CCC-Filmstudios

Erfolgsstory seit 70 Jahren

Neue Ära: Filmproduzentin Alice Brauner leitet jetzt die CCC-Studios. Foto: Gregor Zielke

CCC-Filmstudios

Erfolgsstory seit 70 Jahren

Alice Brauner führt das Erbe ihres Vaters fort und setzt neue Akzente

von Philipp Fritz  07.10.2016 16:00 Uhr

Fast jeder, der sich mit den CCC-Filmstudios (Central Cinema Company) beschäftigt, kennt die Geschichte ihres Gründers: Artur Brauner, geboren in Lodz, Holocaust-Überlebender, kommt nach dem Krieg mit nur einem Koffer in Berlin an – in der Stadt, in der die Judenvernichtung geplant wurde. 49 seiner Familienangehörigen wurden ermordet.

Startgeld Jetzt möchte er Filmemacher werden, benötigt für sein erstes Projekt jedoch Geld. Was also tun? Er überredet seine Schwiegermutter, ihm ihren geliebten Pelzmantel zu überlassen, sodass er ihn verkaufen kann. Brauner bekommt dafür das Startgeld für den Dreh. Seine Stärken zeigen sich bereits in dieser Episode: Wille und Überzeugungskraft. Damit soll er später auch Fritz Lang aus dem amerikanischen Exil nach Deutschland zurückgeholt haben. Mehr als 700 Filme wurden bis heute von CCC produziert, darunter 230 eigene Kinofilme, oft in den Hallen in Berlin-Haselhorst.

Am 23. September wurde das nun 70-jährige Bestehen der Studios gefeiert. Artur Brauner, heute 98 Jahre alt, hatte geladen, und die Größen des deutschen Films kamen, darunter Armin Mueller-Stahl, Hannelore Elsner, Carolina Vera und Götz Otto. Auch der israelische Botschafter Yakov Hadas-Handelsman war unter den Gästen. Würden Romy Schneider und Rainer Werner Fassbinder noch leben, mit denen Artur Brauner zusammengearbeitet hat, wären wohl auch sie dabei gewesen.

familienunternehmen Organisiert hat das Spektakel Artur Brauners Tochter Alice, die seit zehn Jahren hauptverantwortlich die Geschäfte von CCC leitet. Die ehemalige Journalistin und promovierte Historikerin sitzt in der Lobby des Hollywood Media Hotels auf dem Kurfürstendamm, die Zimmer tragen Namen von deutschen und internationalen Kinostars, an den Wänden hängen Filmplakate. »Es war ein großartiges Fest«, sagt sie. »440 Gäste waren bei uns in der Studiohalle, die letzten sind erst um halb fünf in der Früh gegangen.«

Alice Brauner ist sichtlich stolz auf ihr Familienunternehmen, darauf, dass die CCC-Studios die ältesten noch bestehenden Filmstudios Deutschlands sind und der Betrieb weiterhin gut läuft. Und sie ist froh, dass die Jubiläumsfeier glatt über die Bühne gegangen ist, denn kurz zuvor gab es ein paar Probleme: Den Studios drohte, Wasser und Strom abgedreht zu werden; Ein Grundstück nebenan, unter dem die Leitungen verlaufen, sollte bebaut werden. Planungen für Filmproduktionen waren in Gefahr.

Brauner hatte vor, ein anderes anliegendes Grundstück zu kaufen, 4400 Quadratmeter groß, um die Versorgung sicherzustellen. Dafür musste sie mit dem Senat verhandeln. »Das Ganze zog sich allerdings hin«, erzählt sie. Brauner war hartnäckig, schrieb Briefe, telefonierte. »Letztlich ist alles gut gegangen, ich kann mich eigentlich nicht beklagen, manchmal mahlen die Mühlen der Verwaltung eben etwas langsamer.«

