Coronavirus

»Die Entscheidung ist uns sehr schwergefallen«

Zentralratspräsident Josef Schuster Foto: dpa

Herr Schuster, der Zentralrat der Juden hat die Jewrovision, die an diesem Wochenende in Berlin stattfinden sollte, abgesagt. Was hat am Mittwochmittag zu dieser Entscheidung geführt?
Die Entscheidung ist nicht plötzlich gefallen. Die Verantwortlichen in Verwaltung und Vorstand haben sich bereits seit einigen Tagen über diese Frage immer wieder ernsthaft Gedanken gemacht. Eigentlich war ich – auch in Abstimmung mit den Gesundheitsbehörden – noch bis Dienstag der Meinung, dass wir die Veranstaltung durchführen könnten. Doch die Bedenken wurden immer größer. Die Zahl der bestätigten Corona-Fälle in Deutschland stieg, die Symptome sind kaum von einer Erkältung zu unterscheiden. Wir kamen zu dem Schluss, dass das Risiko zu groß sein würde. Und vor diesem Hintergrund aus Verantwortung für die jungen Teilnehmer haben wir uns dann schweren Herzens entschlossen, die Jewrovision abzusagen. Gesundheit geht über alles.

Wie schwer ist Ihnen der Entschluss gefallen?
Sehr schwer. Wir wussten, dass wir damit viele Jugendliche und Kids enttäuschen, die sich seit Monaten auf das Event vorbereitet und gefreut haben.

Gibt es bereits konkrete Pläne, die Jewrovision 2020 nachzuholen?
Wir werden unser Bestes versuchen, es ist allerdings nicht leicht, kurzfristig eine Location für eine Veranstaltung in dieser Größenordnung zu finden. Wir hoffen, das im Herbst realisieren zu können. Dazu sind wir jetzt in Gesprächen.

Auch viele andere Veranstaltungen werden abgesagt, wie die Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit am Sonntag. Wie geht es jetzt weiter? Wird zum Beispiel der Jugendkongress in drei Wochen stattfinden?
Den Jugendkongress veranstaltet die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST) mit dem Zentralrat als Partner, aber letztlich wird die ZWST darüber entscheiden. Allerdings ist das mit Blick auf die Teilnehmerzahl eine ganz andere Größenordnung als die Jewrovision. Nur glaube ich, dass heute keiner sagen kann, was in drei Wochen sein wird.

Sie sind zu vielen Veranstaltungen eingeladen. Wie verhalten Sie sich dort, geben Sie die Hand, halten Sie Abstand?
Ich gebe die Hand. Von Menschen, die grippal erkrankt sind, halte ich einen gewissen Abstand. Und ich wasche mir oft und gründlich die Hände, auch im Alltag.

Sie sind Arzt. Können Sie derzeit zu Besuchen in Gemeindezentren und Synagogen raten?
Die Empfehlung der Ärztekammer und Kassenärztlichen Vereinigung lautet, dass Patienten, die einen Corona-Verdacht haben, keine Hausarztpraxis aufsuchen, sondern sich erst einmal telefonisch melden sollen. Selbstverständlich sollten sie dann auch nicht in die Öffentlichkeit gehen. Zudem rate ich allen Menschen, die fieberhaft erkrankt sind, dringend davon ab, Veranstaltungen zu besuchen – im eigenen und vor allem auch im Interesse der anderen. So bitte ich auch alle, die grippal erkrankt sind, auf Besuche von Synagogen oder Gemeindeeinrichtungen zu verzichten.

Am Montagabend beginnt Purim. Sollten größere Megilla-Lesungen und Partys stattfinden?
Ob Veranstaltungen derzeit stattfinden können, hängt von der Größe der Veranstaltung ab, davon, ob ich in der Gemeinde einer Kleinstadt zum Gottesdienst gehe oder zu einem Purimball in einer Großstadt. Die Einzelfallentscheidungen müssen die Gemeinden vor Ort treffen, in Absprache mit der Gesundheitsbehörde. Die Absage der Jewrovision fand unter besonderer Berücksichtigung der Tatsache statt, dass wir gerade für Kinder und Jugendliche keine Gefahr eingehen wollten.

Mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland sprach Detlef David Kauschke.

Interview

»Berlin ist zu meiner Realität geworden«

Die Filmemacherin Shoshana Simons über ihre Arbeit, das Schtetl und die Jüdische Kunstschule

von Pascal Beck  11.09.2025

München

Ein Fundament der Gemeinde

Die Restaurierung der Synagoge an der Reichenbachstraße ist abgeschlossen. In den Erinnerungen der Mitglieder hat das Haus einen besonderen Platz

von Luis Gruhler  11.09.2025

Dialog

Brücken statt Brüche

Eine neue große Tagung der Denkfabrik Schalom Aleikum widmet sich der digitalen Kommunikation in Krisenzeiten

 11.09.2025

Dialog

Freunde wie Berge

Juden und Kurden verbindet eine jahrtausendealte Freundschaft. Um ein Zeichen der Gemeinsamkeit zu senden und sich des gegenseitigen Rückhalts zu versichern, kamen sie nun auf Einladung der WerteInitiative in Berlin zusammen

von Katrin Richter  10.09.2025

Literatur

»Es wird viel gelacht bei uns«

Der Historiker Philipp Lenhard und die Schriftstellerin Dana von Suffrin über den von ihnen gegründeten Jüdischen Buchklub, vergessene Klassiker und neue Impulse

von Luis Gruhler  09.09.2025

Ausstellung

Lesen, Schreiben, Sehen, Handeln, Überleben

Im Literaturhaus München wird das Leben der amerikanischen Denkerin und Publizistin Susan Sontag gezeigt

von Ellen Presser  09.09.2025

München

Spur der heiligen Steine

Es war ein Sensationsfund: Bei Baumaßnahmen am Isarwehr wurden Überreste der früheren Hauptsynagoge entdeckt. Der Schatz wird nun vom Jüdischen Museum erforscht

von Michael Schleicher  07.09.2025

Dialog

Gemeinsam stark

Fatma Keser ist Mitbegründerin von »Pêk Koach – Jewish-Kurdish Women’s Alliance«. Der Frauenverein will jüdische und kurdische Perspektiven vermitteln

von Pascal Beck  07.09.2025

Fürth

Ruth Weiss ist gestorben

Sie engagierte sich ihr Leben lang gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit. Nun ist die in Franken geborene Schriftstellerin mit 101 Jahren gestorben

 05.09.2025 Aktualisiert