Oskar Schindler

»Jeder hatte eine Wahl«

Ein strahlender Held war Oskar Schindler nicht. Bereits vier Jahre vor dem Überfall der Nationalsozialisten auf die Tschechoslowakei 1939 hatte er im Auftrag der Deutschen spioniert, war der Sudetendeutschen Heimatfront und der NSDAP beigetreten und hatte polnische Uniformen für den fingierten Überfall auf den Sender Gleiwitz geschmuggelt, welcher den unmittelbaren Vorwand für den deutschen Überfall auf Polen bot. Auch seine Krakauer Fabrik, durch die Schindler über 1000 Juden als Zwangsarbeiter vor der Vernichtung retten konnte, fiel ihm durch Enteignung der ursprünglichen jüdischen Besitzer billig in die Hände.

Hinzu kommt, dass der nach Reichtum strebende Opportunist ein ausgesprochener Genussmensch war. Schindler war Alkoholiker, hatte zwei außereheliche Kinder und immer wieder mit gefälschten Papieren zu tun. »Lebemann und Lebensretter« betitelt deshalb die neu eröffnete Ausstellung im Sudetendeutschen Museum den erst durch Steven Spielbergs dreistündigen Monumentalfilm von 1993 der Weltöffentlichkeit bekannt gewordenen Schindler.

Mit seiner Krakauer Fabrik konnte Oskar Schindler über 1000 Juden retten.

»Das Label des ›Lebemanns‹ ist angesichts seiner notorisch unbedarften Einstellung gegenüber Geld und Frauen durchaus noch wohlwollend. Statt als großer Held erschien Oskar Schindler lange als kleines Licht«, betonte auch Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, in ihrem Grußwort im Adalbert-Stifter-Saal des Museums im Rahmen der Ausstellungseröffnung am Donnerstag vergangener Woche.

In den entscheidenden Momenten aber sei sein Handeln nicht mehr von jener Indifferenz bestimmt gewesen, welche die Unmenschlichkeit vieler anderer in dieser Zeit ausgemacht habe. Schindlers Biografie beweise auch die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen selbst unter schwierigsten Umständen, so die IKG-Präsidentin: »Niemand war verpflichtet, Unrecht zu tun. Jeder hatte eine Wahl. Jeder hatte die Freiheit, das Richtige zu tun. Und jeder konnte sich der Menschlichkeit verschreiben.«

Chronologisch angeordnete Exponate

Von der Ausstellung zeigte sich Knob­loch tief beeindruckt. Kurator Raimund Paleczek hatte sie zuvor durch die chronologisch angeordneten Exponate geführt. Mit der Kindheit Schindlers in der damals mehrheitlich deutschsprachigen Stadt Zwittau (heute Svitavy) beginnend, zeigt der Rundgang, dass bereits der junge Schindler ein beinahe väterliches Verhältnis zum ansässigen Rabbiner Felix Kanter besaß. Etwa zwölf jüdische Familien lebten als kleine Minderheit in der überwiegend katholischen Ortschaft.

Das Zentrum der Ausstellung, die anhand einiger symbolischer Objekte größere Zusammenhänge darstellt, bildet die originale Liste der jüdischen Insassen aus dem KZ-Außenlager Golleschau vom 29. Januar 1945. Über 80 Häftlinge waren unter nicht genau geklärten Umständen in Schindlers nach Brünnlitz verlegte Firma gelangt, die meisten von ihnen konnten gerettet werden. Die Liste selbst war eher zufällig an das Museum gelangt, wie Kuratorin Eva Haupt erklärte. Mitten in der Vorbereitung der Ausstellung musste deshalb umdisponiert werden.

Nachzulesen ist dort auch der von Schindlers Mitarbeitern Natan und Itzhak Stern unterzeichnete Schutzbrief vom 8. Mai 1945, welcher die Rettungstaten des Fabrikanten im Namen der überlebenden Juden beglaubigt. Nach dem Krieg konnte Schindler finanziell jedoch nicht mehr Fuß fassen, lebte erst mit seiner Frau Emilie in Argentinien und schließlich getrennt von ihr in Deutschland. 1967 wurde er von Yad Vashem als »Gerechter unter den Völkern« geehrt. Sein Todestag am 9. Oktober 1974 jährt sich in diesem Jahr zum 50. Mal.