Netflix-Serie
Und Alice Brauner weiß noch mehr Gutes zu berichten: »Der gesamte Studioanteil der ersten deutschen Netflix-Serie wird komplett bei uns gedreht«, sagt sie. Der amerikanische Streamingdienst lässt immer wieder aufsehenerregende Serien produzieren, für ein Studio ist das ein Glücksfall. »So eine Serie bedeutet eine Auslastung von drei bis fünf Monaten, so können wir planen.«

Bereits im Dezember wird in den CCC-Studios aufgebaut, im Januar dann sollen die Dreharbeiten für Dark beginnen, so der Titel, viel mehr wird über die Serie noch nicht bekannt gegeben. Alice Brauner kann sich vorstellen, dass nach der ersten Staffel noch weitere bei ihr gedreht werden. »Wir hatten bereits Serien, die liefen acht oder neun Jahre«, sagt sie.

Studiomiete CCC verdient auf dreierlei Art Geld: zum einen, indem die Studios vermietet, die alten Klassiker national und international vermarktet und schlussendlich eigene Filme produziert oder koproduziert werden. So habe sie es etwa bei der Serie Götter wie wir gemacht, erzählt Brauner. Sie erlässt dann einen Teil der Studiomiete, kann dafür manchmal kreativ mitreden und wird an bestimmten Einnahmen beteiligt.

Für dieses Prinzip ist auch das Studio Babelsberg bekannt, das internationale Großproduktionen wie Grand Budapest Hotel von Wes Anderson oder Cloud Atlas vom Tom Tykwer nach Potsdam bringt. Als Konkurrenz zum Studio Babelsberg sieht sich Brauner nicht. »Wir können friedlich nebeneinander existieren«, sagt sie. Das Studio Babelsberg hat eine andere Klientel.

Dass die CCC-Studios viel Aufmerksamkeit bekommen und bekannt sind nicht nur für großes, sondern auch für wichtiges und notwendiges Kino, darauf wurde während der Jubiläumsfeier hingewiesen. In einer Rede erinnerte Bernhard Servatius, ehemaliges Axel-Springer-Aufsichtsratsmitglied, daran, dass Artur Brauner 24 Filme zum Thema Holocaust verantwortet.

morituri Der erste war 1947 Morituri, der damals, nur zwei Jahre nach dem Krieg, den Deutschen den Spiegel vorhielt und ungeschönt die Vernichtungsmaschinerie der Lager zeigte. An den Kassen fiel der Film damals durch, es gab sogar Buhrufe, Zuschauer verließen empört die Kinosäle. Artur Brauner erklärte dies in einem späteren Interview einmal damit, dass 90 Prozent der Deutschen zu der Zeit noch Nazis gewesen seien oder ihnen nahestanden.

1990 kam Hitlerjunge Salomon der polnischen Regisseurin Agnieszka Holland in die Kinos, produziert von CCC. Auch wenn es in Deutschland wegen der angeblich schwachen schauspielerischen Leistungen Kritik an dem Film gab, so bekam er international weitgehend gute Rezensionen; die wahre Geschichte von Sally Perel, der als Jude Mitglied der Hitlerjugend wurde und den Krieg überlebte, gewann einen Golden Globe. Heute werden Produktionen wie Morituri oder Hitlerjunge Salomon gelobt, die Produzentenlegende Artur Brauner genießt große Anerkennung, und die Berliner nennen ihn liebevoll »Atze«.

Tochter Alice führt das Erbe ihres Vaters fort, die Beschäftigung mit dem Holocaust und mit dem Judentum ist ihr wichtig. 2014 zum Beispiel produzierte sie Auf das Leben! mit Hannelore Elsner und Max Riemelt in den Hauptrollen. In dem Film finden eine ältere jüdische Dame und ein junger Mann zusammen und helfen einander. Alice Brauner sagt, das Filmgeschäft habe Zukunft, Menschen gehen immer ins Kino, schauen Filme im TV oder streamen Serien. »Solange die Maschinen uns nicht ablösen, werde ich Filme produzieren.«

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