Reportage

Die Kölsche Kippa Köpp

Emblem des jüdischen Karnevalvereins Kölsche Kippa Köpp Foto: dpa

»Habt ihr einen bestimmten Ruf?«, fragt jemand die Vorstandsmitglieder des ersten jüdischen Karnevalsvereins von Köln, während sie in die Kameras lächeln. »Ja«, antwortet Präsident Aaron Knappstein (48). »Kölle Alaaf!« Das ist natürlich nur der ganz normale Kölner Karnevalsruf, kein besonderer. Aber Aaron Knappstein und seine Vereinsfreunde wollen auch keine besonderen Karnevalisten sein. Sondern nur ganz normale.

So sehen sie auch aus. Für die Galasitzung der Korpsgesellschaft »Blauen Funken« haben sie sich an diesem Abend in Schale geworfen: schwarzer Anzug, dazu die Karnevalsmütze auf dem Kopf. Erst wenn man die Mütze abnimmt und den Rand einmal umschlägt, sieht man auf rotem Grund einen Davidstern und einen siebenarmigen Leuchter. Daneben steht ein hebräischer Text. »Das ist das Gebet für den Weg. Für Leute, die auf Reisen sind«, erklärt Dieter Beumling. »So dass einem nichts Schlimmes widerfährt.«

»Kölsche Kippa Köpp e.V.« ist der erste jüdische Karnevalsverein in Köln seit der Nazizeit und – soweit bekannt – gleichzeitig der erste in ganz Deutschland. »Die Düsseldorfer gucken gerade neidisch zu uns rüber«, behauptet Schatzmeister Frank Levy.

»Die Düsseldorfer gucken gerade neidisch zu uns rüber«, scherzt Levy.

GRÜNDUNG Den Anstoß gab Kölns oberster Karnevalist Christoph Kuckelkorn, der Präsident des Festkomitees. Er hat jüdische Mitglieder in bestehenden Gesellschaften über Jahre hinweg immer wieder darauf angesprochen, ob sie den Karneval nicht mit einem eigenen Verein bereichern wollten.

»Und dann haben wir uns irgendwann entschieden: Ok, wir probieren es jetzt«, erzählt Knappstein bei einem Kölsch in einer Karnevalskneipe. Bis dahin kannten sie sich untereinander zum Teil gar nicht. »Ich bin in der liberalen Gemeinde, andere sind in der orthodoxen, und wieder andere sind gar nicht religiös unterwegs.«

Ein wichtiger Beweggrund war, dass es zur Zeit der Weimarer Republik einen sehr aktiven jüdischen Karnevalsverein in Köln gegeben hat: den »Kleinen Kölner Klub« (KKK). Er war so etabliert, dass ihn jedes Jahr das Dreigestirn aus Prinz, Bauer und Jungfrau beehrte. Das alles änderte sich 1933 mit Hitler. Die beiden KKK-Gründer Willi und Max Salomon emigrierten nach Palästina und in die USA, andere Mitglieder wurden später deportiert und ermordet.

Jetzt hoffen sie, dass der Verein schnell bekannter wird und wachsen kann.

TRADITION Die »Kölsche Kippa Köpp« kürzen sich ebenfalls KKK ab. Bisher gibt es nur zwölf Mitglieder. »Oder 13, denn wir haben gerade einen Aufnahmeantrag bekommen«, korrigiert sich Knappstein.

Jetzt hoffen sie, dass der Verein schnell bekannter wird und wachsen kann. Einen spezifisch jüdischen Charakter streben sie nicht an. »Auch der damalige Verein hat keinen jüdischen Karneval veranstaltet. Sondern das waren Juden, die Kölner Karneval gefeiert haben.«

Warum sie dann überhaupt einen eigenen Verein brauchen? »Das ist schwer zu erklären«, räumt Knappstein ein. »Ganz wichtig ist uns die Bewahrung der Tradition: Damals waren Juden im Karneval aktiv, haben mit Nichtjuden gefeiert. Und jetzt sind sie wieder da. Ich finde, so eine Normalität zu zeigen, hilft immer. Dass Juden nicht nur vorkommen, wenn es Übergriffe gibt, sondern auch, wenn gefeiert wird.«

Einen spezifisch jüdischen Charakter streben sie nicht an.

SOWJETUNION Umgekehrt wollen die »Köpp« den Karneval auch in das Judentum tragen. »Heutzutage sind ja 70, 80 Prozent der Gemeindemitglieder hier in Köln aus der ehemaligen Sowjetunion«, erklärt Knappstein. »Die haben diese Tradition natürlich gar nicht.«

Carlos Levy ist 1945 in Argentinien geboren, wohin seine Eltern geflohen waren. Als er sieben Jahre alt war, kehrten sie mit ihm nach Deutschland zurück. Dass er jetzt im schon etwas reiferen Alter die Gründung des Karnevalsvereins miterlebt, berührt ihn. »Ich bin Jude«, sagt er. »Wir sind Teil der Gesellschaft. Nicht mehr und nicht weniger. Nur Teil der Kölner Gesellschaft.«

Bayern

Merz kämpft in wiedereröffneter Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  15.09.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Erstes Konzert in Magdeburger Synagoge

Die Synagoge war im Dezember 2023 eröffnet worden

 15.09.2025

Thüringen

Jüdisches Bildungsprojekt »Tacheles mit Simson« geht erneut auf Tour

Ziel des Projektes sei es, dem Aufkommen von Antisemitismus durch Bildung vorzubeugen, sagte Projektleiter Johannes Gräser

 15.09.2025

Essen

Festival jüdischer Musik mit Igor Levit und Lahav Shani

Der Festivalname »TIKWAH« (hebräisch für »Hoffnung«) solle »ein wichtiges Signal in schwierigen Zeiten« setzen, hieß es

 15.09.2025

Berlin

Margot Friedländer Preis wird verliehen

Die mit insgesamt 25.000 Euro dotierte Auszeichnung gehe an Personen, die sich für Toleranz, Menschlichkeit, Freiheit und Demokratie einsetzen

 15.09.2025

München

»In unserer Verantwortung«

Als Rachel Salamander den Verfall der Synagoge Reichenbachstraße sah, musste sie etwas unternehmen. Sie gründete einen Verein, das Haus wurde saniert, am 15. September ist nun die Eröffnung. Ein Gespräch über einen Lebenstraum, Farbenspiele und Denkmalschutz

von Katrin Richter  14.09.2025

Hamburg

»An einem Ort getrennt vereint«

In der Hansestadt soll die Bornplatzsynagoge, die in der Pogromnacht von den Nazis verwüstet wurde, wiederaufgebaut werden. Ein Gespräch mit dem Stiftungsvorsitzenden Daniel Sheffer über Architektur, Bürokratie und Räume für traditionelles und liberales Judentum

von Edgar S. Hasse  13.09.2025

Meinung

»Als Jude bin ich lieber im Krieg in der Ukraine als im Frieden in Berlin«

Andreas Tölke verbringt viel Zeit in Kyjiw und Odessa – wo man den Davidstern offen tragen kann und jüdisches Leben zum Alltag gehört. Hier schreibt er, warum Deutschland ihm fremd geworden ist

von Andreas Tölke  13.09.2025

Porträt der Woche

Das Geheimnis

Susanne Hanshold war Werbetexterin, Flugbegleiterin und denkt über Alija nach

von Gerhard Haase-Hindenberg  13.09.2025