Ehrung

»Es sollte nicht nur mein Kampf sein, sondern Ihrer«

In Mainz geehrt: Igor Levit Foto: picture alliance / epd-bild

Ehrung

»Es sollte nicht nur mein Kampf sein, sondern Ihrer«

Engagement gegen Antisemitismus: Igor Levit wurde mit der Buber-Rosenzweig-Medaille ausgezeichnet

 07.03.2024 10:41 Uhr

Standing Ovations gab es am Sonntag für den Pianisten Igor Levit – obwohl er überhaupt keinen Ton auf dem Flügel gespielt hatte. Zwei seiner Schüler begleiteten die von Gundula Gause (ZDF) moderierte Festveranstaltung musikalisch. Im Laufe der Veranstaltung am Sonntag im Kurfürstlichen Schloss in Mainz wurde Levit die Buber-Rosenzweig-Medaille verliehen. Neben ihm stand Rabbiner Andreas Nachama, der ihm die Medaille überreichte.

Der 36-jährige Pianist, der in Berlin lebt, fordert alle Menschen in Deutschland auf, unmittelbar und direkt auf judenfeindliche Vorfälle zu reagieren. Levit höre jeden Tag aus verschiedensten Richtungen, wie wichtig der Kampf gegen Antisemitismus sei, wie wichtig es sei, Haltung zu zeigen, und wofür alles kein Platz sein dürfe, sagte er bei der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille.

Aber wenn er diese hehren Worte glauben solle, so Levit, müsse eine Reaktion auf Judenhass »vor Ort und sofort erfolgen, auch wenn sie gegen das geplante Protokoll verstößt«. Dabei sei es schließlich egal, ob es sich um Vorfälle »auf der Bühne eines großen Kulturfestivals oder auf der Bühne des Bundeskanzleramts« handele.

Igor Levit rief alle zum Mitmachen auf

Wenn aber die Reaktion erst zwei Tage später erfolge, »durch vom Büro vorformulierte Statements, nachdem es einen Super-Shitstorm gegeben hat, und man fand alles ganz schrecklich zwei Tage vorher, dann glaube ich nicht so viel«. Levit nannte es »ein wenig absurd«, dass er als Jude für den Kampf gegen Judenhass geehrt werde, und rief alle zum Mitmachen auf: »Es sollte nicht nur mein Kampf sein, gegen Antisemitismus aufzustehen. Es ist vor allem Ihre Aufgabe.« Nur wenn alle Menschen zusammenstünden, könne eine demokratische Gesellschaft erhalten bleiben.

Levit erhielt die Auszeichnung im Rahmen der zentralen Eröffnungsfeier zum Jahr der christlich-jüdischen Zusammenarbeit (früher »Woche der Brüderlichkeit«). Bei der Veranstaltung würdigte der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR) Levits langjähriges Engagement »gegen jede Form der Menschenfeindlichkeit, seien es Antisemitismus, Rassismus oder andere Formen der Diskriminierung und für eine freie, demokratische und vielfältige Gesellschaft«.

Für den Künstler gehörten Musik und politisches Engagement zusammen. Er sei ein Ausnahmekünstler, der sich nicht einschüchtern lasse und die Würde und Freiheit jedes Einzelnen in den Mittelpunkt stelle, hieß es weiter: »Nach dem größten Massaker an Jüdinnen und Juden seit dem Ende der Schoa am 7. Oktober 2023 hat Igor Levit mit Solidaritätskonzerten, Demonstrationen und Besuchen in Israel seine Stimme erhoben gegen das Schweigen der Mehrheitsgesellschaft.«

Der Pianist nannte die Auszeichnung eine große Ehre

Igor Levit selbst nannte es eine große Ehre, die Medaille zu erhalten, und rief zum gemeinsamen Kampf gegen alle Formen von Judenhass auf: »Am Ende wird sich auch an dieser Frage entscheiden, ob unsere freie Gesellschaft und unsere liberale Demokratie frei und liberal bleiben oder nicht.«

Der Ausnahmekünstler wurde 1987 in der Sowjetunion geboren. Als er acht Jahre alt war, siedelte seine Familie nach Hannover über. Der Pianist gibt weltweit Konzerte und positioniert sich immer wieder gegen Extremismus, für Menschenwürde oder Klimaschutz.

Die Buber-Rosenzweig-Medaille würdigt seit 1968 Verdienste um eine Verständigung zwischen Christen und Juden. Sie ist nach den jüdischen Philosophen Martin Buber (1878–1965) und Franz Rosenzweig (1886–1929) benannt.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) forderte bei der Festveranstaltung am Sonntag dazu auf, dem Beispiel Igor Levits zu folgen und sich auch zu engagieren: »Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sind ein Verrat an unserer freiheitlichen Demokratie.« kna/ja

Bayern

Merz kämpft in wiedereröffneter Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  15.09.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Erstes Konzert in Magdeburger Synagoge

Die Synagoge war im Dezember 2023 eröffnet worden

 15.09.2025

Thüringen

Jüdisches Bildungsprojekt »Tacheles mit Simson« geht erneut auf Tour

Ziel des Projektes sei es, dem Aufkommen von Antisemitismus durch Bildung vorzubeugen, sagte Projektleiter Johannes Gräser

 15.09.2025

Essen

Festival jüdischer Musik mit Igor Levit und Lahav Shani

Der Festivalname »TIKWAH« (hebräisch für »Hoffnung«) solle »ein wichtiges Signal in schwierigen Zeiten« setzen, hieß es

 15.09.2025

Berlin

Margot Friedländer Preis wird verliehen

Die mit insgesamt 25.000 Euro dotierte Auszeichnung gehe an Personen, die sich für Toleranz, Menschlichkeit, Freiheit und Demokratie einsetzen

 15.09.2025

München

»In unserer Verantwortung«

Als Rachel Salamander den Verfall der Synagoge Reichenbachstraße sah, musste sie etwas unternehmen. Sie gründete einen Verein, das Haus wurde saniert, am 15. September ist nun die Eröffnung. Ein Gespräch über einen Lebenstraum, Farbenspiele und Denkmalschutz

von Katrin Richter  14.09.2025

Hamburg

»An einem Ort getrennt vereint«

In der Hansestadt soll die Bornplatzsynagoge, die in der Pogromnacht von den Nazis verwüstet wurde, wiederaufgebaut werden. Ein Gespräch mit dem Stiftungsvorsitzenden Daniel Sheffer über Architektur, Bürokratie und Räume für traditionelles und liberales Judentum

von Edgar S. Hasse  13.09.2025

Meinung

»Als Jude bin ich lieber im Krieg in der Ukraine als im Frieden in Berlin«

Andreas Tölke verbringt viel Zeit in Kyjiw und Odessa – wo man den Davidstern offen tragen kann und jüdisches Leben zum Alltag gehört. Hier schreibt er, warum Deutschland ihm fremd geworden ist

von Andreas Tölke  13.09.2025

Porträt der Woche

Das Geheimnis

Susanne Hanshold war Werbetexterin, Flugbegleiterin und denkt über Alija nach

von Gerhard Haase-Hindenberg  13.09.2025