Weimar

Judentum: Die nächste Generation

Der Slogan klingt nach Aufbruch, nach Jugend, und er klingt nach Erfolg. »Jews, we can« ist dem Wahlkampfmotto von Barack Obama entlehnt, und das galt auch am Wochenende in Weimar für den jüdischen Jugendkongress. Zur gleichen Zeit und am gleichen Ort wie die Ratsversammlung demonstrierten die rund 300 Teilnehmer, dass es wirklich ein junges, aktives und sehr lebendiges Judentum in Deutschland gibt.

Und ein kritisches Judentum. »Ich war das erste Mal auf einem solchen Kongress«, sagt Lea*. »Die Workshops haben hier gezeigt, dass es in den Gemeinden Probleme gibt«, sagt die junge Frau und nennt als Beispiel die Giurim. »Wie gehen wir mit den Menschen um? Wie integriert man sie in das jüdische Leben? Oder vernachlässigt man sie?« Auch darüber wurde in Weimar diskutiert, doch zu Leas Enttäuschung ohne praktisches Ergebnis. »Eine wirkliche Antwort darauf haben wir auf diesem Jugendkongress nicht gefunden«, sagt sie, »generell waren die Workshops nicht sehr diskussionsfreudig«.

Spontanität Lea erhält Unterstützung von Simon*. »Ja, die Übertritte sind ein sehr großes Thema«, sagt er. Viele Zuwanderer kämen aus Ländern, in denen es geheißen hätte, wenn ein Vater jüdisch ist, dann ist es auch das Kind. »Die erfahren dann hier, dass das gar nicht so ist.« Was Lea und Simon unter den Nägeln brennt, stand gar nicht auf dem Programm des Jugendkongresses.

»Aber es wurde in der Diskussion mit Herrn Graumann angesprochen«, berichtet Simon. »Dann wurde Freitagabend spontan ein Schiur von einem Rabbiner dazu organisiert und Samstag dann auch in einem Workshop gefragt.« Mit dieser Spontanität, sich den Fragen und Problemen der Teilnehmer zu stellen, ist Simon sehr zufrieden. Und mit der Bereitschaft des Zentralrats der Juden, auf diese Fragen einzugehen, auch.

»Ich will mich einspüren, was ihr so denkt und fühlt«, hatte Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats, den Jugendlichen versprochen. Er stehe für ein Judentum, das weitgehend ohne Rituale und Routine auskomme, ausgestattet »mit einem Spirit und einem Bewusstsein, dass wir die ganz neue jüdische Gemeinschaft aufbauen wollen«. Zu dem neuen Spirit gehören auch die Facebook- und Twitter-Auftritte des Zentralrats. »Wir können nicht die jungen Menschen umwerben und dann ihre Medien ignorieren.«

Dialog Der Wille zum Dialog ist da, die neuen Medien auch, doch einige Voraussetzungen fehlen dennoch, findet Peter*. Der 23-jährige Münchner vermisst die richtigen Ansprechpartner. »Die Gemeinden waren nicht vertreten.« David* glaubt, dass das fehlende Engagement darin begründet liegt, dass die jüdischen Gemeinden durchgängig Mitgliedern seiner Altersgruppe zu wenig anbieten. Und in einer Großstadt wie Berlin, wo David lebt und wo es über 10.000 Gemeindemitglieder gibt, habe man andere Probleme. »Hier wollen sich viele Jugendliche nicht engagieren.« Wenn ein Jugendlicher mitmachen wolle, so David, »dann würde er gewählt werden«.

Roy kommt auch aus einer Großstadt, aus einer »behüteten Gemeinde«, wie er die Israelitische Kultusgemeinde München beschreibt. Der 28-Jährige stellt sich die Frage, wie die jüdische Gemeinschaft in zehn oder 15 Jahren aussieht: »Ist sie so organisiert wie heute? Oder haben die Menschen dann nicht mehr sehr viel gemein, um unter einem Dach organisiert zu sein?«

Wenn es nach Julia aus Limburg geht – »Ich bin eine der jüngsten Teilnehmerinnen« –, fällt die Antwort auf Roys Frage positiv aus: »Ich habe hier mehr verstanden, wer ich eigentlich bin und wo ich hingehöre.« Julia fügt hinzu: »Ich war sehr überrascht, dass die jüdische Jugend doch sehr aktiv ist – und auch sehr kritikfähig.«

Maria ist 20 Jahre alt, lebt in Darmstadt und macht ein Freiwilliges Soziales Jahr. Auch sie unterstreicht die Kritik, die viele Jugendliche an ihren Gemeinden üben. Doch lachend sagt sie: »Vor allem nehme ich mit: neue Bekanntschaften, und dass ich auf jeden Fall nächstes Jahr dabei bin.«

Sie wird dort wieder Peter treffen. Der Münchner lobt den »sozialen Aspekt« des Jugendkongresses. »Zum Schabbat nicht mit fünf Jugendlichen in der Gemeinde zu sein, sondern mit 20, 30, 40 Jugendlichen zusammen. Das war toll.«

* Name von der Redaktion geändert

Berlin

Unter die Haut

Der Künstler Gabriel Wolff malt, formt und tätowiert »jüdische Identität

von Alicia Rust  15.06.2025

Porträt der Woche

Zwischen den Welten

Ruth Peiser aus Berlin war Goldschmiedin, arbeitete bei einer Airline und jobbt nun in einer Boutique

von Gerhard Haase-Hindenberg  15.06.2025

Berlin

»Drastisch und unverhältnismäßig«

Die Jüdische Gemeinde erhöht die Gebühren ab September deutlich. Betroffene Eltern wehren sich mit einer Petition

von Christine Schmitt  12.06.2025

Hamburg

Kafka trifft auf die Realität in Tel Aviv

Ob Krimi, Drama oder Doku – die fünften Jüdischen Filmtage beleuchten hochaktuelle Themen

von Helmut Kuhn  12.06.2025

Weimar

Yiddish Summer blickt auf 25 Jahre Kulturvermittlung zurück

Zwischen dem 12. Juli und 17. August biete die internationale Sommerschule für jiddische Musik, Sprache und Kultur in Weimar diesmal insgesamt über 100 Programmbausteine an

von Matthias Thüsing  11.06.2025

Sachsen

Verdienstorden für Leipziger Küf Kaufmann

Seit vielen Jahren setze er sich für den interreligiösen Dialog und den interkulturellen Austausch von Menschen unterschiedlicher Herkunft ein

 11.06.2025

Oldenburg

Brandanschlag auf Synagoge: Beschuldigter bittet um Entschuldigung

Am 5. April 2024 war ein Brandsatz gegen die massive Tür des jüdischen Gebetshauses in der Leo-Trepp-Straße geworfen worden

 11.06.2025

Erinnerung

731 Schulen erinnern an Anne Frank

Der Aktionstag findet seit 2017 jährlich am 12. Juni, dem Geburtstag des Holocaust-Opfers Anne Frank (1929-1945), statt

 11.06.2025

Grand Schabbaton

Eine 260-köpfige Familie

In Potsdam brachte der»Bund traditioneller Juden« mehrere Generationen zusammen

von Mascha Malburg  11.06.2025