Herr Toubiana, Sie waren vor mehr als 20 Jahren Jugendleiter und hatten damals eine Idee, deren Umsetzung nun jedes Jahr Tausende junge Jüdinnen und Juden glücklich macht: Sie sind der Initiator der Jewrovision. Wie erinnern Sie sich an den Anfang 2002?
Der damalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Dortmund, Zvi Rappaport, war selbst Musiker und Teil einer Band, die aus Richtern bestand. Das gesamte Band-Equipment dieser Gruppe war im Jugendzentrum untergebracht. Ich fragte an, ob wir die Instrumente auch für unsere Jugendarbeit nutzen dürften – mit dem Ziel, unseren Jugendlichen das Musizieren näherzubringen. Das war eigentlich die Geburtsstunde in der Form, dass wir etwas schaffen wollten. Als Jugendleiter für Westfalen-Lippe war ich verantwortlich für die jüdische Jugendarbeit in der gesamten Region.
Und – durften die Jugendlichen auf den Instrumenten der Richter-Band spielen?
Ja. Viele russische Jugendliche besuchten das Juze, die hatten natürlich alle eine Ahnung von Schach und vom Violine spielen, aber Instrumente wie Schlagzeug oder Saxofon, Gitarre waren ihnen unbekannt.
Und dann?
Der neue, große Gemeindesaal, der gerade fertiggestellt worden war, inspirierte meinen damaligen Madrich Kol Ronen Guttman und mich: Warum nicht eine eigene Jewrovision für unseren Landesverband Westfalen-Lippe veranstalten? Da ich selbst aus Düsseldorf stamme und dort Gemeindemitglied war, wollte ich auch die Gemeinden in Düsseldorf und Köln einbeziehen. Dann klinkte sich bei einem Gespräch zufällig Daniel Neubauer ein. Er war von der Idee begeistert und schlug vor, das Projekt deutschlandweit aufzuziehen, unter der Schirmherrschaft der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST).
So kam es zur ersten Jewrovison in Bad Sobernheim. Welche Kriterien sollten die Jugendlichen erfüllen?
Sie sollten die Veranstaltung selbst gestalten, die Songs sollten einen Bezug zum Jüdischsein oder zu Israel haben, und die Gewinnerstadt sollte im Folgejahr Austragungsort werden.
Sind Sie mitgefahren?
Oh ja, natürlich. Die Anreise war schon irre. Wir packten unsere Instrumente – Schlagzeug, Gitarren, Saxofone – in einen gemieteten Bus. Mit mehreren Jugendzentren reisten wir an. Münster trat mit einer eigenen Gruppe auf. Die Kinder und Jugendlichen aus Recklinghausen, Hagen, Gelsenkirchen und Bochum bildeten gemeinsam mit dem Jugendzentrum »Emuna Dortmund« ein starkes Team und traten unter dem Namen »Jugendzentrum EMUNA Dortmund« auf – und gewannen.
Was sprach für sie?
Unsere Chanichim hatten nicht nur gesungen und performt – sie hatten extra für dieses Event das Spielen von Instrumenten wie Klavier, Gitarre, Bass und Schlagzeug gelernt. Sie schrieben eigene Lieder, entwickelten Choreografien und führten alles mit großem Engagement und unglaublichem Teamgeist auf. Wir, die Madrichim, gaben ihnen lediglich die Motivation – alles andere kam von ihnen selbst. Ich war unglaublich stolz auf das, was sie geleistet haben. Und: Wir gewannen – ein unvergesslicher Moment! Motivation – alles andere kam von ihnen selbst.
Wie kam die Show bei den Kids an?
Die waren total begeistert, dass sie selbst experimentieren konnten. Es war einfach nur so ein leichter Anschubser. Und dann lief es von allein. Das war wirklich schön zu sehen. Wir waren die Einzigen, die mit Livemusik dabei gewesen sind. Wir waren eine Rockband. Die anderen tanzten und sangen sozusagen zur Musik aus der Konserve.
Seit 2013 ist der Zentralrat der Juden der Organisator. Nun findet die Jewro in Dortmund statt. Ihre Tochter tanzt für das Berliner Jugendzentrum »Olam« …
… zum zweiten Mal. Sie ist zwölf Jahre alt und total begeistert. Und als ich dann erzählt habe, dass ich quasi dahinterstand, war sie total perplex. Ich hoffe, mein Kalender lässt es zu, dass ich hinfahren kann.
Sind Sie mit der Entwicklung zufrieden?
Ich bin damit zufrieden, dass es ein riesiges Event und Highlight für jüdische Jugendliche geworden ist, und dass es die Integrität der jüdischen Jugendlichen gerade auch in diesen Zeiten stärkt. Das Einzige, was ich zu bemängeln hätte, ist, dass die Act-Gestaltung wieder mehr den Jugendlichen überlassen werden sollte.
Mit dem Geschäftsführer des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen und Intendanten der Jüdischen Kulturtage Berlin sprach Christine Schmitt.