EILMELDUNG! Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer (103) ist tot

Berlin

Jiddische Klänge in Mitte

Der jüdisch-polnische Arzt und Pädagoge Janusz Korczak hatte in seinem Waisenhaus auch ein Kinderorchester. Foto: Thinkstock

»Einzige Voraussetzung zum Mitmachen ist die Liebe zur Musik«, sagt Esther Tchlakichvili und schaut in die Runde. Vor ihr sitzen ein paar Kinder mit ihren Eltern. Einige haben ihre Musikinstrumente mitgebracht. Sie sind ungeduldig, wollen am liebsten gleich losspielen.

»Alle Kinder und Jugendlichen, die Lust und Freude am gemeinsamen Musizieren haben und gerne mehr über jiddische Kultur erfahren möchten, sind herzlich in unserem Orchester willkommen«, sagt Tchlakichvili. Die 22-jährige Studentin ist Jugendleiterin bei der Europäischen Janusz Korczak Akademie (EJKA). Ob man schon ein Instrument spielt oder erst eines erlernen möchte, ist nicht entscheidend. Sofern man zwischen acht und 20 Jahren alt ist und sich für Klezmermusik interessiert, kann man in dem neuen Orchester mitmachen.

bandbreite Seit dessen Gründung im vergangenen Herbst hat sich einiges getan. Jeden Sonntag finden Orchesterproben unter Leitung des Instrumentalpädagogen und Dirigenten Alexander Vinokurov statt. 15 Kinder mit Oboe, Geige, Gitarre, Klarinette und Klavier zählt das Orchester mittlerweile. Von dem russisch-jiddischen Klassiker »Tumbalalaika« über den Evergreen »Bei mir bist du schejn« bis hin zu Stücken des Modern Klezmer à la Giora Feidman soll die ganze Bandbreite des Klezmer einstudiert werden.

Inzwischen gab es auch schon erste Auftritte, etwa bei einer Chanukkafeier in der Gemeinde und beim Theaterstück »Blumkas Tagebuch« im deutsch-polnischen Sprachcafé. Im Sommer ist ein großes Abschlusskonzert geplant. Im April zu Pessach steht zudem eine gemeinsame Reise nach Israel auf dem Programm. Von dort habe man auch die Idee eines Klezmerorchesters speziell für junge Menschen übernommen, sagt EJKA-Leiterin Ella Nilova. »Die Initiative ›Beit ha-Musika‹ in Jerusalem hat vor einiger Zeit eine Jugend-Klezmerband gegründet – sie ist sehr erfolgreich«, sagt sie.

Da der jüdisch-polnische Arzt und Pädagoge Janusz Korczak in seinem Waisenhaus auch ein Kinderorchester hatte, habe man sich bei EJKA gedacht: »Lasst uns das doch einmal ausprobieren.«

fördergelder EJKA hat sich mit ihren Bildungsprogrammen auf die jüdische Jugend- und Erwachsenenbildung fokussiert. Neben regelmäßigen Veranstaltungen zum interreligiösen Dialog und Zeitzeugengesprächen organisiert der Verein seit mehreren Jahren mit dem »Jewish ArtEck« (J-ArtEck) auch ein internationales Sommercamp für russischsprachige jüdische Jugendliche im Alter von 13 bis 17 Jahren.

»Wir haben gemerkt, dass die Kinder bei unseren jährlichen Camp-Fahrten auch gerne jiddische Lieder singen – daher das Klezmerorchester«, meint Nilova. Sie ist sehr zufrieden, wie sich das Projekt entwickelt. Wenn zusätzliche Fördergelder gewonnen werden, werde es auch eine Fortsetzung über 2018 hinaus geben.

Anna Davidovitsch hält das Orchester für »eine super Sache«. »Schon zu Hause haben wir immer viel jiddische Musik und auch Klezmer gehört. Ich liebe diese Musik«, sagt die 17-jährige Schülerin. Zusammen mit ihrer kleinen Schwester Eva spielt sie im Orchester mit.

dialekt Die beiden stammen aus einer deutsch-russischen Familie und wohnen im Wedding. Die Mutter der beiden Mädchen ist jüdisch und kommt aus Russland. »Das Jiddische habe ich schon von klein auf in den Ohren. Unsere Oma mütterlicherseits spricht diese lustige Sprache, die einfach nur wie ein deutscher Dialekt klingt, als Muttersprache«, erzählt Anna.

Als ihr Musiklehrer Alexander Vinokurov, der sie bereits seit sieben Jahren unterrichtet, Anna von den Orchesterplänen erzählte, war die Schülerin gleich Feuer und Flamme. »Die Schönheit des Klezmer möchte ich gerne auch anderen Kindern vermitteln«, sagt sie.

Nachruf

Trauer um Holocaust-Überlebende Margot Friedländer 

Mit fast 90 kehrte Margot Friedländer zurück nach Berlin, ins Land der Täter. Unermüdlich engagierte sich die Holocaust-Zeitzeugin für das Erinnern. Nun ist sie gestorben - ihre Worte bleiben

von Caroline Bock  09.05.2025

Interview

Yorai Feinberg: »Die Wassermelone ist das Symbol von Judenhassern«

Der Restaurantbesitzer über den Wassermelonen-Eklat, die Welle des Antisemitismus, die regelmäßig das »Feinberg’s« trifft und über Zeichen der Solidarität

von Imanuel Marcus  09.05.2025

Berlin

Verleihung von Bundesverdienstkreuz an Margot Friedländer verschoben

Erst vor einem Monat erhielt die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer den Preis des Westfälischen Friedens. Die Verleihung einer weiteren hohen Auszeichnung findet kurzfristig jedoch nicht stat

 09.05.2025

Berlin

Margot Friedländer erhält Bundesverdienstkreuz

Erst vor einem Monat erhielt die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer den Preis des Westfälischen Friedens. Nun verleiht ihr der Bundespräsident die höchstmögliche Auszeichnung der Bundesrepublik

 09.05.2025

Interview

»Mir war himmelangst«

Die 96-Jährige Ruth Winkelmann überlebte die Novemberpogrome in Berlin. Bis heute geht sie in Schulen und spricht über ihr Schicksal - und darüber, was ihr den Glauben an die Menschheit zurückgegeben hat

von Nina Schmedding  09.05.2025 Aktualisiert

Urteil

Klage von jüdischem Erben gegen Sparkasse Hagen bleibt erfolglos

Der Großvater des Klägers hatte den Angaben zufolge 1932 ein Konto bei der Sparkasse in Hagen eröffnet und darauf Geld eingezahlt. Später floh er mit seiner Ehefrau in die Schweiz

 07.05.2025

Digitale Erinnerung

Neue App zeigt Deutschland-Karte mit Nazi-Verbrechen

Von 1933 bis 1945 haben die Nationalsozialisten Menschen enteignet, missbraucht, getötet. Die Untaten auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik versammelt eine neue App. Schon zum Start gibt es eine Erweiterungs-Idee

von Christopher Beschnitt  07.05.2025

Jom Haschoa

Geboren im Versteck

Bei der Gedenkstunde in der Münchner Synagoge »Ohel Jakob« berichtete der Holocaust-Überlebende Roman Haller von Flucht und Verfolgung

von Luis Gruhler  05.05.2025

Berlin/Potsdam

Anderthalb Challot in Apartment 10b

In Berlin und Potsdam beginnt am 6. Mai das Jüdische Filmfestival. Die Auswahl ist in diesem Jahr besonders gut gelungen

von Katrin Richter  05.05.2025