Eröffnungsfeier der Ausstellung

Die Eröffnungsfeier der Ausstellung begleitete ein Streichtrio mit »Horra-Nigunim – Sieben jüdische Tanzweisen« des Komponisten Widmar Hader. Der Direktor des Sudetendeutschen Museums, Stefan Planker, zeigte sich in seiner Rede zur Begrüßung von der Bedeutsamkeit der Museumsarbeit überzeugt. Neben David Šimek, Bürgermeister von Svitavy, und dem Schauspieler Friedrich von Thun, der für die Ausstellung eine Rede Schindlers eingesprochen hat, waren auch die Nachkommen Regina Pemper, Nichte von Mietek Pemper, und Dana Stern, Großnichte von Itzhak Stern, zu Gast.

Im Jahr 1967 wurde er als »Gerechter unter den Völkern« geehrt.

Mietek Pemper hatte als Schreiber eines Lagerkommandanten Schindler mit Informationen versorgt und konnte schließlich durch Übernahme in dessen Firma gerettet werden. Er war es, der die bekannten Listen Schindlers auf der Schreibmaschine getippt hatte, wie der Vorstandsvorsitzende der Sudetendeutschen Stiftung, Ortfried Kotzian, in seinem Grußwort berichtete. Pemper hatte auch bei den Dreharbeiten zu Spielbergs Film beratend zur Seite gestanden und war 2008, zu Schindlers 100. Geburtstag, für ein Zeitzeugengespräch mit Kotzian in München zu Gast gewesen.

Dass die Ausstellung keine hagiografische Darstellung von Schindlers Leben sein könne, betonte auch der CSU-Politiker Bernd Posselt, zugleich Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft: Gerade Schindlers ungewöhnlicher Charakter habe dessen Rettungsaktionen erst möglich gemacht. Angesichts der heutigen politischen Lage drückte Posselt auch seine Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft und dem Staat Israel aus – der heutigen Rettungsinsel für jüdische Menschen in aller Welt.

Die Ausstellung ist bis zum 27. Oktober im Sudetendeutschen Museum zu sehen.

Jubiläum

»Eine Zierde der Stadt«: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in Berlin eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin eingeweiht. Am Dienstag würdigt dies ein Festakt

von Gregor Krumpholz, Nina Schmedding  11.11.2025

Vertrag

Jüdische Gemeinde Frankfurt erhält mehr Gelder

Die Zuwendungen durch die Mainmetropole sollen bis 2031 auf 8,2 Millionen Euro steigen

von Ralf Balke  11.11.2025

Berlin

Ein streitbarer Intellektueller

Der Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Publizist Micha Brumlik ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein persönlicher Nachruf

von Julius H. Schoeps  11.11.2025

Hannover

Ministerium erinnert an 1938 zerstörte Synagoge

Die 1938 zerstörte Neue Synagoge war einst mit 1.100 Plätzen das Zentrum des jüdischen Lebens in Hannover. Heute befindet sich an dem Ort das niedersächsische Wissenschaftsministerium, das nun mit Stelen an die Geschichte des Ortes erinnert

 10.11.2025

Chidon Hatanach

»Wie schreibt man noch mal ›Kikayon‹?«

Keren Lisowski hat die deutsche Runde des Bibelquiz gewonnen. Jetzt träumt sie vom Finale in Israel

von Mascha Malburg  10.11.2025

München

Gelebte Verbundenheit

Jugendliche engagieren sich im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes in den Einrichtungen der Israelitischen Kultusgemeinde

von Esther Martel  09.11.2025

Sport

»Die Welt spielt gerade verrückt«

Alon Meyer über seine Wiederwahl zum Makkabi-Präsidenten in ganz besonderen Zeiten, den enormen Mitgliederzuwachs und die Zukunft des jüdischen Sportvereins

von Helmut Kuhn  09.11.2025

Erlangen

Bald ein eigenes Zuhause

Nach jahrzehntelanger Suche erhält die Jüdische Kultusgemeinde ein Grundstück für den Bau einer Synagoge

von Christine Schmitt  09.11.2025

Erinnerung

Den alten und den neuen Nazis ein Schnippchen schlagen: Virtuelle Rundgänge durch Synagogen

Von den Nazis zerstörte Synagogen virtuell zum Leben erwecken, das ist ein Ziel von Marc Grellert. Eine Internetseite zeigt zum 9. November mehr als 40 zerstörte jüdische Gotteshäuser in alter Schönheit

von Christoph Arens  09.11.2025