Corona-Krise

Die Online-Kehilla

Zsolt Balla, Landesrabbiner von Sachsen, in der Synagoge der Israelitischen Religionsgemeinschaft zu Leipzig Foto: privat

Es sind Namen, die man normalerweise weniger mit Orten von Gottesdiensten oder Schiurim in Verbindung bringen würde: Zoom, Facebook, Youtube oder Whatsapp.

Doch in Zeiten von Corona sind es halt nicht die Synagogen, in denen Juden zusammenkommen können. Sondern die Versammlung, die Kehilla, findet im Internet und zahlreichen Social-Media-Plattformen statt. Genau deshalb gehen immer mehr Rabbinerinnen und Rabbiner online.

LEipzig Zsolt Balla in Leipzig ist einer von ihnen. »Mir fehlen die gemeinsamen Gottesdienste«, betont der Landesrabbiner von Sachsen. »Aber ich bin in einer glücklichen Lage, weil ich im selben Gebäude wohne, in dem auch die Synagoge untergebracht ist.«

Rabbiner Balla überträgt Schacharit, Mincha und Maariw über die Videokonferenz-Plattform Zoom und via Facebook aus der Synagoge in Leipzig.

Dort betet er zwar allein, überträgt aber Schacharit, Mincha und Maariw über die Videokonferenz-Plattform Zoom und via Facebook, ebenso eine Kabbalat Schabbat. Über 40 Leute kommen so oft zusammen, für einen »virtuellen Minjan« reicht es also.

Das Kaddisch-Gebet allerdings darf nur bei einem wirklichen Minjan gesprochen werden. »Aber es gibt ein anderes Gebet und einen Psalm, die wir derzeit zur Erinnerung an einen Verstorbenen sprechen«, sagt Rabbiner Balla.

Frankfurt Nicht wirklich dabei, aber trotzdem mittendrin. Auf diesem Prinzip basiert die Angebotspalette, die mit jedem Tag Quarantäne breiter wird. In Frankfurt am Main beispielsweise hat Rabbiner Julian-Chaim Soussan damit begonnen, auf der Facebook-Seite der Gemeinde Videobotschaften zu posten, in denen er den aktuellen Wochenabschnitt erklärt.

»Die Zielgruppe sind junge Schüler*innen, vielleicht sehen Sie sich den Clip ja auch mit Ihren Kindern gemeinsam an, falls etwas erklärt werden muss, und auch, damit Sie hinterher mit Ihren Kindern darüber sprechen können«, schreibt er.

Auch Elisa Klapheck, Rabbinerin des Egalitären Minjans, und Chasan Daniel Kempin haben den jüngsten Freitagabend-Gottesdienst mit Predigt als Video aufgenommen und an die Mitglieder verschickt.

Berlin In Berlin hat die Synagoge Pestalozzistraße mit Erfolg begonnen, den Schabbatgottesdienst per Livestream im Netz zu übertragen. Und Boris Ronis, Gemeinderabbiner der Synagoge Rykestraße ist ebenfalls dazu übergegangen, die Drascha via Youtube zu halten. Zudem existiert auf Facebook die Gruppe Synagoge Rykestraße, in der Kantor Jochen Fahlenkamp zahlreiche Youtube-Clips postet, auf denen er zu hören ist.

In Berlin heißt die interaktive Whatsapp-Gruppe einer Synagoge »Ryke in Zeiten von Corona«.

Zugleich gestalten Ronis und Fahlenkamp in der interaktiven Whatsapp-Gruppe, die den Namen »Ryke in Zeiten von Corona« trägt, jetzt regelmäßig Gottesdienste zum Schabbat.

Die Berliner Synagoge Oranienbuger Straße veranstaltet an fast allen Werktagen ein Online-»Lunch und Learn«. »Am vergangenen Freitag hatten wir auch eine Online-Kabbalat-Schabbat vor dem Kerzenzünden. Wir haben auch ein Gebet eingebaut, dass man speziell in Zeiten einer Seuche spricht«, sagt Rabbinerin Gesa Ederberg.

Chabad Auch das Jüdische Bildungszentrum von Chabad in Berlin arbeitet »mit Hochdruck daran, euch auch zu Hause mit der täglichen Dosis Yiddishkeit zu versorgen«. Geplant sind deutschlandweite Online Schiurim sowie weitere Lernangebote. Den Anfang machte am Mittwoch ein Frauen-Online-Schiur unter dem Titel »Von Sklaverei zur Freiheit« auf Zoom.

Das Jüdische Bildungszentrum von Chabad Lubawitsch will für die »tägliche Dosis Yiddishkeit« auch zu Hause sorgen.

Und für die Synagoge Fraenkelufer organisierte – ebenfalls auf Zoom – Martin Schubert eine Ruach HaSchabbat-Meditation.

Die Liberale Jüdische Gemeinde Hannover lässt ihre Mitglieder via Youtube an dem Schabbatgottesdienst teilhaben – wenn auch in verkürzter Form. Über einen entsprechenden Link können sich dann alle dazuschalten.

Köln Für die Synagogen-Gemeinde Köln wandte sich Rabbiner Yechiel Bruckner auf Youtube an die Gemeinde. In Dresden greift man auf das Angebot des MDR Sachsen zurück, den Kabbalat-Schabbat-Gottesdienst mit Gemeinderabbiner Akiva Weingarten im Radio zu senden.

Und Chabad Lubawitsch Hannover überträgt Kabbalat Schabbat sowie den entsprechenden Wochenabschnitt ebenfalls auf Facebook, wo auch Rabbiner Binyamin Wolf jetzt eine Video-Einführung zum Pessachfest anbietet.

»Diesen Schabbat ist es eine Mizwa, nicht zur Synagoge zu kommen«, hieß es von der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland.

Der große Vorteil all dieser Online-Gottesdienste und Schiurim: Kleinere Gemeinden, die nicht in der Lage sind, so schnell entsprechende Angebote auf die Beine zu stellen, können bei anderen mitmachen und – wie im Falle der Jüdischen Gemeinde Halle – auf ihrer Facebook-Seite beispielsweise zu einer Watch-Party mit Rabbiner Zsolt Balla oder einer Hawdala mit Rabbiner Avichai Apel  in Frankfurt einladen.

Auf diese Weise wird die virtuelle Beterschaft größer und größer. »Diesen Schabbat ist es eine Mizwa, nicht zur Synagoge zu kommen, um die Ausbreitung des Virus aufzuhalten«, so war es vor einigen Tagen von der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) zu hören. Die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie seitens der Behörden lassen erahnen, dass diese Mizwa wohl noch einige Zeit Pflicht bleiben wird.

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