Nachruf

Ein väterlicher Freund

Rabbiner Leo Trepp sel. A. Foto: Mike Minehan

Leo Trepp war vor der Schoa der Jüngste unter den deutschen Rabbinern. Schon diese Tatsache lässt erahnen, dass sich hinter seinem Namen eine ungewöhnliche, zugleich von historischen Ereignissen geprägte, leidvolle, aber doch auch hoffnungsvolle Lebensgeschichte verbirgt.

Als Überlebender der Schoa setzte sich Leo Trepp nach dem Ende des Naziterrors als einer der Ersten für die Verständigung zwischen Juden und Deutschen ein und führte amerikanische jüdische Studenten nach Deutschland. Manche haben sich gefragt, warum Leo Trepp nach seiner Internierung im Konzentrationslager Sachsenhausen, nach seiner Flucht aus Deutschland über England in die Vereinigten Staaten, nach Kalifornien, zu diesem Brückenschlag fähig und bereit war. Meine Antwort: Leo Trepp hat sich gerade wegen seiner schrecklichen Erfahrungen im Nazideutschland bewusst dafür entschieden, Juden und Deutsche zusammenzubringen. »De profunda ad eventa«, aus den Tiefen zur Höhe, Humanität sollte die Antwort auf die größten Verbrechen des 20. Jahrhunderts sein.

Der in Mainz geborene Leo Trepp hat Zeit seines Lebens und vor allem während seiner Amtszeit als Landesrabbiner, welche in dem Terror ab 1938 ihren schrecklichen Höhepunkt fand, unter der Perversion des nationalsozialistischen Deutschland gelitten. Und ich rede nicht allein von den nach außen hin offensichtlichen Leiden im Konzentrationslager und auf der Flucht, nicht allein von Hunger, Zwangsarbeit und Entwürdigung. Ich rede auch von den inneren Leiden, beispielsweise davon, dass Leo Trepp mit der Flucht aus Deutschland sein Vaterland und seine geliebte Heimatstadt Mainz verloren hat, die er ein Leben lang vermisste. Auch deshalb wirkte er jedes Jahr im Sommer als Gastprofessor an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.

Wie bedeutsam ihm Mainz und seine Mainzer Freunde waren, konnte erahnen, wer ihn mit Schülern und Studenten diskutieren sah und hörte, mit welcher Leidenschaft er vom jüdischen Mainz vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten schwärmte. Man musste erlebt haben, wie er bei einem Glas Wein und einer Zigarre von seiner Heimatstadt erzählte, um zu erkennen, wie sehr ihn der unwiederbringliche Verlust dieser jüdischen Mainzer Welt schmerzte und wie er dennoch über alle Gräben der Vergangenheit hinweg Mainzer geblieben war.

Leo Trepps Bindung an diese Stadt geht einher mit seiner Bindung an das Judentum, an seinen traditionellen und sich weltweit öffnenden jüdischen Glauben. Sein großes Werk »Das Vermächtnis der deutschen Juden« lässt erahnen, wie dieser Mann in historischen, religiösen, humanitären Kathegorien dachte und handelte. Als Rabbiner und Professor war er zugleich ein politisch weitsichtiger Mann.

Auch mit den USA fühlte sich Leo Trepp verbunden. Amerika sicherte sein Überleben, gab ihm die Bürgerrechte und die Chance, seiner Lieblingstätigkeit nachzugehen - zu lehren, der Jugend seine Kenntnisse und Erfahrungen weiterzugeben. Dort fand seine erste Frau, die Tochter des Vorgängers als Landesrabbiner von Oldenburg, ihre ewige Ruhe. Dort leben seine Nachkommen und seine zweite Frau Gunda, die ihn bis zuletzt aufopferungsvoll pflegte und liebevoll betreute.

Leo Trepp war mir ein väterlicher Freund. Wo andere Hass und Bitterkeit empfanden, hat er aus gütigem Herzen Versöhnung gelebt und gepredigt. Er starb am Vorabend der Einweihung der neuen Mainzer Synagoge. Er starb in seinem geliebten San Francisco, in das der Ruhelose erst vier Tage zuvor, von Berlin kommend, bereits geschwächt, angereist war. Im 97. Lebensjahr, in voller geistiger Frische, bereit, seine Bestimmung anzunehmen.

Die jüdischen Gemeinden in Deutschland und den USA, alle, die ihn kannten und verehrten – und das sind nicht wenige –, sind ärmer geworden. Wir vermissen einen ganz großen Lehrmeister und Brückenbauer, einen Humanisten und gütigen Menschen. Auch ich werde ihm ein dankbares und ehrendes Andenken bewahren.

Der Autor ist Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.

Gedenken

Neues Denkmal für jüdische Häftlinge in Gedenkstätte Ravensbrück

Etwa 20.000 Jüdinnen und Juden sind im ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück in Brandenburg inhaftiert gewesen. Die heutige Gedenkstätte hat nun ein neues Denkmal enthüllt - im Beisein von Überlebenden

von Daniel Zander  06.11.2025

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

 06.11.2025 Aktualisiert

Reaktionen

Zohran Mamdanis Sieg spaltet die jüdische Gemeinschaft

Während ein Drittel der New Yorker Juden den neuen Bürgermeister gewählt hat, haben andere Angst, dass dessen Antizionismus ihre Sicherheit gefährdet

 06.11.2025

Hamburg

Viel mehr als Klezmer

In der Hansestadt haben die zweiten Jüdischen Kulturtage begonnen. Bis Mitte Dezember erwartet die Besucher ein breit gefächertes Programm – inklusive einer jiddisch-hebräischen Oper

von Heike Linde-Lembke  06.11.2025

Düsseldorf

»Eine Stimme, wo andere schwiegen«

Die Gemeinde zeichnet Wolfgang Rolshoven mit der Josef-Neuberger-Medaille aus

von Stefan Laurin  06.11.2025

Berlin

Andacht für Margot Friedländer: »Du lebst weiter«

Sie war Holocaustüberlebende, Berliner Ehrenbürgerin und eine eindrucksvolle Persönlichkeit. Gestern wäre Margot Friedländer 104 Jahre alt geworden. An ihrem Grab erinnern Freunde und Bekannte an sie

von Andreas Heimann  06.11.2025

Laudatio

»Wie hält man so etwas aus?«

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hielt die Laudatio auf Karoline Preisler anlässlich der Verleihung des Paul-Spiegel-Preises in Berlin. Eine Dokumentation

von Julia Klöckner  05.11.2025

Potsdam

Abraham-Geiger-Kolleg ordiniert zwei Rabbinerinnen

In Deutschlands größter Synagoge Rykestraße in Berlin-Prenzlauer Berg werden an diesem Donnerstag zwei Rabbinerinnen ordiniert. Zu der Feier wird auch Polit-Prominenz erwartet

 05.11.2025

Berlin

Davidstern-Gemälde an East Side Gallery beschmiert

Der Tatverdächtige konnte gefasst werden. Bei der Begehung seines Wohnhauses fand die Polizei mehrere Hakenkreuze

 05.11.2025