Benzi Brofman hat sich schon mal warm gesprüht. Gerade erst hat der israelische Graffiti-Künstler mit Schülern an der Thomas-Morus-Schule in Osnabrück ein 100-Quadratmeter-Bild geschaffen. Auf dem Jüdischen Kulturfestival bietet der Überlebende des Nova-Festivals, der seitdem auf aller Welt mit seiner Kunst unter anderem an die Opfer des 7. Oktober 2023 erinnert, einen Workshop über die Sprühkunst an. Der sei allerdings schon ausverkauft, sagt der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Michael Grünberg. Mit Freude, denn welches Festival kann gleich beim ersten Mal solch ein großes Interesse vorweisen?
Genau, Osnabrück gibt sein Festival-Debüt. Und im Programm geht es auf hohem Niveau weiter. Star-Bassist Avishai Cohen und Sängerin Marina Maximilian sind mit dabei, kleine Diktatoren und große Dichterinnen stellen sich vor, Konzerte, Kunst, Lesungen, Kino und ein Stadtrundgang laden dazu ein, den Ort und seine Menschen besser kennenzulernen. Und natürlich gibt es auch gutes Essen.
Rund 20 Veranstaltungen an vier Tagen
Mit rund 20 Veranstaltungen an vier Tagen feiert die Friedensstadt Osnabrück die Vielfalt des jüdischen Lebens und seiner Kultur und bietet einen dringend nötigen Durchatmer. Es solle nicht nur um Antisemitismus und den Nahostkonflikt gehen, sagt Grünberg, sondern um Kultur und Verbindendes, positive Gedanken.
Das findet auch der Festival-Intendant Avi Toubiana: »Wir lieben und feiern das Leben. Wir lieben es zu lachen«, sagt der Organisator, der auch die Jüdischen Kulturtage Berlin leitet. Und schiebt nach: »Jüdische Kultur ist viel mehr als nur Klezmer.« Also gibt es Jazz von Cohen & The Hebrew Book Band, Klassik-Folklore-Fusion vom Sirba Octet und Marlene-Dietrich-Songs mit Marina Maximilian – die viele tatsächlich aus Fauda kennen, wo sie eine knallharte Agentin gespielt hat.
Womit wir beim Kino sind, das unter anderem mit Kinderabenteuern (Sky Raiders), koscherem Familienstress (Seven Blessings) und lustig-kriminellen Rentnern (Greener Pastures) lockt, von denen Israels Bildschirm-Liebling Dov Glickman (Zehu Ze!, Shtisel) einen spielt. Die Filme sind allesamt auf Hebräisch mit Untertiteln zu sehen. Auf Deutsch läuft das beeindruckende Drama Irenas Geheimnis über den menschlichen Mut in unmenschlichen Zeiten.
Gedichte über Liebe, Sehnsucht, Verlust und Heimatlosigkeit
Poetisch wird es für Kinder und Erwachsene in der Lesung über Mascha Kaléko, deren Gedichte über Liebe, Sehnsucht, Verlust und Heimatlosigkeit einfach zeitlos und wunderschön sind. Die Autorin Susanne Schädlich wiederum spricht über die Helden ihres Buchs Kabarett der Namenlosen, deutsch-jüdische Emigranten, die, in Deutschland noch berühmt, im Fluchtland USA plötzlich ganz von vorn beginnen müssen, »namenlos« eben, im Los Angeles von 1939 bis 1945.
Der Autor, Lektor und Literaturwissenschaftler Thomas Sparr bietet gleich zwei Veranstaltungen über Anne Frank, eine über die Geschichte des berühmtesten Tagebuchs der Welt, die andere über die Verbindung der Familie Frank nach Osnabrück. Und auch der israelische Bestsellerautor und Punkmusiker Assaf Gavron kommt in die Stadt, um zwei seiner irrwitzigen Erzählungen vorzulesen und ein paar Fragen zu beantworten.
Im Felix-Nussbaum-Haus erfahren Interessierte bei einer Führung alles über den Maler der Neuen Sachlichkeit, und beim Stadtrundgang geht es auf Zeitreise ins 13. Jahrhundert, als Osnabrücks erste jüdische Gemeinde entstand, die leider keine leichte Zeit vor sich hatte. Wie gut tut da der Sprung in die künstlerische Gegenwart von Sprayer Benzi Brofman, der sich mit seinen Werken immer wieder für Menschenrechte und gegen Diskriminierung jeglicher Art einsetzt. Vielleicht gibt es ja eine Workshop-Zugabe.
»Wir haben ein gutes Team«, freut sich Grünberg. Und ein exzellentes Programm, das in nur einem Jahr auf die Beine gestellt wurde. Mehr davon!
Jüdisches Kulturfestival Osnabrück, vom 4. bis 7. September