Porträt

Ein Franzose an der Ruhr

Am 29. Juli feierte Jacques Marx seinen 75. Geburtstag. Am 4. September zeichnet die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, ihn mit der höchsten Ehrung des Landes, dem Landesverdienstorden, aus. 37 Jahre lang, von 1973 bis 2010, hat Marx die Jüdische Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen geleitet. Damit war er zuletzt der dienstälteste Gemeindevorsitzende aller jüdischen Gemeinden in Deutschland.

Sein Vater, Emil Marx, betrieb in Saarbrücken eine koschere Metzgerei. 1935 musste die Familie nach Drohungen gegen ihn nach Paris emigrieren, wo Jacques Marx ein Jahr später geboren wurde. 1940 floh die Mutter mit ihrem Sohn vor den deutschen Truppen in die damals noch freie Zone, nachdem Emil Marx 1939 als deutscher Ausländer interniert wurde.

Als die Nationalsozialisten auch Mittelfrankreich besetzten, musste sich die Familie verstecken. Ab April 1942 tauchte sie in den französischen Wäldern unter und erlebte zwei Jahre voller Entbehrungen, Hunger und Kälte, ohne ärztliche Versorgung in einer zweifelhaften Waldidylle, vor allem jedoch in ständiger Angst vor mordenden SS-Einheiten, die systematisch Dorf für Dorf nach versteckten Juden durchkämmten.

Studium Erst nach der Befreiung wurde der inzwischen 9-jährige Jacques 1945 in Paris eingeschult. Marx machte in Straßburg sein Abitur, studierte dort Pharmazie, geriet jedoch durch seine Ablehnung der französischen Algerienpolitik in Schwierigkeiten und setzte nach vier Semestern sein Studium in Freiburg fort – das bedeutete: Deutsch lernen, Latinum nachholen.

Freiburg war damals französische Besatzungszone, und es lag eine gewisse Ironie darin, dass Marx als französischer Staatsbürger ausgerechnet dort seinen Militärdienst ableistete – als Sekretär und Fahrer des sefardischen Militärrabbiners Ben-David.

Mitte der 60er-Jahre verschlug es Marx ins Ruhrgebiet. Er arbeitete in Gelsenkirchen als Pharmazeut und betätigte sich als Reitlehrer, der für die Springreiterfamilie Schockemöhle Pferde zuritt. 1967 ließ er sich als selbstständiger Apotheker in Mülheim nieder, gemeinsam mit seiner Frau Danielle, die wie er aus Paris stammt und mit der er zwei inzwischen erwachsene Kinder hat. Und er begann ein Leben für die jüdische Sache.

Vorsitz 1968 wurde er Mitglied des Mülheimer Gemeinderats und 1973 zum Vorsitzenden der zum Dreierbund zusammengeschlossenen Gemeinden in Duisburg, Mülheim, Oberhausen gewählt, die gerade einmal 80 Mitglieder zählten. Dieses Amt behielt er ohne Unterbrechung bis zum Jahr 2010.

Der Name Jacques Marx wird immer mit drei Leistungen verbunden bleiben: der Integration der jüdischen Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, dem Bau des jüdischen Gemeindezentrums sowie der Gründung des jüdischen Kindergartens in Duisburg. Unter Marx’ Führung hat sich die Dreiergemeinde seit Ende der 80er-Jahre mit annähernd 3.000 Mitgliedern fast vervierzigfacht.

Neubau Das Gemeindezentrum am Springwall, das 1999 eingeweiht wurde, hat sich zu einem kulturellen Kristallisationspunkt der Region entwickelt und über alle Religionen und Anschauungen hinweg nach außen geöffnet. All das darf Marx als Verdienst zugeschrieben werden. Ihm ist es auch zu verdanken, dass die Gemeinde nie in den roten Zahlen war. Das lag nicht zuletzt daran, dass er die Gemeinde nach soliden kaufmännischen Prinzipien führte, so, als sei sie seine eigene Apotheke, von der ja bekanntlich heilende Wirkung ausgeht. Als Marx in den Ruhestand ging, konnte er seinen Nachfolgern ein gut bestelltes Haus übergeben, das er stets auf die Zukunft hin ausgerichtet hatte.

Marx ist auch weiterhin Direktoriumsmitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland. Und im Vorstand des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden Nordrhein fungiert er immer noch als Finanzdezernent. Die sportlichen Aktivitäten, die Reisen, der Garten und die Enkelkinder hindern den Ehrenvorsitzenden Marx nicht, sich hin und wieder auch ohne Amt in die Belange der Gemeinde einzumischen. Wichtiger noch mag sein, dass er sich aktiv im Fundraising für die Gemeinde betätigt.

Für seine bleibenden Verdienste um die Jüdische Gemeinde ist Jacques Marx vielfach ausgezeichnet worden, dabei hat er nie die Bodenhaftung verloren. Sein Einsatz für die Gemeinde war und ist auch zukünftig zugleich ein Dienst am Allgemeinwohl.

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

 05.11.2025

Laudatio

»Wie hält man so etwas aus?«

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hielt die Laudatio auf Karoline Preisler anlässlich der Verleihung des Paul-Spiegel-Preises in Berlin. Eine Dokumentation

von Julia Klöckner  05.11.2025

Potsdam

Abraham-Geiger-Kolleg ordiniert zwei Rabbinerinnen

In Deutschlands größter Synagoge Rykestraße in Berlin-Prenzlauer Berg werden an diesem Donnerstag zwei Rabbinerinnen ordiniert. Zu der Feier wird auch Polit-Prominenz erwartet

 05.11.2025

Berlin

Davidstern-Gemälde an East Side Gallery beschmiert

Ein Gemälde an der bekannten East Side Gallery ist Ziel einer antisemitischen Schmiererei geworden. Der Tatverdächtige konnte gefasst werden. Bei der Begehung seines Wohnhauses fand die Polizei mehrere Hakenkreuze

 05.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 6. November bis zum 13. November

 05.11.2025

Auswärtiges Amt

Deutschland entschärft Reisehinweise für Israel

Nach Beginn des Gaza-Krieges hatte das Auswärtige Amt vor Reisen in Teile Israels gewarnt. Dies gilt so nicht mehr. Der Außenminister begründet das mit gewachsenem Vertrauen in den Friedensprozess

 04.11.2025

Würdigung

Margot Friedländer wird mit Sonderbriefmarke geehrt

Wie das Finanzministerium mitteilte, war die Sonderbriefmarke für Friedländer ein »besonderes Anliegen« von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil

 04.11.2025

B’nai B’rith

»Wie eine große Familie«

Delegierte aus 20 Ländern kamen zusammen, um sich eine neue Organisationsstruktur zu geben

von Ralf Balke  03.11.2025

Berlin

Jüdische Gemeinde erinnert an November-Pogrome

Zum 87. Jahrestag der NS-November-Pogrome von 1938 werden am Sonntag ganztägig die Namen der im Holocaust ermordeten Berliner Jüdinnen und Juden vorgelesen. Bei einem Gedenken am Abend wird Berlins Regierender Bürgermeister sprechen

 03.11.2025