunter Pal, ein Kollege mit ukrainischen Wurzeln am Standort Leipzig sowie ein israelischer Rabbiner, der meistens zwischen Bremen und Hamburg pendelt. Noch gab es keine Auslandseinsätze für die Bundeswehr-Rabbiner, was sich aber jederzeit ändern kann.

»Mit der Verbeamtung eines jüdischen Militärseelsorgers haben wir einen neuen Meilenstein erreicht«, erklärte Rabbiner Balla. »Dies bedeutet eine neue Ebene des Vertrauens, die den Soldatinnen und Soldaten hilft, sich mit der jüdischen Militärseelsorge zu verbinden, und einen weiteren bedeutenden Schritt zur Etablierung unserer Behörde, nicht um ihrer selbst willen, sondern für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr.«

Brigadegeneral Marcus Ellermann vom Bundesministerium der Verteidigung ist über die jüngste Entwicklung im neuen Militärrabbinat erfreut: »Wir sprechen ja heute viel von ›Zeitenwende‹«, sagte Ellermann. »Ich würde sagen, es ist ein großer Schritt für unsere Organisation. Ich bin sehr stolz, dabei gewesen zu sein, und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.«

Zeremonie Das Militärrabbinat der Bundeswehr hat auch nichtjüdische Mitglieder, die sich um die Verwaltung, Organisation und Technik kümmern. Drei von ihnen waren bei der kleinen Feier dabei, probierten Sufganiot und hörten die Lieder. Für Angelika Günzel, die Dienststellenleiterin des Militärrabbinats, ist die Verbeamtung der Militärrabbiner »ein großer Schritt«, erklärte sie während der Zeremonie.

Einerseits könne man an das Feld­rabbinat im Ersten Weltkrieg anknüpfen, andererseits gebe es eine ganz andere Struktur als damals. Früher sei staatliche Unterstützung im engeren Sinne nicht vorhanden gewesen. Heutzutage gehe es um Gleichberechtigung, die auch daran erkennbar sei, dass jüdische Militärseelsorger nun verbeamtet würden, wie dies auf der christlichen Seite der Fall sei.

Es gebe einerseits »eine besondere Loyalität des Staates gegenüber der jüdischen Militärseelsorge«, aber natürlich auch »eine besondere Loyalitätsverpflichtung unsererseits gegenüber dem Staat«, erklärte Günzel, die bis 2021 Professorin für Staatsrecht und Politik an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung war. Jüdische Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr sind nun gleichgestellt.

unterzeichnung Vor drei Jahren, am 20. Dezember 2019, wurden während des Gemeindetags des Zentralrats der Juden in Berlin die Voraussetzungen für die Ernennung von Militärrabbinern geschaffen – zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik. In Berlin unterzeichneten die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, einen Militärseelsorgestaatsvertrag. Acht Monate zuvor hatte Kramp-Karrenbauers Vorgängerin Ursula von der Leyen angekündigt, dass es Militärrabbiner in der Bundeswehr geben werde.

Neben der Gleichberechtigung und der Tatsache, dass es Ansprechpartner für jüdische Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten geben musste, können nichtjüdische Soldaten nebenbei von den Militärrabbinern über Traditionen oder jüdisches Leben heute lernen.

»Mit der Verbeamtung nimmt das Militärrabbinat weiter Konturen an.«

Zentralratspräsident Josef Schuster

Mit der Einführung Zsolt Ballas in das Amt des Militärbundesrabbiners am 21. Juni 2021 soll jüdisches Leben in der Bundeswehr immer präsenter werden. Innerhalb des Militärrabbinats wird auf religiöse Vielfalt geachtet. Zsolt Balla ist ein orthodoxer Rabbiner, Konstantin Pal ein liberaler.

Ausland »Mit der Verbeamtung von Rabbiner Pal nimmt das Militärrabbinat weiter Konturen an«, erklärte Josef Schuster zur Verbeamtung des ersten Militärrabbiners. Die jüdische Gemeinschaft sei stolz darauf, dass das Militärrabbinat damit einen weiteren Schritt gehe »hin zu einer selbstverständlichen Beteiligung an der Begleitung der Bundeswehr in Auslandseinsätzen und bei Dauereinsatzaufgaben, auch im Rahmen der Bündnisverteidigung«.

Schuster betonte: »Die Institution hat eine große Geschichte, die von herausragenden Persönlichkeiten wie Rabbiner Leo Baeck sel. A. geprägt worden ist.« Daran gelte es anzuknüpfen. »So wird das Militärrabbinat – gleichwertig zur evangelischen und katholischen Militärseelsorge – die Soldaten in ihren ethisch und moralisch herausfordernden Situationen in ihren Einsätzen unterstützen.«

Für Rabbiner Konstantin Pal ist dieses dritte Chanukkalicht ein besonderes. Dass er das Militärrabbinat mit aufbauen kann und sich dafür einsetzt, dass jüdische Soldaten auch militärseelsorgerisch unterstützt werden, macht ihn froh.

Berlin

Zentralrat der Juden begeht sein 75. Jubiläum

Die Dachorganisation der jüdischen Gemeinden lud zahlreiche Gäste aus Politik und Zivilgesellschaft nach Berlin. Der Bundeskanzler hielt die Festrede

von Imanuel Marcus  17.09.2025

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  17.09.2025

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Auszeichnung

Düsseldorfer Antisemitismusbeauftragter erhält Neuberger-Medaille

Seit vielen Jahren setze sich Wolfgang Rolshoven mit großer Entschlossenheit gegen Antisemitismus und für die Stärkung jüdischen Lebens in Düsseldorf ein, hieß es

 16.09.2025

Erinnerung

Eisenach verlegt weitere Stolpersteine

Der Initiator des Kunst- und Gedenkprojekts, Gunter Demnig aus Köln, die Stolpersteine selbst verlegen

 16.09.2025

Porträt der Woche

Passion für Pelze

Anita Schwarz ist Kürschnerin und verdrängte lange das Schicksal ihrer Mutter

von Alicia Rust  16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Erstes Konzert in Magdeburger Synagoge

Die Synagoge war im Dezember 2023 eröffnet worden

 15.09.2025

Thüringen

Jüdisches Bildungsprojekt »Tacheles mit Simson« geht erneut auf Tour

Ziel des Projektes sei es, dem Aufkommen von Antisemitismus durch Bildung vorzubeugen, sagte Projektleiter Johannes Gräser

 15.09.2025